2022-07-06T10:33:46+0000

LVM: Schadensteuerung ohne Werkstattbindung als Erfolgskonzept?

Der Kfz-Versicherer LVM tickt etwas anders als die Allianz oder die HUK-Coburg. Bereits seit mehr als zehn Jahren routen die Münsteraner bis jetzt nahezu geräuschlos und sehr erfolgreich mehr als bundesweit 800.000 Unfallschäden über ihren Schadenservice in rund 1.200 Partnerbetriebe. Dabei spielen vor allem die selbstständigen, vor Ort stark verwurzelten Versicherungsagenturen eine entscheidende Rolle. So kommt man bei der LVM in der Schadenslenkung mit Kfz-Policen ohne Werkstattbindungstarif aus – und erreicht dennoch im Jahr 2021 einen Steuerungsanteil von über 25 Prozent. ## Vertrauen als Basis der Kooperation Wie funktioniert diese Form der Schadensteuerung, mit der scheinbar auch die Partnerwerkstätten zufrieden sind? Den Schadenservice treiben Michael Messmann und Roger Schmitt seit Jahren gemeinsam mit ihrem Team bei der LVM Versicherung voran. „Wir setzen sehr stark auf Vertrauen als Basis der Kooperation mit unseren Partnerbetrieben“, erklärt Bereichsleiter Michael Messmann im Gespräch mit schaden.news. Die Schadenlenkung laufe ganz bewusst nicht über einen Schadensteuerer wie bei Allianz oder über Werkstattbindungstarife wie Kasko Select bei der HUK-Coburg. „Bei unserem Schadenmanagement sind die Agenturen Dreh und Angelpunkt. Sie haben eine persönliche Beziehung zu den Versicherungsnehmern und Werkstätten. Darauf kommt es uns an.“ Nahezu 80 Prozent aller Kfz-Schäden werden vom LVM-Kunden bei „seinem Vertrauensmann“ vor Ort gemeldet, heißt es in Münster. „Die Agenturen können die Schadenabwicklung selbstständig über das Werkstattnetz der LVM anbieten“, erklärt Roger Schmitt, Leiter Schadenmanagement, im Redaktionsgespräch in Münster. „Der Kunde oder Anspruchsteller entscheidet freiwillig, ob er den Service in Anspruch nehmen möchte oder nicht.“ ## Welche Strategie verfolgt der LVM? Die Münsteraner sind davon überzeugt, dass die Schadenlenkung auf freiwilliger Basis noch besser funktioniert als über einen Steuerungstarif. Allerdings kommt es dabei nach Ansicht von Michael Messmann und Roger Schmitt auf einige wichtige Faktoren an. Dazu gehören: gute Serviceleistungen, regional akzeptierte Partnerwerkstätten, das gemeinsame Arbeiten am „strategischen Ziel“, das Erkennen „enormer Kosten- und Servicepotentiale“ und ein einfacher Abwicklungsprozess – so lautet die Strategie der LVM Versicherung. „Wenn der Versicherungsnehmer zufrieden ist und über die Agenturen regelmäßig informiert wird und wenn die persönliche Vertrauensbeziehung des Kunden zur Agentur bedenkenlos an die Partnerwerkstatt weitergegeben werden kann, dann funktioniert die freiwillige Werkstattsteuerung“, hebt Michael Messmann hervor. Diese Form der Schadensteuerung kommt auch in der Werkstattwelt gut an. [In einer Leserumfrage von schaden.news im Jahr 2019 belegte die LVM Versicherung im Zufriedenheitsranking der Partnerwerkstätten Platz 1.](https://schaden.news/de/article/link/40951/konjunkturumfrage-2019-zufriedenheit-schadensteuerer) Auch der Bundesverband der Partnerwerkstätten (BVdP) zeichnete den Kfz-Versicherer aus Münster mit dem Award „Schadensteuerer des Jahres“ aus. ## Zusammenarbeit mit Control Expert Doch auch bei der LVM setzt man nicht nur auf blindes Vertrauen, sondern auch auf Kontrolle und beschleunigt die Schadenregulierung seit dem Jahr 2019 mit digitalen Prozessen. „Jede Partnerwerkstatt ist einem Sachverständigen fest zugeordnet. Unsere Gutachter begleiten von Beginn an die Schadenfeststellung und stimmen in enger Zusammenarbeit verbindlich die Reparaturwege ab“, beschreibt Michael Messmann das Prinzip. „Aufgrund der Zunahme von gesteuerten Schadenfällen und der starken Einbindung unserer Sachverständigen haben wir gemeinsam mit Control Expert einen neuen digitalen Regulierungsprozess entwickelt, der die Sachverständigen entlastet,
ohne die Vertrauenskultur zu stören.“ Der Prüfdienstleister aus Langenfeld stellt dabei die IT-Infrastruktur. Wie läuft die digitale Schadenregulierung genau? Die Partnerwerkstatt schickt ihre Schadenkalkulation nach Angaben der LVM über die GDV-Schnittstelle oder via E-Mail an den Kfz-Versicherer nach Münster. Der Datensatz wird dann an Control Expert zur automatisierten kaufmännischen Prüfung und Kontrolle nach einem von den Gutachtern definierten Regelwerk übertragen. „Kommt es zu Unregelmäßigkeiten, prüft unser Sachverständiger den Vorgang im neuen Webportal, nimmt bei Fragen Kontakt mit der Partnerwerkstatt auf und gibt die möglicherweise korrigierte Schadenkalkulation frei, die dann über Control Expert und die LVM Zentrale als Reparaturkostenübernahme volldigital zurück an die Partnerwerkstatt gespielt wird.“ Das bedeutet: Der Sachverständige vom LVM behält die Kontrolle mit seiner Einzelfallentscheidung und es wird ein Prüfbericht der Schadenkalkulation erstellt – kein Prüfbericht, der eine Rechnungskürzung zur Folge hat. In allen anderen Fällen erfolgt die Reparaturfreigabe automatisch. In der LVM Zentrale werden Versicherungsschutz und Haftung eigenständig geprüft. So beschreiben Michael Messmann und Roger Schmitt den Ablauf im Gespräch mit schaden.news. ## Vertrauen nicht verspielen Die Schadensteuerung ohne Werkstattbindung bei der LVM scheint also ein Erfolgskonzept zu sein. Sicher kann das Prinzip der Münsteraner nicht als Blaupause für andere Kfz-Versicherer dienen. Aber das Beispiel der LVM zeigt, wie wichtig Vertrauen für ein funktionierendes System Schadensteuerung ist. Dieses Vertrauen darf man nicht leichtfertig verspielen.
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