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2021-01-27T12:08:45+0000

Anlieferung Kunststoffteile: „Die neue Übersicht schafft Klarheit“

Die [AZT-Übersicht zum Anlieferungszustand für Kunststoffteile](https://schaden.news/de/article/link/41990/azt-anlieferung-kunststoffteile) soll Betrieben die korrekte Angabe der Lackstufe bei der AZT Lackkalkulation erleichtern. Kuddusi Yilmaz und Thomas Behl vom Allianz Zentrum für Technik haben das Dokument erarbeitet. Im Interview erläutern die beiden Projektleiter die Hintergründe der Übersicht und erklären, vor welchen Herausforderungen K&L-Betriebe bei gelieferten Kunststoffteilen am häufigsten stehen. __Kuddusi Yilmaz und Thomas Behl, Sie haben die Übersicht zum Anlieferungszustand von Kunststoffteilen erarbeitet. Was war der Auslöser für dieses Projekt? __ __Kuddusi Yilmaz:__ Wir haben immer wieder auftretende Rückfragen wahrgenommen, welche sich auf die korrekte Anwendung der Lackstufe der AZT-Lackkalkulation beziehen. Um hier mehr Handlungssicherheit zu schaffen, haben wir ein unterstützendes Dokument für alle Anwender –also Werkstätten, Sachverständige, Prüfdienstleister, Versicherungen– erstellt, das die in der Systembeschreibung der AZT-Lackkalkulation enthaltenen Punkte zu den einzelnen Lackstufen für Kunststoffbauteile aufgreift und vertieft. __Auf welche Datengrundlage stützen sich Ihre Erkenntnisse? __ __Thomas Behl: __Die Übersicht zu den verschiedenen Anlieferungszuständen von Kunststoffbauteilen und die korrekte Zuordnung der AZT-Lackstufen ist letztlich eine neu zusammengestellte Kombination bereits bekannten Wissens und Informationen. Die AZT-Lackstufen sind beispielsweise nicht neu definiert oder überarbeitet worden, sondern bereits seit Jahren etabliert. Auch die jeweilige Abdeckung der Arbeitsschritte und dazugehörigen Materialien wurden in der Vergangenheit durch entsprechende REFA-Zeitstudien dokumentiert. Und dass Kunststoffbauteile in unterschiedlichen Anlieferungszuständen in der Werkstatt eintreffen, ist auch nicht unbekannt. Der Mehrwert, der durch die neue Übersicht entstanden ist, liegt daher in der einheitlichen, fokussierten und anwenderorientierten Aufbereitung. __Vor welchen Herausforderungen stehen Betriebe, was die gelieferten Kunststoffteile angeht, am häufigsten? __ __Thomas Behl: __Aus unserer Sicht ist die Hauptherausforderung die automatische Vorbelegung mit einer Lackstufe in den Kalkulationssystemen. Egal in welchem Zustand ein Ersatzteil aus Kunststoff angeliefert wird, kann eine sach- und fachgerechte Lackierung durch den Lackierfachmann sichergestellt werden. Und der dazu erforderliche Aufwand für Zeit und Material lässt sich mit der AZT-Lackkalkulation auch entsprechend kalkulieren. Die Probleme liegen jedoch an anderer Stelle: Wird bei der Rechnungsstellung die passende AZT-Lackstufe gewählt und dabei vom Default-Wert in den Kalkulationssystemen abgewichen, kann dies zu Kürzungen und Diskussionen führen. __Kuddusi Yilmaz: __Allerdings zeigt unsere Erfahrung auch, dass eine Pauschalisierung beim Anlieferungszustand nicht möglich ist. So haben wir beispielsweise für ein Testfahrzeug sieben Stoßfängerverkleidungen bestellt und bekamen dabei drei
