2022-06-29T11:19:23+0000

Web-TV: Nur eine stärkere Zusammenarbeit bringt die Digitalisierung voran

„Seit Ende 2017 reden wir über die Digitalisierung, aber sind wir mal ganz ehrlich: Wir sind noch nicht wirklich weitergekommen“, stellte Thomas Geck, Leiter Schadenprozessmanagement der HUK-Coburg, vergangene Woche beim Schadentalk im Web-TV (23.06.) fest – und sprach damit aus, was vielleicht viele der Betriebsinhaberinnen und -inhaber denken. Denn die aktuelle Situation in puncto Digitalisierung ist zuweilen undurchsichtig für K&L-Betriebe. Die zentrale Frage der vierten Ausgabe des Branchentalks in diesem Jahr lautete deshalb: Wohin geht die Reise wirklich? Darüber diskutierte Moderator Christian Simmert mit Thomas Geck von der HUK-Coburg und Dr. Moritz Weltgen vom Start-up RepairFix sowie mit Erik Jahn und Peter Ringhut von den führenden Software-Anbietern Solera Audatex AUTOonline und KSR. ## „Kunde erwartet, dass er Termin online buchen kann“ Schnell wurde klar: Der durch die Corona-Pandemie ausgebrochene Digitalisierungsschub ist ungebrochen. So betonte Thomas Geck gleich zu Beginn der Sendung: „Der Druck wird immer größer. Der Kunde erwartet heute, dass er einen Termin online buchen kann – ob nun im Restaurant oder in der Werkstatt“, brachte es der Leiter Schadenprozessmanagement auf den Punkt. Doch aktuell ist genau das über die HUK-Coburg nicht möglich, denn nach wie vor haben viele Partnerwerkstätten die Lösung zur Online-Terminbuchung beziehungsweise das Digitale Autohaus, dass die HUK-Coburg im letzten Jahr gemeinsam mit Gudat Solutions eingeführt hat, nicht integriert. Auch weil im Markt immer wieder von Befürchtungen zu hören ist, der größte deutsche Kfz-Versicherer wolle über das digitale Tool auf die Reparaturkapazitäten der Partnerwerkstätten zugreifen. [Bedenken, die der Leiter Schadenprozessmanagement erneut klar verneinte.](https://youtu.be/Z_G8lkQWMRs?t=2191) ## HUK-Coburg: Strategiewechsel bei der Online-Terminbuchung Um die Online-Terminbuchung dennoch voranzutreiben, hat die HUK-Coburg inzwischen einen Kurswechsel vollzogen, weil die Partnerwerkstätten den Weg des Digitale Autohauses nicht mitgehen – auch nach der Einführung einer Erhöhung des Stundensatzes um 50 Cent. Neben finanziellen Anreizen für Betriebe setzt der Kfz-Versicherer jetzt mehr auf Kooperationen. So kann die Online-Terminvereinbarung auch mit KSR oder in Carisma von Audatex umgesetzt werden. „Wir brauchen die Terminschnittstelle und haben uns deswegen geöffnet. Dadurch sind wir, denke ich, ein großes Stück vorangekommen“, fasst Thomas Geck die aktuelle Entwicklung zusammen. ## „Wir können die Probleme nicht allein lösen“ Eine Öffnung hin zu anderen Marktbeteiligten und zum Wettbewerb – das ist auch aus Sicht der anderen Talkgäste der Schlüssel, um die Digitalisierung im Schadengeschäft so
voranzutreiben, dass am Ende der administrative Aufwand für alle Beteiligten sinkt. So betonte Erik Jahn, Mitglied der Geschäftsleitung bei Solera Audatex AUTOonline: „Wir können nicht all die Probleme, die auf die Werkstatt einströmen, selbst lösen. Deshalb haben wir uns geöffnet. Die Herausforderung für uns Dienstleister liegt darin, die Vielfalt der Systeme abbilden zu können. Wir müssen sicherstellen, dass die Informationen, die die Werkstatt über verschiedene Kanäle erhält, glatt durchlaufen.“ KSR-Geschäftsführer Peter Ringhut ergänzte diesbezüglich: „Ziel ist es, die Daten in einem System durch zu transferieren – auch bei zehn verschiedenen Auftraggebern.“ ## Schnittstellen sind kein technisches Problem Doch genau da liegt die Herausforderung. Zwar sei die Schaffung von Schnittstellen zwischen Auftraggeber-Plattformen, Kalkulationssystemen und DMS-Systemen aus technischer Sicht kein Problem, wie Erik Jahn, Dr. Moritz Weltgen und Peter Ringhut bestätigten, jedoch hemme die Vielfalt der Systeme, Eingangskanäle und Lösungen die Umsetzung ein Stück weit. „Der Aufwand einer Schnittstelle besteht darin, die gegenseitigen Aufrufe zu synchronisieren. Das heißt Datenmodelle und -typen müssen so synchronisiert, dass auf beiden Seiten das gleiche Verständnis vorherrscht, dass zum Beispiel Feld Eins auch Feld Eins