2022-02-23T09:47:48+0000

„Schneller am Schaden als der Versicherer“

Im Interview erklären Holger und Benjamin Piesche von der Sachverständigenorganisation intertax, wieso es künftig entscheidend sein wird, wieder erster Ansprechpartner der Kunden zu sein und was das für die Schadenregulierung bedeutet. ___Herr Piesche, was müssen wir über die Kfz-Sachverständigen von intertax und Ihrer mobilen Datenerfassung myschaden24 wissen?___ __Holger Piesche:__ intertax ist als reines Sachverständigenbüro gestartet. Heute sind wir deutlich mehr als nur Gutachter. Als Sachverständigenorganisation arbeiten wir bundesweit und teilweise international mit 500 Partnern zusammen. Hier an unserem Standort im niedersächsischen Zevens haben wir vor zwei Jahren unser Kompetenzzentrum gegründet, in dem wir Gutachter schulen und die zentrale Beauftragung unserer Partner abwickeln. Wir haben für die einzelnen Bereiche Spezialisten und Expertenwissen für Nutzfahrzeuge, Flotte und auch PKW sowie Transporter hier zentralisiert. Wir haben uns in den letzten Jahren sehr stark entwickelt und die Fachkompetenz ausgebaut. Wichtig ist uns, dass wir neutral und unabhängig arbeiten. Unser Kerngeschäft ist der Haftpflichtschaden und der gesamte Prozess dahinter. Wir arbeiten aber auch für einige unserer Großkunden in dem Bereich Kaskoschaden oder auch Eigenschaden. Auch hier erfolgt die Prozesskette völlig digital. ___Die Digitalisierung verändert auch das Kfz-Gutachterwesen. Sie haben eine App namens myschaden24 entwickelt. Was verbirgt sich dahinter?___ __Benjamin Piesche: __Ja, auch wir sehen die starken Veränderungsprozesse durch die Digitalisierung – gerade bei den Kfz-Sachverständigen, die sich mit dieser Entwicklung nicht immer leichttun. Entscheidend ist, das digitale Lösungen für den freien Kfz-Sachverständigen nachvollziehbar sind, einen echten Nutzen bringen und die Arbeit wirklich erleichtert. Die Idee zu myschaden24 entstand aufgrund unserer starken Organisationsstruktur, in der wir uns mit unseren Partnern, also den verschiedenen Gutachterbüros sowie deren Kunden, vernetzen und einen schnellen sowie einfachen Datenaustausch sicherstellen. Zunächst ging es um die Digitalisierung des Gutachten Managements, nun stellen wir auch Werkstätten, Autohäusern oder Flotten eine App zur Verfügung, die für die Anwender den Zugang zu freiem Sachverstand gewährleistet. ___Wo liegt der konkrete Nutzen?___ __Benjamin Piesche: __Wir haben verschiedenen Gruppen von Anwendern. Im Flottenmanagement erhält der Nutzer des Fuhrparks die individuell im CI der Flotte gelabelte App myschaden24. Diese ermöglicht es dem Fahrer direkt am Unfallort alle relevanten Daten schnell und einfach digital zu erfassen, inklusive Fotodokumentation und diese entsprechend dem Fuhrparkverwalter zu übermitteln. Besonders wichtig ist dieser digitale Weg im Vermietgeschäft, da den Autovermietern Unfallschäden kaum oder Beschädigungen nur unvollständig gemeldet werden. Zudem bindet myschaden24 die Kompetenz der freien Sachverständigen mit ein, zum Beispiel bei der Erstellung von Unfallschadengutachten oder die Kommunikation mit Rechtsanwälten. Somit erhalten Flotten und Autovermieter einen durchgängigen digitalen Schadenprozess. ___Gibt es auch Einsatzbereiche für K&L-Betriebe?___ __Benjamin Piesche:__ Ja, sicher. Gerade Autohäuser aber auch immer mehr freie Karosserie- und Lackierbetriebe nutzen myschaden24, um ihren Kunden einen einfachen und sicheren Weg zur digitalen Schadenmeldung zu bieten und den Sachverstand von Kfz-Gutachtern mit einzubinden. Schadensmeldung, Kalkulation, Reparaturnachweise
