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2017-10-25T11:40:52+0000
# Wie legal sind Rechnungskürzungen? „Die Antwort auf die Frage nach der Legalität von Rechnungskürzungen ergibt sich eigentlich direkt aus dem Gesetz“, erklärt Wolf-Henning Hammer von der Kanzlei Voigt. Denn gemäß § 249 BGB muss der Schädiger den Ausgangszustand wiederherstellen oder für eine entsprechende Entschädigung sorgen. Im Rechtsdeutsch heißt das: Derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, muss den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre oder den dafür erforderlichen Geldbetrag zu leisten. ## Wer Schadenersatz vorenthält, agiert nicht gesetzeskonform „Damit ist eigentlich alles gesagt“, ist Wolf-Henning Hammer überzeugt. Denn das bedeutet auch: Wer dem Geschädigten den ihm zustehenden Schadenersatz vorenthält, agiert nicht gesetzeskonform. Allerdings hängt das von vielen Kriterien ab. Außerdem sei nicht immer leicht zu ermitteln, welcher Schadenersatz im Einzelfall zu leisten ist. „Dieser ist anhand des subjektiven Schadenbegriffs zu ermitteln und kann selbst bei – auf den ersten Blick identisch erscheinenden Schäden – abweichen“, betont der Rechtsexperte und ergänzt: „Hinzu kommt, dass der Entschädigungspflichtige seine Leistung nach Möglichkeit gering halten möchte und das defizitäre Kfz-Versicherungsgeschäft die Versicherer zu Einsparungen zwingt. Leider gehen diese in der Regel nicht nur zu Lasten der Geschädigten, sondern oft auch zu weit.“ ## „Rechnungskürzung durch die Hintertür“?
Ein prominentes Beispiel sieht die Kanzlei Voigt in der Schadensteuerung. „Wenn der Versicherer den Geschädigten quasi noch am Unfallort für sein ‚Schadenmanagement‘ begeistern kann, verzichtet dieser auf einen beträchtlichen Teil seiner Rechte“, unterstreicht Wolf-Henning Hammer. Der Versicherer würde die Prozesse dann in seinem eigenen und nicht im Sinne des Geschädigten steuern. Das sei zwar keine Rechnungskürzung im klassischen Sinne, führe aber in der Regel zu einem „Sparschadenersatz“, der auf das Notwendigste reduziert wurde. Der Anwalt verwendet dafür den Begriff „Rechnungskürzung durch die Hintertür“. Immerhin gehe das Schadenmanagement sowohl zu Lasten des Geschädigten als auch der ausführenden Werkstatt, die nach unterdurchschnittlichen Stundenverrechnungssätzen abrechnet. „Dem Versicherer ist dies allerdings egal, wenn er seine Kostenquote senken kann“, ist Wolf-Henning Hammer sicher. ## Kanzlei Voigt stellt Neutralität der Prüfdienstleister in Frage Lässt sich der Geschädigte indes nicht auf das Schadenmanagement ein und nutzt die ihm zustehenden Rechte auf Einschaltung eines Sachverständigen sowie eines Anwalts, steht der Versicherer vor einer Herausforderung. Das gelte insbesondere dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug in der ihm vertrauten, frei gewählten Werkstatt reparieren lässt. Immerhin könne der Versicherer dann nicht zu den ihm genehmen Stundenverrechnungssätzen abrechnen. Dort kämen dann Prüfberichte und Rechnungskürzungen zum Einsatz: „Entgegen der Darstellung der Versicherer sind die Prüfdienstleister nicht neutral, sondern arbeiten weisungsgebunden, gemäß dem vorgegebenen Regelwerk der beauftragenden Assekuranz“, erklärt der Rechtsanwalt. Daher sei es durchaus möglich, dass ein und derselbe Prüfdienstleister – abhängig vom beauftragenden Versicherer – identische Positionen in einem Fall kürzt, in einem anderen aber als regelkonform akzeptiert.
## Gibt es Rechnungskürzungen in der Kaskoversicherung? Die Kaskoversicherung hat andere Rahmenbedingungen als Haftpflicht. Hier gelten nicht die gesetzlichen Bestimmungen des Schadenrechts, sondern die Bedingungen des Versicherungsvertrags. Dies hat zur Folge, dass Versicherungsnehmer und Versicherer bereits bei Abschluss des Vertrages entscheiden können, welche Werkstatt, welche Kosten und welchen Reparaturumfang der Versicherer im Schadenfall akzeptiert. „Bei einem Vertrag mit Werkstattbindung ist es daher legitim, wenn die Reparatur in einer Partnerwerkstatt erfolgen muss“, erklärt Wolf-Henning Hammer. Schließlich bezahlt der Versicherungsnehmer hier auch eine niedrigere Prämie als bei Verträgen mit freier Werkstattwahl. Lässt der Kunde das Fahrzeug – in diesem Fall abredewidrig – in einer anderen Werkstatt reparieren, sei nichts dagegen einzuwenden, wenn der Versicherer den Rechnungsbetrag seinem Kunden gegenüber auf den Betrag reduziert, der bei einer seiner Partnerwerkstätten angefallen wäre. Denn genau das wurde ja vertraglich vereinbart. ## Reduzierung der Stundensätze bei fiktiver Abrechnung von Kaskoschäden? „Allerdings ist in letzter Zeit verstärkt festzustellen, dass Versicherer bei der fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze des Partnertarifs selbst dann zugrunde legen, wenn der Vertrag keinerlei Werkstattbindung enthält und der Geschädigte Anspruch auf Ersatz zu den üblichen Sätzen hat“, betont der Rechtsanwalt aus Dortmund. Auch dieses Vorgehen der Versicherer sei zwar keine Kürzung im Sinne der Streichung von Positionen, es stelle aber eine Verletzung der vertraglich übernommenen Pflichten dar. „Wenn ein Versicherungsnehmer eine höhere Prämie zahlt, muss er im (Kasko-)Schadenfall auch besser gestellt werden als derjenige, der sich – im Gegenzug zu der vergünstigten Prämie – damit einverstanden erklärt hat, dass die Reparatur in einer Partnerwerkstatt zu den dort geltenden Sätzen durchgeführt wird und dass diese auch bei der fiktiven Abrechnung gelten.“
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