2022-02-09T10:43:04+0000

Aus für Metallic-Farbtöne?

Dass die chemische Zusammensetzung bestimmter Farbtöne einen Einfluss auf die Funktion von Radar- und LiDAR-Sensoren hat, ist bekannt. Lack- und Automobilhersteller sind deswegen gefordert Lösungen zu erarbeiten – vor allem mit Blick auf den zunehmenden Verbau von LiDAR-Systemen in autonom-fahrenden Fahrzeugen. Im Interview erklärt Michaela Liese, Head of Color Center Europe bei der BASF Coatings GmbH, welche Farbtöne „problematisch“ für Fahrerassistenzsysteme sind. ___Frau Liese, es ist inzwischen bekannt, dass die chemische Zusammensetzung bestimmter Lackfarbtöne Einfluss auf die Funktion der Fahrerassistenzsysteme haben können. Welche allgemeinen Anforderungen stellen Radar und LiDAR in ihrer Funktionsweise an die Lacke? ___ __Michaela Liese:__ Radar und LiDAR sind von ihren physikalischen Prinzipien recht ähnlich, jedoch arbeiten sie mit komplett unterschiedlichen Frequenzen und damit Wellenlängen. Der Radarsensor sitzt lackrelevant hinter Stoßfängern oder anderen Karosserieteilen. Das bedeutet, dass die Signale mit einer bestimmten Frequenz und Wellenlänge durch Kunststoff und mindestens drei Lackschichten hindurch gesendet werden müssen, um andere Fahrzeuge zu erkennen – und auf demselben Weg zum Sensor zurück finden. Hier treten am lackierten Stoßfänger Reflexionen und Dämpfungen auf, die es gilt, so gering wie möglich zu halten. Der LiDAR-Sensor ist hinter IR-transparenten Fenstern verbaut. Um andere Objekte gut zu erkennen, sollte deren Oberfläche und Lackierung so reflektiv wie möglich im Nah-Infrarotbereich sein – es bestehen also lackrelevante Anforderungen an die Reflektivität der zu erkennenden Fahrzeuge. ___Bleiben wir zunächst bei Radar-Sensoren: Welche Lacke sind hier „problematisch“?___ __Michaela Liese:__ Beim Radar wird das Signal im wesentlichen durch Metallpartikel gedämpft. Vor allem Metallic-Lacke sind deswegen eine Herausforderung – insbesondere, wenn sie einen hohen Aluminium-Gehalt aufweisen. Dies betrifft dann vor allem Silberfarbtöne. In Kombination mit anderen Pigmenten kann Aluminium sogar noch problematischer für Fahrerassistenzsysteme sein. Daher sind Uni- oder Perleffektlacke, und hier besonders Schwarzfarbtöne, optimal für diese Technologie geeignet. Im Unternehmensbereich Coatings der BASF haben wir in den letzten Jahren ausreichend Erfahrung gesammelt, die es uns ermöglicht, Silberfarbtöne so zu formulieren, dass sie eine attraktive Helligkeit mitbringen und gleichzeitig eine nach den jeweiligen Kundenspezifikationen ausreichende Radartransmission erlauben. ___Und welche lackrelevanten Anforderungen haben LiDAR-Systeme an die Farbtöne? ___ __Michaela Liese:__ Beim LiDAR führt Ruß beinahe zur vollständigen Absorption der Signale, weshalb Schwarz sehr nachteilig ist. Metalliclacke sind im Falle rechtwinkligen Eintreffens der Signale noch hochreflektiv, jedoch kommt es bei höherem Einfallswinkel zu Spiegelreflexion an den Metallpartikeln und die zum Sensor rückgesendeten Signale nehmen stark ab. Weiß, als Farbton ohne oder mit sehr geringer Rußtönung, wie auch viele bunte oder Pastell-Unifarbtöne sind für die LiDAR-Technologie optimal geeignet. Es gibt aber auch alternative Formulierungen von dunklen Farbtönen, die statt Rußen nIR-transparente organische Schwarzpigmente beinhalten, bei der die Signale dann durch den