verschiedene Anlieferungszustände – ungrundiert, mittel- und dunkelgrau grundiert – geliefert. Je nach Lackfarbe und verwendetem Lacksystem wäre also auch bei den grundierten Stoßfängern gegebenenfalls das Aufbringen eines anderen Untergrundfarbtons erforderlich. Eine umfassend gültige Regel, wann welche Lackstufe richtig ist, kann somit nicht gegeben werden. Es kommt immer auf den Einzelfall an und dies kann zu Diskussionen führen. __Wie kann der Fachmann im K&L-Betrieb Ihre neu gewonnenen Erkenntnisse konkret für sich nutzen? __ __Kuddusi Yilmaz:__ Indem wir allen Anwendern mit der Zusammenstellung zu Anlieferungszustand und AZT-Lackstufen die identischen Informationen an die Hand geben, hoffen wir, dass Diskussionen zur Auswahl der passenden Lackstufe nennenswert reduziert werden. Dies unterstützt den K&L-Betrieb in seiner Argumentation mit allen am Schaden Beteiligten. __Nach der Veröffentlichung des schaden.news-Beitrags zur neuen Übersicht betonte ein Facebook-User die Besonderheit 'Auf max. 15% der Bauteilfläche' bei Stufe K3. Denn vielfach seien Stoßfänger großflächiger beschädigt, sodass dann die Vorgabezeit von K3 nicht mehr genüge und der benötigte Mehraufwand manuell dazu addiert werden müsse. Wie gehen Sie mit so einem Sachverhalt um?__ __Thomas Behl: __Die 15% der Bauteilfläche beziehen sich nur auf die verkratzte Fläche. Nehmen wir der Einfachheit halber für die Fläche eines Stoßfängers 100dm² an. Dann kann der durch Kratzer und Abschürfungen mit einer Tiefe von maximal 1mm beschädigte Bereich 15dm² umfassen. Das ist die Fläche von 15 Bierdeckeln. Bei einem hinteren Stoßfänger mit 135dm² sind dann schon mehr als 20 Bierdeckel zum Abdecken der beschädigten Fläche nötig. Unserer Erfahrung nach sind so großflächige Beschädigungen mit nur Kratzern eher die absolute Ausnahme. Vielmehr gehen solche Beschädigungen dann eher mit Verformungen und Rissen einher, die tatsächlich zusätzlichen Aufwands für die Instandsetzung bedürfen. Hierfür können die Zuschlagswerte für mittlere bzw. schwere Beschädigungen der Kunststoffreparatur zusätzlich zur Lackstufe „K3“ herangezogen werden. Nähere Informationen hierzu sind in der Kalkulationshilfe für Kunststoffreparatur der Deutschen Kommission für Lack und Karosserieinstandsetzung zu finden, [die auf der AZT-Homepage kostenfrei abrufbar ist](https://azt-automotive.com/de/downloads/kunststoffreparatur). __Kuddusi Yilmaz:__ Durch Verwendung dieser in der AZT-Lackkalkulation enthaltenen Positionen ist die Kalkulationslogik sichergestellt und etwaige Diskussionen im Zuge der Abrechnung können minimiert werden. Tatsächliche Beschädigungen über 15 % kommen natürlich auch in Betracht, oftmals in Kombination eines kleineren Schadens mit zahlreichen verteilten Steinschlägen. Diese sind in der Regel aber besondere Schadenbilder und damit schwer einheitlich über Kalkulationssysteme abdeckbar, sondern individuell zu klären. Grund hierfür ist die Tatsache, dass Ausmaß und Schwere dieser Vorschäden je nach Fahrleistung und Fahrzeugnutzung sehr individuell sind. Wir sind uns dieser Problematik bewusst, haben hierfür aber noch keine universell passende Lösung. __Sind auch für andere Bereiche in der Schadenkalkulation nach AZT solche Übersichten notwendig und geplant – wenn ja, welche? __ __Kuddusi Yilmaz: __Konkretes haben wir derzeit nicht vorliegen. Wir sind uns aber bewusst, dass es weitere teils kontrovers diskutierte Themen gibt, deren Klärung hilfreich aber
auch entsprechend komplex wäre, z. B. die automatische Vorbelegung der Farbtonbezeichnung und Lackart anhand der FIN-Abfrage in den Kalkulationssystemen. __Thomas Behl: __Mit Sicherheit werden wir die Erfahrungen der letzten Jahre weiterhin in unsere Arbeit einfließen lassen. Das bedeutet beispielsweise, dass mit Abschluss der AZT-Lackierzeit- und -materialstudien, bei denen wir Corona-bedingt momentan leider stark ausgebremst sind, die Systembeschreibung zur AZT-Lackkalkulation überarbeitet wird. Der Markt steht ja nie still und der Austausch mit unterschiedlichen Anwendern hilft auf jeden Fall, die Anwenderfreundlichkeit zu erhöhen. __Herzlichen Dank für das Interview! __
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