2022-07-06T10:35:38+0000

ZKF Automobiles Zukunftsforum: „Wir müssen umdenken“

Die Zukunft stand beim Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) am DEKRA Lausitzring ganz oben auf der Agenda. Beim Automobilen Zukunftsforum in Klettwitz Anfang Juli diskutierte die Branche über Elektromobilität, den Umgang mit Fahrerassistenzsystemen und über die Fortentwicklung der Digitalisierung. In zahlreichen Workshops zum Anfassen und Mitmachen, an Themeninseln und Ständen der mehr als 50 Aussteller sowie in Vorträgen und Podiumsdiskussionen konnten sich die Teilnehmer umfassend über die wichtigsten Trends informieren. ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm kündigte an, dass der Zentralverband seine Mitgliedsbetriebe künftig bei den Mega-Trends noch stärker unterstützen und Orientierung bieten will. So auch bei der Digitalisierung, wie ZKF-Präsident Peter Börner im exklusiven Video-Interview mit schaden.news erklärte: „Es ist unsere Aufgabe, zu schauen, welche neuen Angebote kommen auf den Markt und diese vorzustellen. Der einzelne Betrieb kann sich nicht mehr mit der Vielfalt an Lösungen beschäftigen.“ Das Digitalisierungsforum auf dem Lausitzring markierte deshalb den Auftakt zu einem regelmäßig stattfindenden Hybrid-Format des ZKF, wie der Präsident betonte. ## Die Branche im Krisenmodus Neben der strategischen Ausrichtung der Betriebe für die Zukunft blieb die Sorge über die aktuelle wirtschaftliche Lage und den sich verstärkenden Fachkräftemangel jedoch auch in Klettwitz allgegenwärtig. So betonte Peter Börner im Video: „Der Auftragsbestand ist unglaublich hoch, allerdings fehlen bei vielen Fahrzeugen die Ersatzteile. Wir warten teilweise über Wochen auf simple Blechteile bis hin zu Steuergeräten oder Scheinwerfer. Was aber viel mehr Sorge macht, sind die steigenden Energiepreise.“ In einer emotionalen Grundsatzrede sprach ZKF-Präsident Peter Börner dann auch Klartext und machte deutlich, dass sich die Branche trotz verbesserter Auftragslage im Krisenmodus befinde. Die galoppierende Inflation treffe die Reparaturfachbetriebe und vor allem die Partnerwerkstätten hart - während Kfz-Versicherer wie die HUK-Coburg und die Allianz Millionen-Gewinne einfahren würden. „Wie sollen Betriebe die Fachkräftesicherung, Löhne, Nebenkosten, Investitionen in Weiterbildung und Ausstattung stemmen, insbesondere dann, wenn die Betriebe in der Schadenlenkung „verhaftet“ sind und derzeit die steigenden Kosten für Energie und Lack selbst tragen müssen. Teilweise ohne jegliche Entschädigung, oder nur „mit zaghaften Anpassungen“. Das Fazit des ZKF-Präsidenten war eindeutig: „Partner ist die Werkstatt eben nur dann, wenn sie liefert. Wenn sie was bekommen soll, dann ist die Partnerschaft nicht so richtig Partnerschaft, mehr so einseitig, das ist meine Erfahrung und ich befürchte, das geht nicht mehr lange gut!“ Peter Börner geht davon aus, dass die Krise länger anhalten wird. Er nannte in seiner Grundsatzrede ein konkretes Beispiel, welche Auswirkungen gerade die drastische Energiepreisentwicklung hat: „Ein Betrieb berichtete mir vor ein paar Tagen, die letzten Jahre hatte er 100.000 Euro Energiekosten pro Jahr, nach Hochrechnung der ersten 5 Monate auf das gesamte Jahr 2022 werden das wohl rund 200.000 Euro werden. Bei einem durchschnittlichen Ertrag die letzten Jahre von 25-30.000 Euro eine nicht sehr rosige Aussicht.“ Der ZKF-Präsident rechnete vor: „Von wegen 7,9% Inflation, das sind 100% bei der Energie für Werkstätten und da nutzt ein Euro mehr die Stunde nix. Ganz im Gegenteil, der eine Euro verschlimmert die Sache nur. Nehmen wir mal an, es gibt von einem Schadenlenker im Schnitt 2,50 Euro die Stunde mehr, also
