2022-04-06T10:57:07+0000

Schadenregulierung mit KI: Sind Werkstätten und Sachverständige bald außen vor?

Über 600 Teilnehmer verfolgten erneut das 6. Automotive Online Forum der ETL Kanzlei Voigt in der vergangenen Woche (30.03.2022). Kein Wunder, denn mit dem Leitvortrag „Schadenbegutachtung durch KI“ stellte die auf Verkehrsrecht spezialisierte Kanzlei ein vieldiskutiertes Branchenthema in den Fokus. Referent und Fachanwalt Stephan Schmid, betonte gleich zu Beginn: „Ich werde Ihnen mit meinem Vortrag vermutlich etwas Angst machen“. Denn, so der Niederlassungsleiter für Kassel und Bielefeld, die Entwicklungen verheißen nichts Gutes für Werkstätten und Sachverständige. ## „Keine Zukunftsmusik, sondern gelebte Realität“ Im Rahmen seines Vortrages zeigte Stephan Schmid zunächst den aktuellen Stand der technischen Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz auf. So verarbeitet der Prüfdienstleister ControlExpert schon jetzt gemäß eigener Angaben „jährlich über 10 Millionen Gutachten, Kostenvoranschläge, Rechnungen und Wartungsbelege – und das teilweise vollautomatisiert.“ Über die, mit Unterstützung von Google entwickelte, App Easy Claim sollen Kunden zudem „innerhalb kürzester Zeit eine Schadenkalkulation“ erhalten. Das Ziel, Sachverständige durch bildgebende künstliche Intelligenz abzuschaffen, bestätigte der Geschäftsführer von Control Expert, Nicolas Witte, im Herbst 2021 auch [beim Schadenmanagement-Kongress der Versicherungsforen in Leipzig: „In fünf Jahren wird es keine Schadenabteilung mehr geben.“](https://www.schaden.news/de/article/link/42494/rueckblick-messekongress-leipzig) Nicht weniger Besorgniserregend sei in diesem Zusammenhang die Beteiligung der Allianz an Control Expert und die im letzten Jahr beginnende Dunkelverarbeitung von Kaskoschäden, [über die schaden.news im Februar berichtete.](https://schaden.news/de/article/link/42720/allianz-nutzt-ki-von-control-expert-als-wettbewerbsvorteil) Das Fazit des Fachanwalts: „Die vollautomatisierte Bearbeitung und Kalkulation von Schäden ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern bereits gelebte Realität.“ ## Das Geschäft mit Telematik-Verträgen Nicht weniger problematisch sieht der Rechtsexperte die steigende Zahl von sogenannten Telematik-Verträgen, bei denen Versicherungsnehmer im Tausch gegen ihre Fahrdaten einen günstigeren Tarif erhalten. [Allein 450.000 dieser Tarife verzeichnet aktuell die HUK-Coburg, wie diese im Rahmen ihrer Bilanzpressekonferenz am 29. März vermeldete.](https://schaden.news/de/article/link/42786/wohin-steuert-die-huk-coburg) „Das ist das Prinzip des gläsernen Fahrers und das ganze hat nur ein Ziel: Im Falle eines Schadens soll die Meldung direkt vom Auto an den Versicherer gehen“, erklärt Stephan Schmid. Das heiße im Umkehrschluss: „Sachverständige und Werkstätten sind dann raus.“ ## Aufklärungsarbeit und Kundenbindung Doch was heißen diese Entwicklungen nun konkret? „Wir werden in den nächsten Jahren
eine Veränderung in der Begutachtung und Regulierung spüren, die zu fehlenden Aufträgen und Kürzungen im Vorfeld durch das automatische Erstellen von Kalkulationen führt“, lautet die Antwort von Stephan Schmid. Werkstätten und Sachverständige müssten dem jedoch nicht tatenlos zusehen. Um nicht „abgehängt“ zu werden, sei Aufklärungsarbeit gefordert – die auch die ETL Kanzlei Voigt in ihrer täglichen Arbeit leistet. Noch wichtiger sei es darüber hinaus, die Kunden langfristig an sich zu binden. Nur dann könnten Werkstätten und auch Sachverständige in Zukunft noch vom Reparaturgeschäft profitieren, ist sich Stephan Schmid sicher. Dass die Webinar-Teilnehmer diesen Rat ernst nehmen, spiegelte eine Umfrage zum Abschluss des Vortrages wider. Über 90 Prozent der Teilnehmer gab an, vor dem Hintergrund des Gehörten, nun stärker in die Kundenansprache gehen oder andere Maßnahmen einleiten zu wollen.
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