farbgebenden Basislack auf einen zwingend nIR-reflektiv formulierten Füller treffen. Das erzielte Schwarz ist im Regelfall jedoch nicht mehr so tief. ___Gibt es bestimmte Farbtöne, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung künftig ausgeschlossen werden könnten? ___ __Michaela Liese:__ Sehr helle, auf aktuellen Silberpigmenten basierende Farbtöne mit sehr hohem Hell-Dunkelflop, werden wahrscheinlich durch die Vorgaben der meisten OEMs hinsichtlich Radardämpfungen oder dielektrischer Eigenschaften, ausgeschlossen werden. Beim LiDAR ist letztlich festzustellen, wie hoch die Rest-Reflektivitäten abgesehen vom Lack am Fahrzeug sind, um zu entscheiden, ob zumindest Schwarzfarbtöne, die mit Ruß formuliert sind, noch möglich sind. An dieser Stelle sind auch die Fahrzeughersteller mit entsprechenden Vorgaben gefragt. ___Arbeiten Sie gemeinsam mit den Automobilherstellern an „radarfähigen“ Lacken?___ __Michaela Liese:__ Einige OEMs haben bereits eigene Spezifikationen, die wir berücksichtigen. Anderen stehen wir in der Entwicklung beratend zur Seite. Es ist immer noch ein recht neues Thema, aber mit allen Teilnehmern, darunter auch Sensor- und Messtechnikhersteller, herrscht eine sehr konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit. Der Reparaturbereich ist der komplexeste. So wie künftig nur noch radarfähige Neufarben entwickelt werden, wird das auch der Colormatch für die Reparatur erfüllen müssen. Der Fahrzeughersteller muss hier ebenfalls Vorgaben machen. Eine besondere Herausforderung werden Varianten der Farbtöne sein. Hier wird eine Mischung aus Digitalisierung, d.h. Simulation und Laborarbeit helfen, die Komplexität zu reduzieren. ___Welche Rolle spielen Sie als Lackhersteller? ___ __Michaela Liese:__ BASF Coatings hat sehr früh auf die ersten Kundenanfragen reagiert und ein Entwicklungsprojekt gestartet, um die Einflüsse der Formulierungen zu ergründen. Wir können auf physikalisches Know-How und entsprechende Messtechnik zurückgreifen. Diese Methoden fließen dann auch in unsere Farbtonentwicklung ein und bringen natürlich auch höhere Aufwände mit sich. Doch die BASF kann nur gewährleisten, dass die Spezifikationen ihrer Produkte (anhand von Testmethoden und -aufbau) erfüllt werden, die mit den jeweiligen OEMs gemeinsam vereinbart, entwickelt und von diesen für den Einsatz im Zusammenhang mit Radartransmission und Radarreflexionen genehmigt wurden. Im Bereich der Reparaturlackierung können jedoch unterschiedliche Faktoren – die über die Lackformulierung hinausgehen – die Durchlässigkeit eines Stoßfängers für Radar beeinflussen. Dies kann unter anderem den Winkel des Radarsensors, die Dicke und Zusammensetzung des Substrats, den Filmaufbau der einzelnen Lackschichten, die Gesamtdicke aller Schichten und die individuelle Technik eines Lackierers umfassen. Abhängig von den OEM-Empfehlungen kann dies die Kalibrierung von RADAR-Systemen umfassen, bevor eine Reparatur in Betracht gezogen wird. Aus diesem Grund betonen wir, wie wichtig es ist, die OEM-Reparaturverfahren zu erforschen und einzuhalten. ___Zu guter Letzt: Welchen Einfluss hat diese ganze Entwicklung auf das Berufsbild des Fahrzeuglackierers? Bedarf es hier künftig spezieller Weiterbildungen?___ __Michaela Liese:__ Die Anforderungen an das technische Know-how von Lackierern steigen bereits seit vielen Jahren sukzessive. Neue Karosserieformen, Metalllegierungen, Kunststoffe, Reparaturmethoden und Gesetze sind nur einige Faktoren, die die Komplexität der Arbeit des Lackierers erhöhen. Radar ist eine der neuesten Ergänzungen. Aus diesem Grund ist es für Lackierer von entscheidender Bedeutung, zertifiziert zu sein und sich ständig über Verfahren und Empfehlungen, sowohl von OEM-Fahrzeugherstellern als auch von Lackierunternehmen, weiterzubilden. Je nach Fahrzeughersteller wird es eigene Vorgaben geben und geben müssen. Diese Vorgaben müssen verinnerlicht, eingehalten und nach dem Reparaturprozess auch geprüft werden. So wäre ein eigenständiger Sensorik-Beauftragter im Lackierbetrieb denkbar, der alle relevanten Parameter berücksichtigt. ___Frau Liese, herzlichen Dank für das Gespräch!___
Lesens Wert

Mehr zum Thema