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2021-05-19T12:51:50+0000

Schadentalk im Web-TV: „Wir stehen erst am Anfang der Preisspirale

Die Rohstoffpreise steigen und setzen damit in der Folge auch K&L-Betriebe unter Kostendruck. Eine Einschätzung der aktuellen Marktlage gaben führende Werkstattausrüster erstmals öffentlich beim Schadentalk im Web-TV am Dienstag (18. Mai). Live aus der Lackierpistolenproduktion von SATA in Kornwestheim sprachen die Talkgäste mit Chefredakteur Christian Simmert über die Auswirkungen des Kostendrucks auf die K&L-Betriebe und diskutierten, welche Strategien die Werkstätten nun nutzen können, um auf diesen Kostendruck zu reagieren. ## „Wir reden hier über eine Verdopplung der Einkaufspreise" Wie schwierig die Marktlage auch für die Industrie ist, wurde in der Runde schnell deutlich: „Wenn man letztes Jahr gedacht hat, es war ein schwieriges Jahr, so hat man nun noch einmal eine völlig neue Situation", betonte Jochen Gaukel, Bereichsleiter Automotive Repair bei SIKA gleich zu Anfang der Sendung. Der Hersteller von Kleb- und Dichtstoffen aus Stuttgart verzeichnet immens gestiegene Fracht- und Rohstoffpreise „um 50 bis 60 Prozent." „Wir reden über eine Verdopplung der Einkaufspreise", stimmte auch Karsten Grötecke, Vertriebsleiter beim Folienspezialisten Horn & Bauer zu. Jürgen Sterzik, Vertriebsleiter WOLF Anlagentechnik, bestätigte diesen Trend noch aus einer anderen Perspektive: „Auch unsere Kunden müssen mehr Geld für den täglichen Bedarf ausgeben. Dieses Geld fehlt bei großen Investitionsgütern." Die Krise führe dadurch bei den K&L-Betrieben zu einer deutlichen Investitionszurückhaltung. Da es sich bei den WOLF-Lackieranlagen jedoch hauptsächlich um langfristige Investitionsprojekte handele, geht Jürgen Sterzik davon aus, dass sich das Auftragsgeschäft für Anlagentechnik nur zeitlich verschieben werden. Auch Sebastian Scholz, Vertriebsleiter von SATA, bestätigte ein verändertes Kaufverhalten bei K&L-Betrieben: „Wir verzeichnen sehr hohe Schwankungen im Auftragseingang, die Bestellmengen sinken. Die Werkstätten schauen nun noch genauer hin, worin sie investieren und reduzieren ihre Lagerhaltung." Die unplanbare Situation erfordere auch beim Lackierpistolenproduzenten mehr Flexibilität der Mitarbeiter. ## 8 Prozent Materialpreiserhöhung führt zu 11 Prozent höheren Reparaturkosten Nach Informationen von schaden.news erhöhen erste Lackhersteller die Preise auf Basis- und Klarlack zwischen 3 und 6 Prozent. Welche Auswirkungen die erhöhten Materialpreise auf die Unfallreparatur konkret haben könnten, skizziert eine Kostenrechnung, die die Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL) exklusiv für den Schadentalk aufgestellt hat. Bei der Modellberechnung handelte es sich um eine konkrete Schadenkalkulation für einen Frontschaden an einem Audi Q3 Platinbeige Metallic. Die Ausgangskalkulation ist mit einem AZT-Lackindex von 100 und 2 Prozent Kleinteilezuschlag erstellt worden. Sie liegt
bei 6.405 Euro netto. Geht man von einer durchschnittlichen Materialpreiserhöhung von 4 Prozent aus, steigen die Reparaturkosten bei einem AZT-Index von 135Prozent (+ 4 Prozent Kleinteile) auf 6.712 Euro (netto). Diese Kalkulation ist also 5 Prozent teurer als die ursprüngliche Schadenberechnung. Geht man von einer Materialpreiserhöhung von 8 Prozent aus, steigen die Kosten für die Unfallschadenreparatur bei einem AZT-Index von 165 Prozent (plus 10 Prozent Kleinteile) um 11 Prozent auf 7.130 Euro (netto). Klar ist: Dieses Szenario stellte Betriebe zukünftig vor noch größere Herausforderungen. Denn allein beispielsweise beim Lackmaterial steigt dadurch