2021-03-31T11:10:49+0000

Web-TV: Wird der Regress zum Problem für die Branche?

Erneut haben mehrere tausend Zuschauer den Schadentalk im Web-TV verfolgt. Das Thema „Schadenrecht in der Corona-Krise, Rechnungskürzung und Regress – wie sich Werkstätten richtig wehren“ hat bereits im Vorfeld der Sendung für Diskussionsbedarf und zahlreiche Zuschauereinsendungen gesorgt. Vergangenen Donnerstag (25.03.) gaben die Talkgäste um Chefredakteur Christian Simmert nicht nur konkrete Handlungsempfehlungen, sondern auch nutzwertbringende Tipps im Umgang mit Rechnungskürzungen. Zu Beginn der Sendung fasste ZKF-Hauptgeschäftsführer die aktuelle wirtschaftliche Lage der K&L-Betriebe zusammen. Demnach müssten die Werkstätten aktuell ein Defizit von rund 30 Prozent verkraften. Die nach wie vor hohe Zahl der Rechnungskürzungen – vor allem in Bezug auf die coronabedingte Fahrzeugdesinfektion – sei für Betriebe eine zusätzliche Belastung. ## Kürzungen in Höhe von 18.000 Euro Das bestätigte auch Maximilian Mälzer, Betriebsjunior bei isicar in Leipzig – aus dessen Werkstatthalle der Schadentalk live übertragen wurde. Er bezifferte die Höhe aller Rechnungskürzungen im Jahr 2020 für den elterlichen Betrieb auf rund 18.000 Euro. Mehrere Stunden pro Woche investiert er laut eigener Aussage, um gegen die 15 bis 20 monatlichen Kürzungen der Prüfdienstleister zu argumentieren und die offenen Rechnungsposten einzufordern. Seine Strategie: „Ich gehe individuell auf jede Kürzung ein, argumentiere akribisch, liefere Bilder für den Reparaturnachweis, die meine Mitarbeiter während der Instandsetzung gemacht haben.“ Dieser partnerschaftliche Dialog führe in der Regel immer zum Ziel, sei jedoch sicherlich nicht für jeden Betrieb die richtige Lösung. Henning Hamann, Geschäftsführer der deutschlandweit größten auf Verkehrsrecht spezialisierten ETL Kanzlei Voigt, gab zudem zu bedenken: „Das mag im Einzelfall funktionieren. Aber welcher Betrieb kann es sich leisten, so viele Stunden für die Korrespondenz mit den Versicherern aufzuwenden?“ ## „Bei Rechnungsprüfern ist kein Sach- und Fachverstand vorhanden“ Aus Sicht des ZKF hat die Argumentation mit den Versicherern wenig Aussicht auf Erfolg. Gleichwohl der Verband genau dies für seine Mitglieder im Rahmen der bei SOS-Rechnungskürzungen.de eingereichten Fälle tut. „In den wenigsten Fällen hat das allerdings Erfolg, weil wir spüren, dass bei den Rechnungsprüfern kein Sach- und Fachverstand vorhanden ist“, betont Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm während der Live-Übertragung. Die Kürzungen seien „sehr erratisch und nicht nachvollziehbar“. Aus diesem Grund appelliere der Verband an seine Betriebe, einen Anwalt einzuschalten. „Das ist unserer Meinung nach der richtige Weg, weil das die einzige Sprache ist, die die Versicherer verstehen.“ ## „Sobald Klage im Raum steht, bezahlt Versicherer“ [Die Ergebnisse der im Vorfeld der Sendung durchgeführten schaden.news-Umfrage ](https://schaden.news/de/article/link/42212/umfrage-rechnungskuerzungen-ergebnisse)zu
Rechnungskürzungen zeigen allerdings, das nur 10 Prozent der befragten Betriebe unmittelbar einen Anwalt bei Rechnungskürzungen einschalten. Gleichwohl dieser Weg in der Regel zum Erfolg führt. So bestätigten sowohl der ZKF-Hauptgeschäftsführer als auch Rechtsanwalt Henning Hamann, dass Versicherer in letzter Instanz den Weg vor das Gericht scheuen. „Sämtliche Fälle, die bei uns eingegangen sind, wurden vom Versicherer bezahlt, sobald das Thema Klage im Raum stand“, betonte Thomas Aukamm. Kommt es doch zur Klage, würden diese in über 90 Prozent der Fälle zu Gunsten der Werkstatt bzw. des Geschädigten entschieden, ergänzt Henning Hamann. ## „Lassen Sie den externen Sachverständigen kalkulieren“ Ob nun Anwalt oder nicht, der Rechtsexperte Henning Hamann machte mehrfach innerhalb der Sendung deutlich: „Reparaturen und Rechnungen, die auf den Gutachten externer Sachverständiger basieren, sind nicht angreifbar.“ Kürzungen seien dann „obsolet und nicht durchsetzbar“. Deswegen appellierte der Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt an die Betriebe: „Kalkulieren Sie nicht selbst! Lassen Sie im Haftpflichtschadenfall immer ein externes Gutachten durchführen.“ ## Regressforderungen nehmen zu Dieses helfe auch bei den in den letzten zwei Jahren zunehmenden sogenannten Regressforderungen durch Kfz-Versicherer. Mithilfe eines Schaubildes erklärt Henning Hamann während der Sendung, wie diese Regressforderungen zustande kommen: Da die Versicherung per geltendem Schadenrecht keinen eigenen Anspruch gegen die Werkstatt hat, muss sie sich über den Abtretungsvertrag eventuelle Ansprüche des Geschädigten als Kunden gegen die Werkstatt abtreten lassen. „Durch diese Abtretung wird aus dem Versicherer der Kunde und jetzt kann der Kunde die werkvertraglichen Ansprüche der Werkstatt entgegen halten.“ Und genau das passiere gerade zuhauf, demnach führe die Kanzlei aktuell allein 150 Prozesse in denen Versicherer die Werkstatt in Regress nehmen. ## Rechnungen können rückwirkend bis 2019 regressiert werden Betriebsjunior Maximilian Mälzer schätzte diese Strategie der Versicherer als „bedrohlich“ ein, vor allem dann, wenn der Fall bereits mehrere Jahre zurückliege. Denn: Die Verjährungsfrist von Rechnungsstellungen tritt erst nach drei Jahren ein. Das bedeutet, fasst der Rechtsanwalt zusammen: „Alle Rechnungen die 2019 gestellt wurden, können dieses Jahr noch von den Versicherern regressiert werden.“ Dennoch, wies Henning Hamann noch einmal darauf hin, dass Werkstätten auch in diesen Fällen nichts zu befürchten hätten, solange sie gemäß Gutachten repariert hätten. Thomas Aukamm gab in diesem Zusammenhang ebenfalls eine klare Handlungsempfehlung: Bei vermehrten Forderungen dieser Art sollten vor allem in der Schadensteuerung aktive Betriebe die bestehende Partnerschaft infrage stellen. Denn, so der Hauptgeschäftsführer, „was hier momentan passiert, ist fernab von Fairness.“ ## Bestes Mittel gegen Rechnungskürzungen Abschließend waren sich alle Beteiligten einig: Nur mit einer sauberen und lückenlosen Dokumentation, einer Reparatur gemäß externem Gutachten und einer Rechnungstellung basierend auf dem Sachverständigengutachten können sich Betriebe effizient gegen Rechnungskürzungen schützen und die ihnen zustehenden Kosten wirkungsvoll einfordern.
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