2020-12-09T12:40:19+0000

Schadenrecht: „Prüfberichte vor Gericht wertlos“

Die im Auftrag der Versicherer durch Prüfdienstleister erstellten Prüfberichte sind in der Schadenregulierung inzwischen gängige Praxis. „Ihre Entwicklung und Etablierung wurde von Seiten der Versicherer gefördert. Sie sind die Konsequenz seit 2014 rückläufiger Erträge der Versicherungsgesellschaften und eines stetig steigenden Kostendrucks infolge vergünstigter Tarife“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Wolf-Henning Hammer von der ETL Kanzlei Voigt. ## Wider den Schadensrecht-Grundsätzen Obgleich Schadensbetrachtung und Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB subjektbezogen erfolgen müssen, d.h. sich ausdrücklich nicht nur an objektiven Kriterien orientieren dürfen, bedienen Versicherer sich immer wieder gern der Prüfberichte. „Diese werden dann, obgleich in der Regel nach ihren Vorgaben gefertigt, als angeblich neutrale Argumentationsgrundlage zitiert, um Reparaturzahlungen nicht vollumfänglich und entsprechend den schadensersatzrechtlichen Vorgaben leisten zu müssen“, weiß Rechtsexperte Dr. Wolf-Henning Hammer. Erfreulicherweise hat die Rechtsprechung dies erkannt, wie der Rechtsexperte erläutert. „Es wundert nicht, dass z.B. das Amtsgericht Kronach in seinem Urteil vom 05.03.2020 (Az. 2 C 10/20) unmissverständlich klargestellt hat, dass Einwendungen eines Versicherers, die sich auf sogenannte Prüfberichte stützen, wertlos sind.“ Denn, so erklärt er weiter: „Wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, ist die der Erstellung eines Prüfberichts lediglich ein automatisierter Vorgang – das heißt ein Computerprogramm – nicht aber eine sachverständige Prüfung.“ Immer wieder bestätigten Gerichte in den letzten Jahren, dass ein Prüfbericht eine sachverständige Begutachtung nicht ersetzen kann (z.B. AG Hamburg Blankenese, Urteil vom 21.07.2017 oder AG Otterndorf, Urteil vom 14.11.2019). Treffend brachte es das AG Berlin/Mitte in einem Urteil vom 25.09.2014 (Az.: 108 C 3118/14) auf den Punkt, in dem es Prüfberichte als „Computerausdrucke ohne jeden Aussagewert“ einstufte. ## Kürzungen je nach Versicherer unterschiedlich Der Rechtsanwalt weist zudem darauf hin, dass Prüfberichte keinem einheitlichen Schema folgen. Laut Aussage von Hammer, sind Prüfberichte lediglich das Ergebnis weisungsgebundener Auftragsdatenverarbeitung. Im Klartext bedeutet dies, „der Prüfung liegen Regelwerke zugrunde, die nicht den Kriterien der objektiven Schadenbegutachtung, sondern den Vorgaben des jeweiligen Versicherers folgen“, so der Experte. Prüfdienstleister haben mithin weder einen eigenen Prüfungsspielraum noch können sie den Prüfkatalog eigenständig und ohne Abstimmung mit dem beauftragenden Versicherer verändern, erklärt Dr. Wolf-Henning Hammer weiter. Übersetzt heißt das: „Jeder Versicherer legt ein eigenes Kürzungsschema fest. Somit ist es vom Zufall abhängig, wie hoch der Erstattungsanspruch im Schadenfall ist, weil es eben auch vom Zufall abhängt, bei welchem Versicherer der Schädiger versichert ist“, betont er. ## Das rät der Experte Der Rechtsprofi rät Geschädigten und Werkstätten, denen Rechnungsposten per Prüfbericht gekürzt werden, deshalb: „Die Strategie vieler Versicherer ist es, Kürzungen nur in einer Höhe vorzunehmen, die Werkstätten und Geschädigte davon abhalten soll – in Hinblick auf den damit verbundenen Mehraufwand – ihre Rechte durchzusetzen. Wirksam lässt sich dem nur Einhalt gebieten, indem auch diese Beträge – auch unter Einschaltung eines Rechtsanwalts – geltend gemacht werden. Denn abgesehen davon, dass Geschädigte ein Recht auf vollständigen Schadensersatz haben, wird auch ein Versicherer sich überlegen, ob er seine Strategie aufrechterhält, wenn diese am Ende mehr Kosten als Nutzen verursacht.“
Lesens Wert

Mehr zum Thema