2022-06-15T11:55:56+0000

Verbringungskosten – „Aufwand überprüfen und eventuell neu berechnen“

Trotz der hinlänglich bekannten Rechtsprechung versuchen Versicherungsunternehmen über Prüfberichte immer wieder, die im Rahmen einer Reparatur angefallenen Verbringungskosten zu kürzen – auch in den immer stärker zunehmenden Regressprozessen. ## Frage nach Erforderlichkeit und ortsüblichen Preisen in Regressfällen Das Paradoxon: Der Prüfbericht, der bereits im ersten Gerichtverfahren zu keinem Erfolg geführt hat, wird im Regressprozess erneut als Instrument genutzt, um aus Sicht des Versicherers überhöhte Reparaturkosten anzuzweifeln und zurückzufordern. Das Problem: Im Regressfall steht nicht mehr der subjektive Schadenbegriff im Fokus, demnach der Geschädigte auf das Sachverständigengutachten vertrauen darf. „Im Regressprozess wird die von der Werkstatt vorgenommene Reparatur nach den Maßgaben des Werkvertragsrecht §631 geprüft. Das heißt, die Vergütung bemisst sich neben der Vereinbarung im Reparaturauftrag nach Ansicht der Gerichte auch nach der Erforderlichkeit der Arbeiten, der angemessenen Durchführung und der Ortsüblichkeit der Preise“, erklärt Fachanwalt Jörg Rüberg, Niederlassungsleiter in Dortmund und Münster. ## „Die Verbringung ist vom Aufwand her ähnlich hoch wie der Abschleppvorgang“ Im Werkvertragsrecht stünden Positionen wie die Probefahrt oder die Verbringungskosten deshalb erneut auf dem Prüfstand. Aus Sicht des Anwalts ist dies jedoch kein Grund zur Sorge, im Gegenteil. Er rät Betrieben dazu, ihre aktuellen Verbringungskosten mit Blick auf den tatsächlichen Aufwand einmal zu prüfen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2014 zur Erstattungsfähigkeit von Abschleppkosten. Denn, so der Experte: „Die Verbringung ist vom Aufwand her ähnlich wie der Abschleppvorgang. Und laut BGH werden Abschleppkosten in Höhe von 250 Euro als ortsüblich angesehen.“ Die Kosten für das Abschleppen eines Fahrzeuges sind damit mehr als dreimal so hoch wie die von der HUK-Coburg üblicherweise erstatteten 80 Euro für eine Verbringung. Aber warum? ## Auch Vorbereitungsaufwand gehört mit zur Verbringung „Weil der BGH über die reinen Abschleppkosten hinaus auch die Kosten in Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs für erstattungsfähig ansieht“, erklärt Jörg Rüberg. Dazu gehören laut Urteil unter anderem „die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs“, ebenso wie alle Aktivitäten rund um die Ladesicherung und -prüfung. All diese Tätigkeiten würden bei einer Verbringung ebenso anfallen – und zwar sogar zweimal, wie der Experte einwandte. Denn auch vor dem Rücktransport von der Lackiererei zur Karosseriewerkstatt müsse die Ladung gesichert und geprüft werden. ## Aufwand neu kalkulieren „In den meisten Gutachten wird der Zeitaufwand der Verbringung mit einer Stunde
berechnet. Jetzt kann man sich mal fragen, ob das wirklich passt“, gibt Jörg Rüberg abschließend zu bedenken. Der Tipp des Experten: „Schreiben Sie die einzelnen Arbeitsschritte, die für eine Verbringung notwendig sind, mal auf.“ Das mag im ersten Moment mühsam erscheinen, aber nur wer Aufwand und Kosten ermittele, könne auch gegenüber der Versicherung argumentieren, die berechneten Kosten begründen und gegebenenfalls die bisher abgerechnete Pauschale anpassen, betont der Anwalt. ## Aktuelle Urteile vom Amtsgericht Bochum Zum Schluss bestärkt er seinen Rat mit verschiedenen Gerichtsurteilen des Amtsgerichts Bochum. Dieses bestätigte in einem Urteil vom 20. April 2022 beispielsweise ortsübliche Verbringungskosten zwischen 139 und 168 Euro netto, die ein Sachverständiger vorab recherchiert hatte. In einem weiteren Verfahren hat ein Sachverständiger die angesetzten Kosten des Kfz-Versicherers ins Verhältnis zum Stundenverrechnungssatz der Werkstatt gesetzt und kam zu dem Ergebnis, „[…] dass der zweimalige Fahrzeug Hin- und Rücktransport in einer Zeit von 37,7 Minuten erfolgen müsste. Das heißt, pro Hin- und Rücktransport in einer Zeit von 18,8 Minuten.“ Der Sachverständige argumentierte weiter, dass die Verbringung in dieser Zeit nicht durchführbar sei. In der Folge sprach das Bochumer Amtsgericht der Werkstatt vollumfänglich die Verbringungskosten zu.
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