heißt und nicht anders“, erklärt Erik Jahn die Problematik. Die Basis hierfür ist aus Sicht von Peter Ringhut Transparenz und gegenseitiges Vertrauen, für das der KSR-Geschäftsführer in diesem Zusammenhang auch noch einmal an alle Marktbeteiligten appellierte. ## Digitalisierung im Kampf gegen Fachkräftemangel? Gleichwohl im Hintergrund intensiv an der Vernetzung der verschiedenen Systeme gearbeitet wird, ist die aktuelle Lage vor allem für die Werkstätten nach wie vor unübersichtlich – und sorgt im Moment (noch) für einen erhöhten administrativen und Aufwand. Ein Aufwand der personell häufig gar nicht abgedeckt werden kann. Denn, so Erik Jahn: „Der Fachkräftemangel ist auch in der Administration angekommen.“ Umso wichtiger sei es, die Informationen über die verschiedenen Eingangskanäle – ob App, Auftraggeberplattform, Privatkunden-Mail oder Anruf – so zu kanalisieren, dass der Betrieb weiterhin effizient mit seinem System arbeiten kann. Die Lösung für den durch den Digitalisierungsschub hervorgerufenen Mehraufwand heißt also: Digitalisierung. „Software soll Werkstätten unterstützen. Es geht nicht darum, einen Prozess komplett abzulösen, sondern ihn durch Software einfacher zu gestalten“, so Dr. Moritz Weltgen. Peter Ringhut brachte es auf den Punkt: „Jedes Telefonat, das der Mitarbeiter in der Annahme nicht führen muss, bringt einen Vorteil für die Werkstatt.“ ## Was können K&L-Betriebe jetzt unternehmen? Doch was bedeutet all das nun für Werkstätten? Was können diese jetzt in puncto Digitalisierung unternehmen? Denn, so die klare Botschaft von Thomas Geck: „Wir werden die Digitalisierung nicht aufhalten können, selbst wenn wir es wollten.“ KSR-Geschäftsführer Peter Ringhut rät Betrieben deshalb dazu, rechtzeitig mit der Umstellung auf digitale Prozesse zu beginnen. „Betrieb sollte zunächst einmal intern beginnen, digital zu arbeiten. Das muss nicht komplett papierlos sein, aber es gibt ein
Mindestmaß an interner Digitalisierung, um dann auch extern automatisiert arbeiten zu können.“ Aus Sicht von Erik Jahn sind 80 Prozent der K&L-Betriebe bereits mittendrin im Digitalisierungsprozess. Er hob jedoch hervor, dass auch weiterhin Flexibilität von den Unternehmern gefragt sein wird, da aufgrund der Vielfalt wohl auch in Zukunft nicht ausnahmslos alle Prozesse mit einem System bearbeitet werden können. ## Digitalisierung als Chance begreifen Eine etwas andere Sichtweise zeigte Dr. Moritz Weltgen vom Start-up RepairFix in der Web-TV-Sendung, die live aus der Unternehmenszentrale der HUK-Coburg übertragen wurde. „Betriebe können neue digitale Anwendungen auch dazu nutzen, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen.“ So nannte der Gründer des noch jungen Unternehmens die Lösung von RepairFix zur Schadenannahme als Instrument selbst „ein stückweit in den Schadensteuerung mit lokalen Flotten“ einzusteigen. Auch Thomas Geck vom größten deutschen Kfz-Versicherer ist sich sicher, dass „die Chance, als lästig empfundene Aufgaben in der Administration zu digitalisieren“ ein großer Vorteil für Betriebe darstellt. Zudem betonte er mit Blick auf die wachsende Nachfrage nach digitalen Selbst-Services von Versicherungsnehmern: „Das Risiko besteht darin, dass Aufträge wegbrechen, wenn keine Online-Terminbuchung angeboten wird.“ ## Klare Botschaft in der Sendung Der Tenor nach gut 80 Minuten Branchentalk war also klar: An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. Die Werkstätten kommen also nicht umhin, mit den verschiedenen Lösungen zu arbeiten. Und – so merkte Peter Ringhut an – die generelle Bereitschaft der Betriebe sei auch da. Deutlich wurde auch: Alle Marktbeteiligten arbeiten mit Hochdruck und zunehmend gemeinsam daran, alle digitalen Systeme über Schnittstellen und „Connectoren“ miteinander zu vernetzen. Offen bleibt nur die Frage, wie lange es noch braucht, um diese Vernetzung zu schaffen und wann die Betriebe tatsächlich alle Aufträge mit dem von ihnen gewählten System effizient abarbeiten können. Wobei auch allen Beteiligten der Sendung klar ist: Die Digitalisierung von Prozessen im Schadengeschäft wird wohl niemals enden.
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