2022-06-15T11:58:05+0000

Ausbildung: „Ich erwarte mehr von Innungen, Verbänden und Handwerkskammern“

Über 160 Jahre reicht die Historie des Familienunternehmens Ott im baden-württembergischen Ehingen zurück. Rund 60 Mitarbeiter beschäftigt Oliver Trowitzsch, der die Ott GmbH in 6. Generation führt, heute – verteilt auf die drei Geschäftsfelder Unfallinstandsetzung, Industrielackierung und Werbetechnik. Erst 2021 wurde ein neues Lackierzentrum für die Großfahrzeug- und Industrielackierung eröffnet, der örtliche Bürgermeister sprach in diesem Zusammenhang von einem „innovativen Vorzeigebetrieb“, der viele Arbeitsplätze für die Gemeinde bringe. Doch wenn Oliver Trowitzsch aktuell in die Zukunft schaut, dann nicht mit einem Lächeln. Denn den Betriebsinhaber plagen Nachwuchssorgen. „In den letzten Jahren ist es nahezu unmöglich geworden, Auszubildende zu finden“, erklärt er im Gespräch mit schaden.news. ## Hohe Konkurrenz, wenig Bewerber Die Gründe sind vielfältig. „Zum einen sind wir hier im ländlichen Raum, Ehingen hat rund 25.000 Einwohner. Da gibt es ohnehin schon weniger Bewerber als in Großstädten und Ballungsgebieten“, so der vierfache Familienvater. Erschwerend hinzu käme, dass die umliegende Industrie mit einer deutlich höheren Ausbildungsvergütung lockt, als im Fahrzeuglackiererbereich. Um finanzielle Anreize zu schaffen, warb Oliver Trowitzsch deswegen damit, Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss ihren Führerschein zu bezahlen. Gebracht hat es nichts. Trotz der äußeren Umstände war die Berufsausbildung nicht nur für den heutigen Betriebsinhaber – sondern auch für seine Vorgänger – immer eine Herzenssache. Oliver Trowitzsch hat deswegen mit verschiedenen Mitteln versucht, junge Menschen für die Fahrzeuglackierung zu begeistern. „Wir hatten über zehn Jahre eine Bildungspartnerschaft mit einer ansässigen Schule, haben unseren Betrieb dort immer wieder vorgestellt, Praktika angeboten, Events gesponsort.“ Das Ergebnis: „In zehn Jahren haben sich gerade einmal zwei Schüler für eine Ausbildung bei uns beworben, einer davon hat diese dann auch tatsächlich angetreten.“ ## Immer weniger Motivation bei Azubis Doch nicht nur die Zahl der Bewerber hat in den letzten Jahren spürbar abgenommen, sondern auch deren Motivation. „Manche bewerben sich kurz vor Ausbildungsbeginn, weil sie nichts anderes mehr bekommen. Und dann steckt man viel Mühe und Zeit in die Ausbildung, aber dann mangelt es schon daran, dass das Ausbildungsheft nicht ordentlich geführt wird“, erzählt der Geschäftsführer. Im Gespräch mit schaden.news wird deutlich: Der Betriebsinhaber hat resigniert. „Ganz ehrlich: Es macht keinen Spaß mehr.“ Deswegen hat er nun – auch aufgrund mangelnder Bewerber und der 2020 begonnenen Corona-Krise – beschlossen, keine Azubis
mehr einzustellen. Aktuell ist bei der Ott GmbH noch ein Azubi im dritten Lehrjahr tätig, danach endet das Kapitel Nachwuchsförderung vorerst. ## „Es wird nicht genug unternommen, um Handwerk attraktiv zu machen“ Oliver Trowitzsch weiß, dass er nicht der einzige Betriebsinhaber mit diesem Problem ist, dennoch fühlt er sich allein gelassen. Sowohl von der Handwerkskammer als auch von den Berufsverbänden und -innungen. „Ich habe das Gefühl, dass die Handwerkskammern nicht genug unternehmen, um das Handwerk generell und die Fahrzeuglackierung im Besonderen für junge Menschen attraktiv zu machen. Der frühere Spruch ‚Das Handwerk hat goldenen Boden‘ ist heute aktueller denn je. Aber trotzdem schaffen die Handwerkskammern es nicht, Nachwuchskräfte für eine Ausbildung zu begeistern.“ Zudem fehle dem Fahrzeuglackiererhandwerk innerhalb der Berufsverbände eine Lobby. „Es gibt einfach keinen direkten Verband für uns Fahrzeuglackierer. Beim ZKF liegt der Fokus auf der Karosserie und im Bundesverband Farbe sind zu über 80 Prozent Maler vertreten.“ Auch bei der Ulmer Innung habe Oliver Trowitzsch seine Sorgen vorgetragen und darum gebeten, sich stärker für Lackierfachbetriebe einzusetzen. „Die Antwort war, dass ich gern selbst im Namen der Innung aktiv werden könnte, um was zu ändern.“ Für den vierfachen Familienvater und Arbeitgeber eines 60-köpfigen Teams zeitlich aber nicht machbar. In der Konsequenz hat er seine Mitgliedschaft gekündigt. „Ich erwarte einfach mehr Engagement von den Innungen, Verbänden und Handwerkskammern“, resümiert er abschließend gegenüber schaden.news. Generell schließt der Betriebsinhaber nicht aus, dass er künftig wieder Azubis ausbildet, dafür brauche er aber ein neues Konzept – und das fehle ihm momentan noch.
Lesens Wert

Mehr zum Thema