2 für Karosserie und 3 für Lack. Dann müsste der Betrieb im Jahr 2022 noch 40.000 Stunden verkaufen, um allein die Mehrkosten für Energie decken zu können. Bei rund 1.600 verkaufbaren Stunden pro Mitarbeiter im Jahr, und 800 die ab jetzt noch im Jahr 2022 übrig sind, muss der Betrieb somit 52 produktive Mitarbeiter haben, um am Ende genau Nichts von den 2,50 Euro übrigzuhaben.“ ## „Schadenlenkung ist ruinöser Raubbau am handwerklichen Mittelstand“ Der Schadenlenkung gibt Peter Börner unter den jetzigen Bedingungen keine Zukunft. Er sagte in Klettwitz wörtlich: „Wir im ZKF können der Schadenlenkung – unter den heutigen Voraussetzungen – wenn nicht schnellstens was geändert wird, kaum eine Zukunft geben. Sie ist mehr und mehr ruinöser Raubbau am handwerklichen Mittelstand und das hat keiner von uns verdient. Die EUROGARANT AutoService AG gilt hier als Benchmark, als Zeichen, dass es auch aus Sicht der Werkstatt Schadenlenkung geben kann und nicht nur aus Sicht der Versicherung. Das ist zwar heute weniger, aber es ist nur für die Werkstatt gemacht.“ ## Selbstbewusster im Markt auftreten In anderen Gewerken sei der Kunde derzeit froh, wenn überhaupt ein Handwerker komme. „Und wir?“, fragte der ZKF-Präsident. „Ich glaube hin und wieder, wir sind die einzigen Doofen, die es nicht geschafft haben, den Gesetzen des Marktes zu folgen, also das Angebot-Nachfrage-Preis im Einklang sind. Wenn doch Fachkräftemangel vorherrscht, dann ist doch die Frage, ob mit zwei Facharbeitern weniger und ausgewählten Kunden, die das zahlen, was erforderlich ist, und nicht das, was die Großen möchten, nicht am Ende ein besseres Betriebsergebnis erzielt wird. Auch für die Betriebe, die finanzielle Verpflichtungen haben. Denn wer kein Termin-Buchungssystem per Online-Kalender und keine Werkbank Gateway haben will, wer kein Trackingsystem braucht, der muss sich dann auch keines vorschreiben lassen oder kann sich selbst das für ihn richtige am Markt aussuchen. Es ist eben nicht immer und unbedingt im Handwerk State of the Art, eine Online-Terminbuchung zu haben.“ Der Zentralverband sehe andere Handwerke und deren Art und Beachtung mit der Marktwirtschaft und den steigenden Kosten umzugehen. „Strom teurer = Stundensatz rauf, Benzin teuer = Anfahrtspauschale rauf, Lohnerhöhung = Stundensatz rauf, Lackmaterial teurer = Preise dafür hoch“, meinte der ZKF-Präsident und fügte hinzu: „Deshalb kann es doch nur die Aufgabe des ZKF sein, mit den Betrieben zusammen, weitere Optionen zu entwickeln, die auf dem Weg der Wirtschaftlichkeit neue Perspektiven aufzeigen.“ Es müsse ein Umdenken geben. „Wir sehen eine Trendwende kommen, eine die das Preisdumping stoppen wird, denn die Löhne, Energie- und Nebenkosten, die nötigen Investitionen sind unter den heutigen Voraussetzungen nicht mehr auf Dauer haltbar. Wir ertüchtigen auch deshalb die Betriebe mit neuen Qualifikationen, neue Fachbetriebstypen wie Oldtimer, Caravan und E-Mobilität.“ ## Neue Chancen ergreifen und Lösungen des ZKF nutzen Peter Börner betonte in seiner Grundsatzrede dann auch die Chancen, die sich den K&L-Betrieben derzeit bieten. Ein Thema: Die Auswirkungen der Inflation auf die Unfallschadenreparatur. Durch die stark gestiegenen Gebrauchtwagenpreise würde sich die Reparaturgrenze von 130 Prozent verschieben. „Ein Gebrauchtwagen kostete im Juli 2020 noch durchschnittlich 19.801 Euro, so die DAT in ihrem Report. Gebrauchte haben sich seitdem, seit nur 12 Monaten, um 38 Prozent bzw. 7.500 Euro verteuert. Angebot und Nachfrage definieren den Preis, das lernt jeder in der Schule, leider in unserer Branche nicht, oder noch nicht. Denn damit ist aber auch die 130% Reparaturgrenze um
