2020-12-16T15:07:02+0000

Allianz und SPN: Streit um Corona-Maßnahmen und Steuerungslogik

Immerhin, man redet miteinander. Doch einig wird man sich wohl nicht. Seit Wochen diskutiert der neue Geschäftsführer des BVdP Michael Pinto mit dem Leiter Kraftschaden bei der Allianz Versicherungs-AG und SPN-Geschäftsführer Dominik Hertel über die Erstattung des Zusatzaufwandes von Corona-Schutzmaßnahmen. Bisher allerdings ergebnislos. Dabei wird offenbar nicht nur über Einzelkosten gesprochen, sondern auch über die Steuerungslogik im Werkstattnetz von SPN. ## „Keine Erstattung von Desinfektionskosten“ Die Fronten sind verhärtet. [Auf der einen Seite fordert der Bundesverband in einer aktuellen Stellungnahme die Berücksichtigung von Hygiene- und Desinfektionskosten als „Einzelkosten“ zu berücksichtigen.](https://schaden.news/download/link/j8Kk) Auf der anderen Seite sieht die Allianz Versicherung hingegen derzeit keine Notwendigkeit einer Erstattung der Kosten. Auf Nachfrage von schaden.news erklärt Dominik Hertel: „Unsere Argumentation hinsichtlich der Desinfektionskosten ist Ihnen ja bereits bekannt. Aktuell gibt es dazu auch einige neue Gerichtsentscheidungen. Das nach unserem Kenntnisstand erste Urteil eines Landgerichts (LG Stuttgart vom 27.11.2020, 19 0 145/20) bestätigt unsere Sichtweise.“ Darin heißt es, nach Angaben des Versicherers: „Die Desinfektionskosten stellen keinen unfallkausalen Schaden dar und waren daher auch nicht zu erstatten.“ ## SPN plant keine deutschlandweite Erhöhung des Stundensatzes Offenbar sieht die Allianz Versicherung in den Corona-Schutzmaßnahmen daher grundsätzlich keine „erstattungsfähigen Leistungen“. Das ist für viele Brancheninsider neu. Denn in der Stellungnahme des BVdP (9.12.2020) heißt es dazu noch: „Laut Aussage von Herrn Hertel gehört der Aufwand für Desinfektionsmaßnahmen in die Gemeinkosten und sollte als Anlass genommen werden, den Stundenverrechnungssatz neu zu verhandeln.“ Dem widerspricht Dominik Hertel nun in seiner Funktion als SPN-Geschäftsführer gegenüber schaden.news: „Die SPN hat in der Vergangenheit mit ihren Werkstattpartnern (WSP) einvernehmlich individuelle Lösungen bei den Stundenverrechnungssätzen (SVS) gefunden, welche regionale Gegebenheiten und Härtefälle berücksichtigten. Aktuell plant die SPN jedoch keine pauschale deutschlandweite Erhöhung der SVS.“ ## Steuerungslogik in der Kritik Schon seit längerer Zeit stehen auch die Kriterien der Schadenslenkung von Allianz und SPN in der Kritik von Partnerwerkstätten. Hintergrund: Der Münchener Versicherer soll Unfallschäden vermehrt auf Basis eines „Kostenindexes“, also nach Höhe des Stundensatzes, über SPN zu den Werkstattpartnern mit den niedrigsten Stundenverrechnungssätzen steuern. Der Redaktion liegt dazu ein Schreiben aus der Fachabteilung vor, in dem das Vorgehen gegenüber einer Partnerwerkstatt bestätigt wird. „Wie Sie selber anführen spielt auch der Preis eine Rolle in der Vermittlung. In Abhängigkeit der, zwischen SPN und den SPN-Partnern vereinbarten Konditionen führt die SPN einen „Kostenindex“, welcher sich auch auf die Reihenfolge im Ergebnis der Werkstattsuche bei der Allianz auswirkt.“ Hierauf bezieht sich auch der BVdP: „Unsere Mitglieder melden uns bereits seit langem, dass das ausschlaggebende Kriterium bei
Vermittlungen im SPN‐Netzwerk der Preis sei. Partnerwerkstätten mit höheren Stundenverrechnungssätzen also werden nicht oder weit unten gelistet und haben somit keine oder nur eine geringe Chance, Vermittlungsaufträge zu bekommen.“ Der Bundesverband befürchtet nun, dass der angegebene Stundenverrechnungssatz dafür entscheidend sei, an welcher Position eine Werkstatt gelistet würde. „Deshalb wird es immer wieder passieren, dass günstigere Werkstätten berücksichtig werden, weil Fachbetriebe mit höherem SVS zu weit unten gelistet sind und keine Berücksichtigung bei der Auswahl finden.“ ## SPN und Allianz sehen „verzerrte Darstellung“ Betriebe, die nun den Zusatzaufwand für Corona-Maßnahmen in die Gemeinkosten einpreisen, seien nach Meinung des Bundesverbandes bei dieser Steuerungslogik im Nachteil. In der Stellungnahme von Allianz und SPN heißt es auf Anfrage von schaden.news dazu: „Der BVdP geht in seiner Mitteilung auch auf die Steuerungslogik ein. Diese wird leider verzerrt dargestellt. Denn die Allianz steuert nicht per se in die günstigste Werkstatt, sondern der Kunde hat aus den regional nahe gelegenen Werkstätten die Wahl, welcher der angebotenen Werkstätten er sein Vertrauen schenken will; dies gilt sowohl für Kunden mit Werkstattbindungsverträgen, als auch für nicht gebundene Kunden.“ In dem der Redaktion vorliegendem Schreiben aus der Fachabteilung von Anfang September dieses Jahres ist folgendes zu lesen: „Wir haben bereits begonnen, dass künftig, bei SPN neben dem „Kostenindex“ auch ein „Qualitätsfaktor“ bei der Vermittlung stärker berücksichtigt wird. Zusätzlich betrachten wir aktuell auch den Kostenindex, welche Anpassungen sich für eine Optimierung eignen.“ Wie sich die Diskussion um die Steuerungslogik weiterentwickelt bleibt also abzuwarten. Dominik Hertel ist davon überzeugt, dass „man das große Ganze nicht aus den Augen verlieren“ sollte. Denn die Allianz habe gemeinsam mit der ADAC Autoversicherung trotz coronabedingten Schadenstückerückgang im Jahr 2020 „mehr Fahrzeuge in das SPN-Netz gesteuert als im Vorjahr.“
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