2022-06-29T11:04:10+0000

Triales Studium: „Türöffner, um Gymnasiasten auf Handwerk aufmerksam zu machen“

Seit Jahren geht die Zahl der Auszubildenden weiter zurück. Laut Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) wurden im Jahr 2021 rund 18 Prozent weniger Ausbildungsverträge im Bereich „Fahrzeuglackierer/in“ unterschrieben als 2019, im Bereich „Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/in“ sank die Zahl auf 1.227 (2019: 1.506) und somit um rund 19 Prozent. Die Nachwuchs-Akquise wird für K&L-Betriebe also immer schwieriger. Neben dem demografischen Wandel verschärft ein zusätzlicher Fakt die Azubisuche, wie Robert Ziegler, Referatsleiter Berufsausbildung beim Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik, erklärt: „Wir erleben seit einigen Jahren eine zunehmende Akademisierung, jüngere Menschen mit höheren Schulabschlüssen haben immer seltener das Handwerk im Blick.“ Um diesem Trend entgegenzuwirken, entwickelte die Handwerkskammer Köln bereits 2010 das sogenannte triale Studium, das Ausbildung, Meisterschule und den Bachelorabschluss „Handwerksmanagement“ verbindet. Heute wird diese Form des Studiums darüber hinaus bei den Handwerkskammern Düsseldorf, Hannover, Oberfranken, Münster, Ostwestfalen-Lippe und Schwerin angeboten. ## „Viele Abiturienten werden so erst auf Handwerk aufmerksam“ Ann-Kathrin Lauf, Referentin für Hochschulfragen an der HWK Düsseldorf, ist sich sicher, dass die Akademisierung des Handwerks ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist: „Das triale Studium ist der Türöffner, um an den Gymnasien überhaupt über die handwerkliche Ausbildung zu berichten. Viele Abiturienten werden so erst auf die Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk aufmerksam“, betont sie gegenüber schaden.news. Zudem steigere das Studium die Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung. 70 Lehrverträge seien aktuell an der HWK Düsseldorf im Rahmen des trialen Studiums „Handwerksmanagement“ eingetragen, darunter jedoch niemand in den Ausbildungsberufen Karosserie-/Fahrzeugbaumechanik oder Fahrzeuglackierung. ## Auch Betriebe können mit Studium werben Gleichwohl es die Möglichkeit des trialen Studiums bereits seit zwölf Jahren gibt, ist dieses immer noch nicht flächendeckend in Deutschland bekannt. Um das zu ändern, organisieren die Handwerkskammern laut Ann-Kathrin Lauf u.a. Infoveranstaltungen an Schulen, Messebesuche sowie digitale Infoveranstaltungen der Hochschule. Zudem wird Öffentlichkeitsarbeit über Social Media-Kanäle oder Mailings betrieben. Aber auch K&L-Betriebe können direkt mit dieser Studienform für einen Ausbildungsplatz bei sich werben. „Wir bieten Unternehmern persönliche Beratungsgespräche, aber auch Informationsmaterialien an, die sie für die Nachwuchssuche nutzen können. Alle Betriebe, die einen Ausbildungsplatz im Rahmen
eines trialen Studiums anbieten, werden bei uns registriert, um den Bewerbern die Suche zu erleichtern“, erklärt Ann-Kathrin Lauf in diesem Zusammenhang. ## „Idealer Weg“ Eine, die das Studium bereits erfolgreich absolviert hat – noch dazu als erste Absolventin der HWK Düsseldorf überhaupt – ist Fahrzeuglackierermeisterin Lina Höttges, über die schaden.news im Rahmen der Serie „Frauen im Handwerk“ berichtete. „Das triale Studium ist der ideale Weg, um im Handwerk eine Führungsposition oder Selbstständigkeit anstreben zu können. Man lernt unglaublich viel und der Abschluss wird sehr anerkannt“, betonte Lina Höttges diesbezüglich gegenüber schaden.news. ## Breites Fachwissen wichtig für angehende Betriebsinhaber Mit Blick auf die steigenden Anforderungen an Unternehmer bestätigt Robert Ziegler vom ZKF die Aussagen der Fahrzeuglackierermeisterin: „In der heutigen Zeit ist es von Vorteil, wenn ein Betriebsinhaber nicht nur die Meisterprüfung in seinem Handwerk absolviert hat. Ein Betriebsinhaber muss mittlerweile in vielen anderen Themen ebenfalls ein Fachmann sein. Themen wie Betriebsorganisation und -planung, Controlling und Finanzmanagement, Innovationsmanagement sowie strategisches und operatives Handwerksmanagement sind mittlerweile genauso wichtig wie das fachspezifische Wissen.“ In Friedberg führe man deshalb aktuell Überlegungen durch, einen DRQ 6-Abschluss, wie nach dem trialen Studium, auch für das Karosseriebauer-Handwerk einzuführen, verriet der Referatsleiter für Berufsausbildung. Aktuell rate der ZKF Interessenten, die sich nach der Meisterprüfung weiterbilden wollen, zum Betriebswirt des Handwerks, der mit der Qualifikation DQR 7 abschließt.
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