diese durchschnittlich 7.500 Euro nach oben gewandert. Es ist also möglich, heute 7.500 Euro teurer zu reparieren und man ist noch immer nicht über die 130% Grenze. Flottenbetreiber zahlen aus eigener Kasse nochmals fast 4.000 Euro obendrauf und lassen auch mal gerne bis 200% reparieren, weil keine Neuwagen verfügbar sind und die Mitarbeiter der Flotte mobil sein müssen.“ Peter Börner hob in Klettwitz zudem die Bedeutung der Diversifizierung von Geschäftsfeldern hervor und forderte die Betriebe auf, die Lösungen des Zentralverbandes stärker zu nutzen. In seiner Grundsatzrede sagte er dazu folgendes: „Wir starten deshalb heute mit zwei elementaren und neuen Leistungen in die Zukunft. Wir nennen die Produkte numinos und service2muuv.“ Mit numinos stelle der Verband eine Software bereit, der die Betriebe in die Lage versetze, „völlig neue Dimension in gänzlich neuen Geschäftsfeldern zu erschließen und einen lebendigen Markt zu schaffen. Ohne großen Aufwand, mit einer Anpassung der Geschäftsfelder. Numinos ist unser Beitrag, um nicht 27 unterschiedliche Portale von Lieferanten und Partnern managen zu müssen, also der Werkstatt-Desktop nach Wünschen der Werkstatt. Ein Tool für alle Aufgaben, Wunsch der Werkstatt.“ service2muuv sei das Verwaltungs-Programm, mit dem die Werkstatt eine Kleinflotte bis 30 Fahrzeugen problemlos in Eigenregie komplett managen könne - auch die Nutzfahrzeugbetriebe. „Vom Neuwagen, Leasing, Car-Abo, Tank- und Ladeinfrastruktur, Service, Reifen, Waschen, Logistik, Retoure, Führerscheinkontrolle, Fahrerunterweisung, UVV, Kommunikation und Einladungen an den Flottenchef oder den Fahrer, der Betrieb kann einfach alles automatisch organisieren.“ ## Wer Zukunft will, muss ausbilden Beim Branchentreffen in Klettwitz war immer auch der Fachkräftemangel das Top-Gesprächsthema. Peter Börner forderte die Betriebe auf, bei der Ausbildung des Nachwuchses nicht nachzulassen – auch wenn es schwerfällt. „Ein Gewinn unserer Zunft, unseres Berufes, unserer gesamten Branche ist die berufliche Ausbildung. Kompetenzen aufbauen. Das ist eine Kernaufgabe des Berufs- und Wirtschaftsverbandes ZKF, der Arbeitgebervertretung in der Politik, der Gesellschaft und bei den Gesetzgebern.“ Aber es gelte auch: „Ohne Lehrlinge keine Gesellen. Ohne Gesellen keine Meister. Ohne Meister keine Aufträge. Auch wenn mir ein Betrieb die letzten Tage schilderte: ‚Von 14 Azubis aus den Jahre 2013 - 2020 sind uns 4 bis heute als Gesellen erhalten geblieben‘ stellt sich die Frage, wie schlimm ist das denn oder ohne die Ausbildung. Es wären keiner übriggeblieben.“ Ihm sei geschildert worden, dass in einer mit 28 Mitgliedsbetrieben nur noch 3 Betriebe ausbilden würden. Der ZKF-Präsident fragte: „Woher soll also unser Fachpersonal und Nachwuchs kommen? Ausbilden, ausbilden, ausbilden. Denn 28 Betriebe mal 4 Gesellen aus sieben Jahren macht 112 Gesellen, so kann ein Optimist wie ich, die Rechnung auch aufstellen und ich würde mir wünschen, wenn das alle auch so sehen würden. Ja, es ist nicht einfach auszubilden und sich der Herausforderung Zukunft zu stellen, ich bin aber sicher es geht und es lohnt sich, Beispiele gibt es genügend.“