2020-12-16T15:05:53+0000

Gerichtsurteil Corona-Schutzmaßnahmen: „Argumentation ist unsinnig und lebensfremd“

Seit gestern befindet sich Deutschland wieder im Lockdown. Trotz der rasant steigenden Infektionszahlen seit Oktober [häufen sich in den letzten Monaten die Klagen von Geschädigten gegen Kfz-Versicherer, die sich weigern, den Zusatzaufwand von Werkstätten für Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen zu bezahlen.](https://schaden.news/de/article/link/42015/immer-mehr-klagen-wegen-corona-massnahmen) Das Amtsgericht München hat in seiner aktuellen Rechtsprechung vom 27. November nun deutliche Worte diesbezüglich gefunden. ## „Vortrag der Beklagten unverständlich und unhaltbar“ „Der Versicherer hatte, wie so oft, behauptet, dass die aus Anlass der Reparatur eines Fahrzeugs aufgewendeten Desinfektionsmaßnahmen nur dem Schutz des Werkstattmitarbeiters dienen und daher nicht zu erstatten sind. Dem hat das Amtsgericht mit einer ziemlich eindeutigen Entscheidung einen Riegel vorgeschoben“, erklärt Rechtsanwalt Henning Hamann, Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt, die Hintergründe des Münchner Verfahrens. So heißt es in dem Urteilsspruch unter anderem: „Nicht die Ansetzung dieser Kosten ist ‚unsinnig und lebensfremd‘, sondern die Argumentation der Beklagten.“ Weiterhin betonte der zuständige Richter, dass die Kunden eine Desinfektion in diesen Zeiten erwarten dürfen und dass eine „vertragliche Vereinbarung“ nicht notwendig sei, „da sich die Maßnahmen jedem verständig denkendem Durchschnittsbürger geradezu aufdrängen. Sie sind, gleich wessen Schutz sie dienen, durchzuführen und erforderlich.“ Abschließend heißt es: „Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Beklagten schlechterdings unverständlich und unhaltbar.“ „Eindeutiger kann man kaum zum Ausdruck bringen, wie wichtig die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sind und dass diese selbstverständlich zu erstatten sind“, betont Rechtsexperte Henning Hamann. ## Nur jeder elfte Betrieb kann Corona-Schutzmaßnahmen vollständig abrechnen Gleichwohl die meisten der bekannten Urteile zu den Corona-Schutzmaßnahmen zu Lasten der Versicherer ausgingen, werden diese offensichtlich weiterhin hartnäckig aus den Werkstattrechnungen herausgestrichen – das zumindest lassen die Ergebnisse der schaden.news-Konjunkturumfrage im November vermuten. In dieser hatte die Redaktion auch danach gefragt, ob die Betriebe den zusätzlichen Aufwand für Desinfektions- und Corona-Schutzmaßnahmen bei Ihren Auftraggebern abrechnen können. Das Ergebnis war angesichts der inzwischen vielfach verhängten Urteile überraschend: Nur 10,9 Prozent der in der Schadensteuerung aktiven Werkstätten gaben an, diese Kosten vollständig abzurechnen. Bei den Nicht-Partnerwerkstätten lag der Anteil mit 13 Prozent etwas höher. Der größte Anteil sowohl bei den Partnerwerkstätten (64 Prozent) als auch bei den Nicht-Partnerwerkstätten (33 Prozent) gab hingegen an, die Kosten nur teilweise abrechnen zu
können. 21 Prozent der Partnerwerkstätten und 37 Prozent der Nicht-Partnerbetriebe gaben zudem an, die Kosten gar nicht abzurechnen – die Gründe dafür wurden in der Umfrage nicht erfragt. ## Kosten gerichtlich geltend machen Im Bezug auf die oben genannte niedrige Zahl erklärt Henning Hamann gegenüber schaden.news: „Wenn nur 11 Prozent der Betriebe angeben, Desinfektionsmaßnahmen abrechnen zu können, dann liegt das sicherlich daran, dass diese Kosten nicht gerichtlich geltend gemacht worden sind. Wie üblich zahlen Versicherer nur sehr selten freiwillig. Das gilt auch dann, wenn es so eindeutig ist, wie bei den in Zeiten von Corona entstehenden Kosten der notwendigen Desinfektionsmaßnahmen.“ Der Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt Rechtsanwalt GmbH unterstützt mit seiner Kanzlei seit Beginn der Pandemie K&L-Betriebe dabei, die ihnen zustehenden zusätzlichen Kosten für Corona-Reinigungsmaßnahmen vor Gericht einzufordern und ermutigt immer wieder dazu, dies auch zu tun.
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