2017-11-22T19:56:02+0000
# Kfz-Versicherer: Schadenmarkt im Umbruch Natürlich zog sich die Digitalisierung wie ein Roter Faden durch den gesamten Schadenkongress in Köln. Für die Versicherungswirtschaft nahm Dr. Martin Weldi Leiter Kraftfahrt Schaden, HDI Versicherung Stellung: „Digitale Prozesse werden unsere Branche tiefgreifend verändern.“ Gleichzeitig stellte er jedoch auch klar: „Im Schadenfall will der Autofahrer zuerst den persönlichen Kontakt mit der Versicherung, danach können Prozesse digital ablaufen.“ ## Digitale Schadenkommunikation und Schadenkalkulation bei der HDI Versicherung 22.000 Schäden hat HDI (Talanx) seit 2016 über ihre Schaden-App abgewickelt. Das entspricht etwa zehn Prozent des gesamten Schadenvolumens in einem Jahr. Seine Einschätzung: „Wir wollen die Nutzungszahlen weiter ausbauen, erwarten aber nicht, dass die Anzahl der Nutzer kurzfristig durch die Decke geht.“ Dr. Martin Weldi stellte in Köln auch die digitale Live-Schadenbewertung zur Kalkulation der Schadenhöhe vor. Das Ziel sei „ein fallabschließendes Angebot im Ersttelefonat mit dem Versicherungsnehmer.“ Im Klartext: die schnelle Erstellung eines konkreten Angebotes für die fiktive Abrechnung. ## Wie entwickelt sich die Fahrzeugtechnik? Welche Auswirkungen die Fahrzeugentwicklung auf Schadensteuerung und Schadenkosten hat, erläuterte Gerald-Alexander Beese vom Kraftfahrzeugtechnischen Institut (KTI). „Gerade die Reparatur an modernen Fahrzeugen wird immer komplexer.“ Schadenbilder ändern sich, die Mischbauweise erfordert verschiedenste Reparaturwege und die Ersatzteilkosten steigen stetig.
Beispiel Autoglas: „Beim Glasschaden sind die Frontscheibenpreise zwischen 29 und 73 Prozent in die Höhe geschnellt. Auch der Aufwand für den Einbau steigt – auf bis zu 34 Prozent mehr“, heißt es in einer Untersuchung des KTI. Welche Auswirkungen der Verbau moderner Sensorik für die fachgerechte Reparatur bedeutet erklärte Gerald-Alexander Beese anhand verschiedenster Schadenfälle. 80 Prozent der Unfälle ereignen sich bei einer Geschwindigkeit von weniger als 10 km/h. „Schon bei einer Beschädigung der unteren Querträger ist die Kalibrierung des Radar-Sensors notwendig. Der Schadenaufwand liegt hier laut unserer Untersuchung bei etwa 1.500 Euro.“ Was wird künftig für die Werkstatt wichtig? Das KTI hat vier Felder definiert, worauf es in Zukunft ankommt. 1. Know-how und Ausbildung, 2. Kenntnis der fahrzeugspezifischen Herstellervorgaben, 3. moderne Werkstattausrüstung, 4. Material und Ersatzteile. ## „Reparieren statt tauschen“ wird wichtiger Vor dem Hintergrund rasant steigender Ersatzteilpreise bekommt die Instandsetzung der Karosserieaußenhaut neue Dynamik. Wolfgang Schüssler (Carbon GmbH) hat in Köln das Bewusstsein der Schaden-Chefs dafür geschärft. „In den nächsten fünf Jahren wird sich beim Automobilbau durch Leichtbauweise an der Karosserie mehr ändern als in den letzten 100 Jahren“, erklärte er vor den Kfz-Versicherern und erläuterte die Anwendung des Miracle-Systems bei der Reparatur. „Oft sind die Vorgabezeiten der Hersteller unrealistisch. Der Austausch von Ersatzteilen kostet den Kfz-Versicherer zudem erheblich mehr als die Instandsetzung der Karosserieaußenhaut.“ Eine Meinung, die auch Matthew Whittall von Innovation Group in Köln vertrat. Er zeigte den Teilnehmern zwei Schadenkalkulationen: Wird der gleiche Unfallschaden durch Instandsetzung fachgerecht repariert liegen die Reparaturkosten bei etwa 2.200 Euro, bei der Verwendung von Ersatzteilen stehen auf der Schadenkalkulation mehr als 4.000 Euro.