der Kostendruck: Bei der Innovation Group ist der AZT Lackindex auf 100 Prozent gedeckelt, bei der HUK-Coburg sind die Kostensteigerungen beim Lackmaterial nicht vermittelbar. Die Talkgäste waren sich einig, dass der Kostendruck auf die Betriebe pandemiebedingt nun noch beschleunigt wurde. Zudem stehe der Markt in dieser Entwicklung erst am Anfang der Preisspirale. Denn die Krise werde das Verkehrsverhalten der Autofahrer langfristig verändern und zu weniger Schadenaufkommen und somit zu weniger Steuerungsvolumen durch Flotten und Versicherer führen. Der Preisdruck verlangt somit gerade bei Partnerwerkstätten, die mit dem gesteuerten Geschäft den Hauptumsatz generieren, ein Umdenken. Deutlich wurde im Talk schnell: Viele Betriebe müssen ihre Strategien überdenken und Prozesse optimieren, um die sich drehende Preisspirale abfedern zu können. ## Wie nun können Betriebe reagieren? Gut beraten seien daher Werkstätten, die jetzt neue Geschäftsfelder erschließen. Diesen Trend spürt der Anlagenbauer WOLF bereits, wie Jürgen Sterzik im Talk berichtete: „Für einige Betriebe wird die Industrielackierung eine immer bessere Perspektive, um sich weiterzuentwickeln." Jochen Gaukel fügte hinzu: „Ob Caravan oder Industrielackierung: Jeder Betrieb muss für sich selbst analysieren, was zu ihm passt." Er warnt jedoch vor Aktionismus. „Die Betriebe sollten ihre Neuausrichtung strukturiert und nachhaltig angehen und mit Blick auf die eigene Investitionsfähigkeit und räumlichen Kapazitäten." Langfristig geht Jochen Gaukel von einer Konsolidierung des Marktes aus, beispielsweise durch Insolvenzen, aber auch dadurch, dass sich mehr Betriebe verschiedenen Franchise-Systemen anschließen werden. Davon unabhängig rät er Betrieben, zu analysieren, wo sich in Werkstattabläufen Prozesse optimieren lassen: „Nach unserer Erfahrung liegt in zahlreichen Unternehmen noch immenses Optimierungspotenzial". Sebastian Scholz zog an dieser Stelle Parallelen aus der SATA-Produktion zu der Situation in den Betrieben. „Effizienzsteigerungen sind gerade jetzt das A und O." ## Nachhaltigkeit für mehr Wertigkeit Beim Blick auf zukünftige Preisentwicklungen sei zudem auch das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiger Baustein – und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven: So ist nach Erfahrung von Karsten Grötecke in den vergangenen Jahren die Nachfrage durch Versicherer und Betriebe nach nachhaltigen Konzepten für K&L-Werkstätten deutlich angestiegen. Nachhaltigkeit erhöhe nämlich auch die Wertigkeit der erbrachten Leistung
gegenüber dem Kunden – und rechtfertige für den Betrieb durchaus Preissteigerungen. Zudem unterstützt der Fokus auf nachhaltige und sparsame Energiekonzepte in der Werkstatt die Betriebe dabei, Kosten einzusparen. Diesen Ansatz verfolgt WOLF Anlagentechnik bereits seit Jahren: „Eine Lackieranlage mit hoher Investition muss über viele Jahre nachhaltig sein. Und gerade auch der Energiebedarf ist entscheidend für höhere Wirtschaftlichkeit im Betrieb." Viele Unternehmen könnten gerade jetzt von Förderprogrammen der Länder und des Bundes profitieren und investieren, um langfristig Kosten zu senken. Fakt ist: Die Lage auf dem Unfallschadenmarkt ist momentan kaum planbar. Und auch mit sinkenden Rohstoffpreisen ist in der Branche auch zukünftig kaum zu rechnen. Dennoch fiel auch das Fazit der Talkgäste für die K&L-Betriebe optimistisch aus. Die Erschließung neuer Geschäftsfelder, effizientere Abläufe und nachhaltigen Perspektiven können Wege für Betriebe sein, um mit dem Kostendruck umzugehen. Ein „Weiter so" hingegen nicht.
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