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2016-01-27T11:29:28+0000
# Junge Flüchtlinge: eine Chance für K+L-Betriebe? Immer mehr Werkstätten haben Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden, die sich für das Handwerk begeistern, oder ihre Gesellen langfristig im Betrieb zu halten. Fachkräftemangel wird zum ernst zu nehmenden Problem der Branche. Gleichzeitig befinden sich aktuell tausende junger Menschen in Deutschland, die ihre Heimat verlassen haben und eine neue Perspektive suchen. Dieses Potenzial können Betriebe für sich nutzen. ## „Eine große Herausforderung, aber es hat sich gelohnt“ Daniela Schleich hat diese Chance erkannt und gehandelt. Die Geschichte: Im Mai 2015 fragt der Betreuer einer Flüchtlingsunterkunft an, ob die Betriebsleiterin aus Main-Spessart einen Flüchtling als Praktikanten einstellen würde. Sie willigt direkt ein. Am darauffolgenden Montag hat Goytom aus Eritrea bereits seinen ersten Arbeitstag. „Ich probiere gern neue Dinge aus und dieses Praktikum war eine besonders positive Erfahrung“, blickt die Lackiermeisterin zurück. „Herausforderungen gab es in der Zeit genug: für unsere Mitarbeiter, für uns als Werkstattleitung und natürlich für Goytom selbst – aber es hat sich gelohnt.“ ## Perfektes Finish nach zwei Wochen Für Goytoms Praktikum hatte Daniela Schleich zunächst eine einwöchige Testphase vereinbart.
Sollte es gut laufen, würde sie den jungen Mann insgesamt drei Wochen im Betrieb beschäftigen. „Bereits nach zwei Tagen war klar, dass wir mit Goytom in die Verlängerung gehen“, betont Daniela Schleich. Das habe der 18-jährige Eritreer seiner guten Auffassungsgabe und der hohen Motivation zu verdanken. Die begeisterte Betriebsleiterin erinnert sich: „Bereits nach dem dritten Mal hat er selbstständig Finish-Arbeiten an den Fahrzeugen durchgeführt. Er war während seines Praktikums sehr wissbegierig und hochmotiviert.“ ## Die Sprache des Handwerks ist international Die Erkenntnis: Handwerk kann erlernt werden, auch bei mangelhaften Deutschkenntnissen. Durch mehrmaliges Zeigen und Wiederholen ‚erklärte‘ Lackiermeister Alexander Randolph Goytom die notwendigen Handgriffe. Denn der junge Mann aus Ostafrika sprach kein Deutsch und nur wenige Worte Englisch. So rückte Zeichensprache an die Stelle von Fachbegriffen. Der X-Bock, also der Lackierständer, wurde zum Beispiel durch vor der Brust gekreuzte Arme angezeigt. Goytoms überdurchschnittliche Motivation, Eigeninitiative sowie die hohe Lern- und Leistungsbereitschaft seien kein Einzelfall, sagt die Agentur für Arbeit. Denn zahlreiche Flüchtlinge wollen ihre Familien unterstützen oder sich eine neue Perspektive aufbauen. Zugleich meint Daniela Schleich, dass viele dankbar seien, eine Aufgabe zu bekommen. ## „Ich würde mich freuen, wenn er wieder zu uns käme“ Allerdings räumt die taffe Betriebsleiterin auch ein, dass Praktika wie dieses nur eine Übergangslösung sein können.
Denn bei allem Erfolg des Projekts stünde unter dem Strich ein enormer Betreuungsaufwand. Trotzdem möchte sie ein Zeichen setzen und hat die Childhood Ausbildungs-Charta unterzeichnet, eine Absichtserklärung von Unternehmen, jugendlichen Flüchtlingen Praktika oder Ausbildungsplätze zu bieten. Ganz in diesem Sinne beschäftigt der Karosserie- und Lackierbetrieb Schleich im Februar einen weiteren geflüchteten Jugendlichen für drei Wochen. Goytom lernt in der Zwischenzeit intensiv Deutsch. Daniela Schleich blickt optimistisch in die Zukunft: „Wenn Goytom die Sprache einigermaßen beherrscht, möchten wir ihm einen Ausbildungsplatz für September anbieten. Ich würde mich freuen, wenn er wieder zu uns käme.“
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