und Zustandsberichte sind Bestandteil der App, die auch individuell angepasst werden kann. Vor allem bei Kleinschäden hat man die Möglichkeit sich über die Schadenaufnahme durch die Werkstatt (smartKV) einen digitalen Kostenvoranschlag durch einen Kfz-Sachverständigen erstellen zu lassen. __Holger Piesche: __Grundsätzlich bietet unsere digitale Lösung aber nicht nur einen konkreten praxisrelevanten Nutzen, sondern hat auch einen entscheidenden strategischen Vorteil: Der freie Betrieb, die Flotte oder das Autohaus sind schneller am Schaden als der Kfz-Versicherer. Dieser Aspekt wird künftig immer wichtiger, um gerade im Haftpflichtschadenfall alle Ansprüche des Geschädigten sicherzustellen und überhaupt den Schaden reparieren zu können. Denn das Schadenmanagement der Kfz-Versicherer hat vor allem zum Ziel, die Regulierung des Kfz-Unfallschadens zu bestimmen – insbesondere im ungesteuerten KH-Fall. ___Sie meinen myschaden24 ist eine Lösung, um als Werkstatt oder Autohaus das Schadenmanagement selbst in die Hand zu nehmen?___ __Holger Piesche:__ Die zentrale Frage lautet heute und in Zukunft doch: Wer steuert denn den Schaden? Den Schaden steuert immer öfter der gegnerische Kfz-Versicherer, weil dieser schneller ist. Das ist das große Problem. Der Schaden wird von den freien Gutachtern aber auch von den Betrieben, die nicht Partnerwerkstatt sind, weggesteuert. Diese Entwicklung hat es nur deshalb gegeben, weil man den Kunden vergessen hat. Der Kunde wurde nur eingebunden, wenn er mit dem Unfallschaden auf dem Werkstatthof ist, aber er wurde nie eingebunden, wenn der Schaden entsteht. Das ist der Kerngedanke, den Autofahrer in dem Moment abzuholen, in dem der Unfall passiert – und die Daten digital zu erfassen und auch den Betrieb und das Gutachterwesen digital anzuschließen. Mit myschaden24 gibt es die Möglichkeit nach dem Verkauf des Autos, nach der Reparatur in der Werkstatt oder nach Abschluss des Leasingvertrages dem Kunden eine App für die digitale Schadenmeldung mit an die Hand zu geben. Damit nicht der gegnerische Kfz-Versicherer, sondern der Betrieb selbst als erster am Schaden ist. Wir haben hier also ein Instrument geschaffen mit dem Autohäuser und Werkstätten selbst den Schadenprozess steuern können – von der Schadenmeldung und der Kalkulation über den Gutachter bis hin zum Rechtsanwalt. ___Wo sehen Sie denn die Rolle der freien KFZ-Sachverständigen, vor dem Hintergrund wachsender Digitalisierung?___ __Holger Piesche:__ Schadensteuerer und Kfz-Versicherer haben in den letzten Jahren auch deshalb die Schadenslenkung so stark ausgebaut, weil sie die Digitalisierung verstanden haben oder Unternehmen wie ControlExpert oder EUCON gekauft wurden. Die Welt der Kfz-Sachverständigen muss verstehen, dass man die Digitalisierung annehmen und nutzen muss. Gemeinsam im Verbund, so wie wir das bei intertax mit myschaden24 entwickelt haben. Um es klar zu sagen: Wer sich jetzt nicht bewegt, wird es in Zukunft sehr schwer haben und vermutlich nicht überleben. Das ist so! ___Welche Herausforderungen kommen auf die freien Kfz-Sachverständigen und die Werkstätten denn in Zukunft konkret zu?___ __Benjamin Piesche: __Grundsätzlich, denke ich, liegt die Herausforderung darin, digitale Entwicklungen für sich selbst optimal zu nutzen und mehr Aufklärungsarbeit bei den Kunden zu betreiben. Die Steuerung eines Unfallschadens ist enorm komplex. Kfz-Versicherer nutzen diese Komplexität, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen und dabei auch ganz klar gegen geltende Rechtslage zu handeln. Man muss also mit einer digitalen Lösung schneller am Schaden sein und gleichzeitig den geschädigten Autofahrer stärker über seine Möglichkeiten und Rechte aufklären. Das erfordert in Zukunft mehr Fachwissen in den Werkstätten und bei den Kfz-Sachverständigen, der Schulungsbedarf wird steigen. Zum einen was den richtigen Einsatz von Apps wie myschaden24 angeht. Zum anderen kommt es darauf an, den Kundenservice zu stärken, damit das Gespräch über das richtige Verhalten bei einem Unfallschaden und das Wissen über die Ansprüche als Geschädigter im Sinne des Autofahrers geführt werden kann. Bei den Kfz-Sachverständigen kommt hinzu, dass sie sich verändern und sich für neue digitale Lösungen öffnen müssen, um künftig weiterhin unabhängige Gutachten erstellen zu können und sich im Markt zu behaupten. ___Vielen Dank für unser Gespräch!___
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