## Kostentreiber Ersatzteile Der Vorstandsvorsitzende von Innovation Group bezeichnete die steigenden Ersatzteilpreise als wesentlichen Kostentreiber für den Schadenmanager. Matthew Whittall nannte Zahlen: 3,3 Prozent Teuerungsrate pro Jahr ständen einer Steuerung von lediglich 0,5 Prozent bei Lack- oder Karosserielohn gegenüber. Matthew Whittall: „Wir unterstützen deshalb besonders die Betriebe, die sich intensiv mit der Instandsetzung der Karosserieaußenhaut beschäftigen.“ ## Wie positioniert sich Innovation Group? Für den Schadenmanager aus Stuttgart stellt sich jedoch vor allem die Frage, wie Innovation Group die Versicherer mit in das digitale Zeitalter nehmen kann. „Ab März 2018 kommt eCall“, betonte der Vorstandsvorsitzende. „Es wird nicht lange dauern, dann wird es nicht nur um Notfälle sondern auch um die Steuerung von Schadenfällen über diese Technologie gehen.“ 50 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland werden dann in der Lage sein ihren eigenen Schaden zu melden, schätzt Innovation Group. Die Stuttgarter wollen eine digitale Aufholjagt starten. „In Großbritannien läuft bereits unsere vollständige digitale Kommunikation mit Versicherungsnehmern, die an den wichtigsten Punkten des Schadenprozesses eine Applikation nutzen.“ So sind bisher 36.000 Unfallschäden reguliert worden. Auch das Reparatur-Tracking sprach Matthew Whittall an. „Die Schadenmeldung und der Prozess wird digitalisiert, keine Frage. Allerdings muss man immer bedenken, dass die Daten eingegeben oder erfasst werden müssen. Daher muss die Eingabe so gestaltet sein, dass die Werkstätten auch damit umgehen können.“ ## BVdP stellt erstmals QualiCheck vor Auch die Werkstattwelt wird digital, davon zeigte sich BVdP-Geschäftsführer Robert Paintinger überzeugt. Der Bundesverband erweitert sein Konzept QualiCar zur Prozessoptimierung in der Schadensteuerung nun um QualiCheck.
„QualiCheck ist ein durchgängig digitalisierter Prozess an den sich Schadensteuerer und Versicherer anbinden können.“ In dem Prozess ist ein Check des Kostenvoranschlages integriert, der durch den Leipziger Prüfdienstleister ClaimsControlling geprüft wird. „Unser Ziel: Der Steuerer erhält nur noch den Kostenvoranschlag mit einem Siegel. So wollen wir den Großteil der heutigen Prozess-Störungen beseitigen.“ Die Werkstatt kann sich mit QualiCheck durch Vergleich der eigenen Daten zudem mit anderen Betrieben kontinuierlich verbessern. Für Versicherer bedeutet das aus Sicht des BVdP: Schnellere Abwicklung des Reparaturauftrages, nur noch stichprobenartige KV-Prüfung, schlankere und digitalisierte Prozesse sowie die sichere Wahl des wirtschaftlichen Reparaturweges. Darüber hinaus geht der Bundesverband im kommenden Jahr mit dem Aufbau einer digitalen Kommunikation mit Autofahrern an den Start. M.o.r.e. – Mein optimales Reparatur Erlebnis soll das Produkt heißen. Ziel ist hier die Erhöhung der Attraktivität von QualiCar Betrieben für Entscheider über den Ort der Unfallreparatur. ## „Wir halten die Reparaturkapazitäten vor, die Sie als Versicherer benötigen“ Dass die Digitalisierung auch für mehr unbezahlte Arbeit in den Werkstätten sorgt, thematisierte ZKF-Präsident Peter Börner. „Die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter ist laut unseres Branchenberichtes in den vergangenen Jahren von 13 auf 15 gestiegen. Dabei blieb die Anzahl der produktiven Beschäftigten gleich hoch, die Steigerung kommt durch unproduktive Mitarbeiter zustande.“ Fazit: In Karosserie- und Lackierbetrieben fällt immer administrativer Aufwand an. „Dieser Mehraufwand muss zu höheren Stundenverrechnungssätzen führen“, lautete die Forderung von Peter Börner und fügte hinzu: „Im Rahmen der Digitalisierung wurden viele Änderungen mit unseren Werkstätten nicht besprochen, viele Lösungen passen gar nicht in die Systemlandschaft der Betriebe.“
Der ZKF-Präsident schilderte zudem die Herausforderungen der K&L-Betreibe. Fachkräftemangel, Nachfolgeprobleme sowie die absehbar stetig steigenden Löhne für qualifizierte Mitarbeit und Ausbildungsvergütungen – die Situation sei alarmierend. Peter Börner: „Wir brauchen als Betriebe das Geld, um weiterhin die Reparaturkapazitäten zu bieten, die Sie als Versicherer benötigen. Keine Rechnungskürzungen, sondern eine Anpassung der Stundensätze.“
Lesens Wert

Mehr zum Thema