2020-02-26T13:52:41+0000

„Scheuen Sie sich nicht vor einer Klage“

Konkrete Tipps für Betriebsinhaber – das war das Ziel des ersten Rechtsforum „Werkstattrecht Frontal“, das am 20. Februar in Friedberg stattfand. Rund 130 Interessierte waren der Einladung der ETL Kanzlei Voigt und des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik gefolgt. „Wir sind selbst überrascht von dem hohen Zuspruch, so viele Teilnehmer wie heute hatten wir bisher selten bei den Veranstaltungen“, betonte ZKF-Präsident Peter Börner eingangs der Premieren-Veranstaltung. Dass das Interesse so stark war, lag vor allem an dem Programm: Vorträge zum Thema „Tipps und Tricks für die Schadenabwicklung“ standen auf der Agenda sowie Expertentipps zum Umgang mit dem Datenschutz und Elektrofahrzeugen. ## „Werkstätten bezahlen Zeche der Versicherungen“ Warum Versicherungen das tun, was sie tun, erklärte Henning Hamann, Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt, zum Einstieg. Seit 2014 ist die Ertragslage der Versicherer rückläufig. „Die Zeche dieser wirtschaftlichen Notlage bezahlen die Werkstätten über die Kürzungen der Prüfberichte“, betonte der Rechtsexperte. Dass Prüfdienstleister wie Control Expert dabei keinerlei eigene Handhabung haben, zeigte der Rechtsanwalt anhand eines Schreibens der VHV-Versicherung. In diesem heißt es: „Die Tätigkeit von Prüfdienstleistern erfolgt weisungsgebunden. Der Prüfung liegen Regelwerke zugrunde, welche wir vorgeben. Ein Prüfdienstleister hat mithin keinen eigenen Prüfungsspielraum und kann den Prüfkatalog auch nicht eigenständig ohne Abstimmung mit uns verändern.“ Es ist also, so Henning Hamann weiter, „vom Zufall abhängig, wie hoch ihr Erstattungsanspruch im Schadenfall ist, weil es vom Zufall abhängig ist, bei welchem Versicherer der Schädiger versichert ist. Denn jeder Versicherer hat andere Prüfparameter.“ ## „Es ist so einfach, aber man muss es machen.“ Doch Werkstätten seien dem Ganzen nicht schutzlos ausgeliefert. Rechtsanwalt Christian Heid, Leiter der Kanzlei-Niederlassung in Frankfurt, appellierte wiederholt an die Anwesenden, die ihnen rechtlich zustehenden Ansprüche durchzusetzen, notfalls vor Gericht: „Es ist so einfach, aber man muss es machen.“ Denn die meisten Versicherer scheuen letztlich den Prozess und bezahlen. ## Was ist bei Reparaturauftrag und Mietwagenkosten zu beachten? Die Teilnehmer griffen während der Veranstaltung schnell zu Block und Stift. Denn die Tipps der Experten waren sehr konkret und praxisrelevant. Stichwort: Reparaturauftrag. „Hier sollte immer der Passus ‚Repariert gemäß Gutachten‘ stehen“, erklärte Christian Heid. „Denn dann darf der Versicherer nicht kürzen, da aufgrund der sogenannten Vertrauenskette der Geschädigte auf das Gutachten vertrauen darf.“ Rechtsanwalt Henning Hamann führte zudem aus: „Gemäß eines BGH-Urteils ist das von der Versicherung unterbreitete Mietwagenangebot bindend, wenn dieses vor Erteilung des
Reparaturauftrages abgegeben wurde.“ Für den K&L-Betrieb bedeutet das: Vorsicht Falle! Denn die Werkstatt sollte keinen höheren Mietwagenpreis angeben. Also sollte der Betrieb, bevor er in der Schadenkalkulation einen Preis für den Mietwagen veranschlagt, den Geschädigten fragen, ob dieser bereits von der Versicherung einen Mietwagenpreis genannt bekommen hat. ## Standkosten berechnen! Bei einer verzögerten Auftragserteilung durch die Kfz-Versicherung hatte Rechtsanwalt und Kanzlei Voigt-Geschäftsführer Henning Hamann einen nutzwertbringenden Tipp: „Für ein nicht mehr fahrbereites oder verkehrssicheres Fahrzeug, dass auf dem Betriebsgelände steht und für welches noch kein Reparaturauftrag erteilt wurde, dürfen Standkosten nach ortsüblichen Tarifen berechnet werden“, erklärte der Experten. ## Falls es zum Prozess kommt Hat der Versicherer den Rotstift angesetzt, lohnt es sich trotzdem, die gekürzten Beträge einzufordern. „Bei Rechnungskürzungen im Kaskoschadenfall sollten Betriebe den Sachverständigen um eine gleichwertige Haftpflichtschadenkalkulation bitten“, erklärte Henning Hamann. Dieses kann bei der Argumentation der Werkstatt gegenüber dem Versicherer helfen, denn die Differenz ist bei gleichem Schaden in beiden Fällen sehr groß. Falls sich eine Klage nicht umgehen lässt, gab der Rechtsexperte Christian Heid den Betriebsinhabern noch folgenden Tipp mit auf den Weg: „Wenn Sie mit abgetretenem Recht klagen, sollte der Geschädigte mindestens namentlich in der Klage stehen. Dies erhöht exorbitant die Chance darauf, die Nachzahlung einzufordern.“ ## „Nur ungefähr drei Prozent der Datenschutzerklärungen sind korrekt“ Nicht weniger undurchsichtig als die Rechnungskürzungen sind für viele Betriebsinhaber die Datenschutzrichtlinien nach DSGVO. Denn hier liegt der Teufel im Detail. Tina Heil von der Ascon Unternehmerberatung erklärte, worauf Werkstätten bei Cookies, Homepage und Co. achten müssen. „Nur ungefähr drei Prozent der Datenschutzerklärungen, die ich prüfe, sind tatsächlich korrekt“, erzählte die Expertin. Zu den häufigsten Fehlern gehören: ungeprüfte, übernommene Textbausteine, fehlerhafte Erklärungen von Cookies und das Vergessen spezieller Datenverarbeitungen oder das nicht Hervorheben des Widerspruchrechts. ## Elektrofachkraft zwingend notwendig Harald Eder von der DEKRA sprach abschließend über den Umgang mit Elektrofahrzeugen in der Werkstatt. Mit der Reparatur von E-Fahrzeugen bewegen sich die Werkstätten künftig im Niederspannungsbereich bis 1000 Volt. Spannungsbereiche, mit denen bisher eigentlich nur Gebäudeelektriker in Verbindung kamen – und für die es einer fachlichen Ausbildung bedarf. „Jede Werkstatt, die an Elektrofahrzeugen arbeitet, muss laut Berufsgenossenschaft eine Elektrofachkraft beschäftigen“, betonte der Diplom-Ingenieur. Viele Betriebe seien sich dessen noch nicht bewusst. Dabei betonte er
noch einmal: „Die Verantwortung für den Einsatz von ausgebildetem Personal liegt einzig und allein beim Betriebsinhaber.“ ## Unterstützung für Stiftung im Karosseriebau-Handwerk Übrigens: Den verbleibenden Überschuss aus den Teilnehmergebühren des Rechtsforums – insgesamt 3.500 Euro – spendeten ZKF, EUROGARANT Autoservice AG und ETL Kanzlei Voigt an die Stiftung des deutschen Stellmacher- und Karosseriebau-Handwerks. Diese fördert die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Karosseriebau-Handwerk und unterstützt unter anderem den Bundesleistungswettbewerb für Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker.
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