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2019-03-27T14:15:22+0000

Automatisiertes Fahren, Fahrerassistenzsysteme: Was bringt die Zukunft?

Wie steht es um den Einsatz von Fahrerassistenzsystemen und um das autonome Fahren in der Schadenwelt? Impulse dazu gab es von den Experten während des Messekongresses Schadenmanagement und Assistance in Leipzig. So beleuchtete Helge Kiebach vom KTI gemeinsam mit Antonio Longo von der DAT, wie sich Fahrerassistenzsysteme auf den Schadenaufwand bei der Fahrzeugreparatur auswirken. Als Beispiel betrachteten die Experten gemeinsam mit dem Publikum den Schadenfall anhand einer auszutauschenden Windschutzscheibe mit und ohne Head-up-Display. Ein realistisches Szenario, "denn immerhin ist Glasbruch die häufigste Art des Kaskoschadens und stellt mit 1,2 Milliarden Euro rund 40 Prozent der Versicherungsleistungen in diesem Bereich dar", erklärte Helge Kiebach. "Eine VIN-Abfrage des Fahrzeugs gilt heutzutage als Basis, um die Schadenkosten realistisch einzuschätzen", betonte der Experte. ## "Kamera ist nicht gleich Kamera" Bei einem beispielhaft betrachteten Fahrzeugmodell ist das Head-up Display mittels spezieller Frontscheibe umgesetzt, in einem anderen Modell als extra ausfahrbare Scheibe in das Armaturenbrett eingelassen. "Während sich die separate Scheibe beim Austausch der Frontscheibe kaum auf die Schadenhöhe auswirkt, sind bei einem Austausch der speziellen Frontscheibe immer auch zusätzliche Kosten, beispielsweise durch höhere Ersatzteilkosten und eventuell durch Justagearbeiten mit dem dafür erforderlichen Einsatz qualifizierter Mitarbeiter und die geeigneter Werkzeugausrüstung zu beachten", erklärte Helge Kiebach.
Gleichzeitig wies er jedoch auf den Fakt hin, dass die Ausrüstungsquoten mit Head-up-Displays sehr unterschiedlich sind (im genannten Fallbeispiel des Fahrzeugmodells „A“ bei etwa 70 Prozent der Limousinen und in 75 Prozent der Kombis), und mit separater Scheibe (rund 18 Prozent der Fahrzeuge im Fallbeispiel mit Modell „B“). Das bedeutet: Die Ausstattung mit einem Head-up Display wirkt sich bei verschiedenen Fahrzeugmodellen unterschiedlich stark auf die Schadenkosten aus. Zudem sei Kamera ist nicht gleich Kamera. Am Fahrzeug sind – je nach Ausstattung – zahlreiche unterschiedliche Kameras und andere Sensoren verbaut. "Allein die einfache Information, dass z.B. ein Abstandsregelsystem verbaut ist, gibt weder der Versicherung, noch dem Reparaturbetrieb Auskunft darüber, welche Sensoren betroffen sein können und wie hoch letztlich die konkrete Schadenhöhe zu bestimmen ist. Hinzu komme der Fakt, dass einzelne Fahrerassistenzsysteme zukünftig zu Fahrfunktionen gebündelt und die Sensorinformationen zunehmend fusioniert werden. Beispielsweise wird die Abstandshalteregelung mit Stop & Go Funktion mit dem Spurhalteassistent zu einem Stauassistenten zusammengefasst werden. Das Fazit der Experten: "Jedes Fahrzeug mit seiner Vielzahl an Komponenten von Fahrerassistenzsystemen und deren Kombination ist individuell zu betrachten und muss von der Schadenhöhe her separat bewertet werden." ## Mehr als 39 Prozent aller Neuwagen mit FAS ausgerüstet Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik und Jean-Pierre Filippini von Carglass beschäftigten sich in ihrem Vortrag ebenfalls mit den Auswirkungen von Fahrerassistenzsystemen auf das Autoglasgeschäft. "Bis 2024 wird die Hälfte der Unfälle durch Frontschutz-Systeme verhindert werden", prognostizierte Dr. Lauterwasser. Laut Jean-Pierre Filippini besitzen mehr als 39 Prozent der Neuwagen ein Fahrerassistenzsystem, das mit einer Frontkamera arbeitet. Die zunehmende Anzahl an verbauten Systemen erfordert
demzufolge laut Christoph Lauterwasser ein besonderes Augenmerk auf die anschließende Einstellung der Systeme. Zudem müsse nach der Reparatur die Qualität der ersetzten Windschutzscheibe sichergestellt werden. Darüber hinaus werden bei der Reparatur auch die räumliche Position der Sensoren in Mitleidenschaft gezogen und müssen neu ausgerichtet werden. Drittens gelte es zu beachten, dass die Funktionsfähigkeit der Sensoren durch die überlackierte Lackschichtdicke oder durch bestimmte Farbtöne oder Effektlacke beeinflusst wird. Aus seiner Erfahrung berichtete Jean-Pierre Filippini: "In 98 Prozent aller Fahrzeuge mit Frontkamera ist hier eine Kalibrierung nach einem Scheibentausch oder einer Reparatur notwendig. Eine falsche Kalibrierung nach Austausch der Windschutzscheibe erhöht die Unfallgefahr – und kann zum Haftungsfall für die Reparaturwerkstatt führen." Daher sichern sich Unternehmen wie Carglass inzwischen ab, indem sie jede Kalibrierung lückenlos dokumentieren und der Rechnung bei der Fahrzeugübergabe beilegen. ## Weiterhin Blechschäden durch zunehmende Verkehrsdichte bis 2040 Sven Altenburg von der Prognos AG beleuchtete in seinem Vortrag die Zukunft des autonomen Fahrens und betonte gleich zu Beginn: "In der Gesellschaft besteht ein großer Optimismus, was das autonome Fahren in 20 oder 30 Jahren betrifft." Dieser Optimismus stehe allerdings zu vielen Hemmnissen gegenüber, die das Thema mit sich bringt: Rechtliche Aspekte, wie Straßenverkehrsordnung oder auch das Haftungsrecht seien ebensowenig ausreichend berücksichtigt wie infrastrukturelle Voraussetzungen, die erst noch geschaffen werden müssten, um autonomes Fahren überhaupt flächendeckend zu ermöglichen. Des Weiteren hindern technische Reife und die Trägheit der Flotte die Bestrebungen hin zu einem autonomen Straßenverkehr. Sven Altenberg sieht die Durchdringung des Marktes für autonomes Fahren daher in drei Schritten:
Im ersten Step wird es einen Autobahnpiloten geben, in Schritt zwei wird der Cityverkehr autonom abgebildet. Erst im dritten Schritt geht Sven Altenburg von einem vollautomatischen Tür-zu-Tür-Piloten aus. Die optimistische Prognose besagt, dass die Zahl der Unfälle mit Sachschäden – auch mit Automatisierungsfunktionen, geschuldet durch die hohe Verkehrsdichte noch bis 2040 weiter steigen und erst dann leicht zurückgehen wird. Genügend Auftragspotenzial somit für kleine und mittlere Schäden in K&L-Betrieben.
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