2021-07-06T09:01:55+0000

Mietwagen: Das sollten Sie beachten

Reparaturfachbetriebe können mit der Vermietung von Ersatzfahrzeugen ihren Ertrag steigern, davon ist Rechtsanwalt Stephan Schmid von der ETL Kanzlei Voigt überzeugt. Aber nur, „wenn sie es richtig angehen“, wie der Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht und Niederlassungsleiter in Kassel und Bielefeld, betont. Worauf Werkstätten konkret achten sollten, dass erklärte Stephan Schmid im Rahmen des 3. Automotive Online Forums Mitte Juni (16.06.). ## Kein klassengleiches Fahrzeug vermieten Demnach gilt für den Geschädigten ein Grundsatz auf Erhalt der unfallbedingt ausgefallenen Mobilität – z.B. in Form eines Mietwagens. Dieser Grundsatz wird aber immer durch die Schadenminderungspflicht des Geschädigten begrenzt. Diese tritt zum Beispiel dann ein, wenn der Pkw durch Urlaub oder eine Verletzung ohnehin nicht genutzt hätte werden können, sofern nicht Drittnutzer – sprich Familienmitglieder – das Fahrzeug ebenfalls benötigen. Bevor Werkstätten ihrem Kunden jedoch ein Mietwagenangebot unterbreiten, sollten sie immer zuerst erfragen, ob die gegnerische Versicherung bereits ein Angebot gemacht hat – denn dieses wäre dann bindend. Um den Vorwurf der „ersparten Aufwendungen“ und etwaige Kürzungen im Nachgang durch Versicherer zu vermeiden, sollten Werkstätten immer ein klassenniedrigeres Fahrzeug vermieten. ## Umfrage: Nur 49 Prozent bieten Selbstfahrvermietfahrzeuge an Im Rahmen des Vortrages wollte die ETL Kanzlei Voigt von den Zuschauern wissen, ob Sie Unfallersatzfahrzeuge anbieten. 49 Prozent beantworteten diese Frage mit „Ja, als Selbstfahrervermietfahrzeuge“, 24 Prozent vermieteten diese als „Werkstattersatz-/Vorführwagen“. 18 Prozent boten keine Unfallersatzfahrzeuge an und griffen auf einen Fremdanbieter zurück oder überließen es den Kunden, sich darum zu kümmern. ## Vorsicht bei der Zulassung Die Vermietung als Werkstattersatz- oder Vorführwagen sei jedoch nicht ratsam. Denn, so der Anwalt: „Wenn die Fahrzeuge nicht als Selbstfahrervermietfahrzeuge angemeldet sind, könnte der Werkstatt vorgeworfen werden, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.“ Selbstfahrervermietfahrzeuge sind nämlich versicherungstechnisch höher einzustufen als Werkstattersatzwagen und müssen außerdem jährlich zur Hauptuntersuchung. „Dieser Vorteil hat zur Folge, dass eine Unterlassungserklärung verlangt werden kann, es handelt sich zudem um einen Bußgeldtatbestand.“ Dies gelte selbst dann, wenn das Fahrzeug dem Kunden kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, bestätigte das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Urteil. ## Berechnung der Mietwagenkosten Ein Dauerbrenner-Thema – auch vor Gericht – ist zudem die Art der Ermittlung der Mietwagenkosten, denn genau diese wird nicht selten von den gegnerischen Versicherungen angemahnt. Etabliert seien die Abrechnung nach der Schwacke-Liste, der
Fraunhofer-Liste sowie die DAT-Mietpreisliste. Gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus 2009 könnten alle Listen für eine Berechnung genutzt werden, die Entscheidung läge letztlich beim Tatrichter. In der Folge kam es zur sogenannten Fracke-Methode, bei der ein Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer gebildet wird. Das Problem: „Als Folge davon haben wir einen riesengroßen Flickenteppich unterschiedlicher Rechtsprechung in Deutschland“, erklärt Stephan Schmid. Um letztlich Kürzungen der Versicherer zu vermeiden, müsse man deshalb nicht nur wissen, in welche Gruppe der verunfallte Pkw einzustufen ist, sondern auch auf welcher Grundlage die Gerichte der Region urteilen. ## Wie lange darf vermietet werden? Eine zeitliche Begrenzung der Mietwagendauer gibt es ebenfalls nicht, erklärt Stephan Schmid: „Der Geschädigte darf den Mietwagen so lange nutzen, wie es erforderlich ist und ihm nicht der Vorwurf der Trödelei gemacht werden kann.“ Ist das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr verkehrstauglich und der Geschädigte auf Ersatz angewiesen, dann steht ihm der Mietwagen auch über die kalkulierte Reparaturdauer des Gutachtens hinaus zu. Auch etwaige lokal arbeitsfreie Tage oder Feiertage seinen nicht das Problem des Geschädigten. „Gleiches gilt übrigens auch wenn Ersatzteile nicht verfügbar sind, Mitarbeiter in der Werkstatt erkranken oder ähnliches“, führt der Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht weiter aus. Ist das Fahrzeug nach dem Unfall hingegen weiter fahrfähig, dann muss der Geschädigte darauf achten, dass die Reparatur durch Wochenenden, Feiertage oder ähnliches nicht unnötig verzögert und der Ersatzanspruch auf einen Mietwagen nicht unnötig erhöht wird. Unter Umständen müsse der Geschädigte sogar abwarten, bis benötigte Ersatzteile zur Verfügung stehen, bevor er seinen Wagen zur Reparatur bringt. ## Sondersituation: 20 Kilometer-Grenze „Es hat sich mittlerweile in der Rechtsprechung etabliert, dass der Geschädigte den Mietwagen in einem bestimmten Umfang nutzen muss – die Grenze liegt bei circa 20 Kilometern pro Miettag“, erklärt der Fachanwalt. Denn unterhalb dieser Grenze wäre die Anmietung eines Taxis günstiger. Diese Grenze könne jedoch Einzelfallbezogen außer Acht gelassen werden, z.B. wenn eine schwangere Frau kurz vor der Entbindung steht oder ein Notarzt auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen ist. Zudem sei auch die Begründung einer erhöhten Corona-Infektion durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel durchaus als besondere Situation einzustufen. „In Pandemiezeiten sind die 20 Kilometer noch weniger in Stein gemeißelt als sonst“, betont der Fachanwalt in diesem Zusammenhang.
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