2018-04-18T11:29:32+0000
# Was ist das Reparaturgeschäft wert? Die Karosserie- und Schadenstage in Würzburg haben sich zu dem Treffpunkt für Karosserie- und Lackierbetriebe sowie für Kfz-Sachverständige entwickelt. Das stellten bei der Tagung Redner und Teilnehmer im Vogel Convention Center fest. ## „Wir müssen in die On-Board-Systeme der Fahrzeuge“ ZKF-Präsident Peter Börner eröffnete das Branchenevent in Franken mit einem Zukunftsthema für den freien Markt. Er zeigte Wege auf, welche digitalen Lösungen die Branche schaffen muss, um Autofahrer künftig noch mit Serviceleistungen zu erreichen. „Wir müssen in die On-Board-Systeme der Fahrzeuge“, erklärte Peter Börner. „Nur, wer mit seinem Service im Display vom Autofahrer wahrgenommen wird, kann ihn auch auf das Angebot freier Betriebe aufmerksam machen.“ Das gelte auch für die Unfallschadenreparatur. ## „Erforderlich ist, was der Fachmann für erforderlich hält“ Peter Börner warnte zugleich vor einer zu „geringen Rendite“ in den K&L-Betrieben. Darüber hinaus kritisierte er die nach wie vor unberechtigt stattfindenden Rechnungskürzungen. Aktuelle Gerichtsurteile stellten die Aussagekraft der Prüfberichte von Kfz-Versicherern und Prüfdienstleistern in Frage. Hintergrund: Das Amtsgericht Ebersberg urteilte im Oktober 2017: „Ein Prüfbericht, der noch dazu ohne jegliche Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges erstellt wird, ist nicht geeignet, die festgestellte Reparaturnotwendigkeit in Zweifel zu ziehen. Die technischen Abzüge sind somit nicht gerechtfertigt.“
Peter Börner unterstrich in Würzburg, dass nach wie vor gelte: „Was erforderlich war oder ist, gehört auf die Rechnung.“ Entscheidend bleibe, was Sachverständige oder Werkstätten für erforderlich halten. ## Digitale Auftragsannahme bringt mehr Überblick Auch die Optimierung der Werkstattprozesse durch digitale Lösungen stand auf der Agenda in Würzburg. Betriebsinhaber Markus Stegmann zeigte sich überzeugt, dass man mit der richtigen Software-Lösung bessere Betriebsergebnisse erzielen kann. Ein genauer Überblick über den Auftragsbestand in Echtzeit, mehr Prozesssicherheit und eine Steigerung der Produktivität seien so umsetzbar. Entscheidend zudem: das Zusammenspiel zwischen Auftrag-Annehmer und Werkstattleiter im Betrieb. „Digitale Neuerungen im Betrieb müssen den Mitarbeitern allerdings erklärt werden, man muss das Team mitnehmen“, betonte Markus Stegmann. ## Gehört das Widerstandspunktschweißen der Vergangenheit an? Auch reparaturtechnische Themen griffen die Karosserie- und Schadenstage auf. In der vom Karosserieexperten Ralf Rathmann moderierten Podiumsdiskussion diskutierten die Teilnehmer künftige Entwicklungen der Fügetechnik. Kleben, Nieten, Schrauben – immer öfter werden Kaltfügetechniken bei der Karosserieinstandsetzung eingesetzt. Diesen Trend bestätigten Opel und BMW. „Stahl ist und bleibt jedoch der wichtigste Werkstoff im Automobilbau“, erklärte Jürgen Peitz (Leiter Versicherungseinstufung und Unfallschaden/Reparaturtechnik Opel AG) und stellte fest: „Es wird künftig immer stärker eine Kombination aus unterschiedlichen Fügetechniken geben.“ Stephan Paschke (Wieländer+Schill) stellte fest:
„Auch wenn künftig nur ein Bauteil bei der Unfallschadenreparatur geschweißt werden muss, das Widerstandspunktschweißen gehört deshalb in jeden K&L-Betrieb.“ ## Herstellervorgaben beachten und den Aufwand dafür berechnen! Einig war sich die Runde darin, dass es in Zukunft mehr denn je auf die Einhaltung der Herstellervorgaben ankommt. „Es gibt 1.000 verschiedene Stahlsorten, die beim Fügen unterschiedliche Drücke erfordern“, unterstrich Michael Zierau vom Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik. „Daher muss der Betrieb schon bei der Reparaturannahme die technischen Informationen einholen.“ Dazu können die Reparaturfachwerkstätten die [ZKF-Tipps](http://colornews.de/reparaturtechnik/zkf-tipps/) und die technische Hotline des ZKF nutzen. „Das Mehrmarkendiagnose-Gerät EuroDFT sowie die Online-[Datenbank repair-pedia](https://www.repair-pedia.eu/de/de/start) gehören dabei heute zum festen Bestandteil in den Betrieben.“ Dass der Aufwand für die Datenbeschaffung auch berechnet werden muss, war den Beteiligten klar. Am Rande der Karosserie- und Schadenstage wurde jedoch Kritik laut, dass genau diese Arbeitszeiten bei der Schadenkalkulation vielfach nicht hinterlegt seien. Trägt der Betrieb den Aufwand dennoch ein, würde diese „freie Rechnungsposition“ dann häufig von den Prüfdienstleistern gestrichen. ## Bedeutung der elektronischen Eingangsvermessung steigt weiter „Die Karosseriestruktur moderner Fahrzeuge hat sich enorm verändert, etwa durch steigende Anforderungen an die passive Sicherheit, Betriebsfestigkeit und den Leichtbau“, erklärte Helge Kiebach, Projektleiter Schadenforschung beim Kraftfahrzeugtechnischen Institut (KTI). Was bedeutet das für Karosseriebauer? „Die [elektronische Karosserie-Eingangsvermessung](http://colornews.de/reparaturtechnik/karosserie/kti-tipp-karosserie-eingangsvermessung-schadendiagnose/) nach einem Crash wird noch deutlich wichtiger für eine korrekte Diagnose.“
## Passive Sicherheitssysteme: aktuelle Vorgaben lebenswichtig Anhand des KTI-Projekts FairRepair verdeutlichte Helge Kiebach, wie entscheidend die Nutzung tagesaktueller Reparaturdaten bei der Instandsetzung ist. Dafür wurden zwei identische Fahrzeuge gecrasht. Im Anschluss wurde Fahrzeug 1 exakt nach den aktuell geltenden Herstellervorgaben repariert, während Fahrzeug 2 mithilfe eines älteren Reparaturleitfadens. „Handwerklich war auch die zweite Instandsetzung einwandfrei“, gab Helge Kiebach zu bedenken. Dennoch: „Nach einem zweiten, identischen Crash war der Überlebensraum in Fahrzeug 2 stark reduziert, einige Airbags zündeten gar nicht.“ Dagegen habe es an Fahrzeug 1 die gleichen Schäden gegeben, wie nach dem ersten Crash. ## Ausdrucken und Abheften reicht nicht! So war ein klares Fazit in Würzburg: Gerade bei modernen Karosserien reicht es nicht mehr, Reparaturleitfäden einmal auszudrucken und diese als Basis zu verwenden. Auch zwischen den einzelnen Modellvarianten gebe es inzwischen so große Unterschiede, dass Karosseriebauer laut Helge Kiebach in jedem einzelnen Fall erneut den aktuellen Reparaturleitfaden des Herstellers einsehen und prüfen müssen. „Ein solches Vorgehen kann den Unterschied zwischen einer Gehirnerschütterung und schwersten – evtl. tödlichen – Verletzungen des Insassen bedeuten“, betonte der Schadenforscher.
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