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2023-04-05T09:02:55+0000

„Die Ergebnisse sind auch für K&L-Betriebe ein wichtiger Gradmesser“

_Am 17. März 2023 hat der Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) seinen Branchenbericht für das Jahr 2021 veröffentlicht. Im schaden.news-Interview betonten ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm und die Projektleiterin Anette Gundlach, welche Rolle der ZKF-Branchenbericht für Betriebe spielt, warum der Zeitversatz zwischen dem Erhebungsjahr und Veröffentlichung notwendig ist und was die wichtigsten Ergebnisse aus dem ZKF Branchenbericht 2021 sind. _ __Welche Bedeutung hat der ZKF Branchenbericht für den Unfallschadenmarkt? __ __Thomas Aukamm:__ Seit über 20 Jahren erhebt der ZKF in diesem Format den kostenlosen ZKF-Branchenbericht. Dabei handelt es sich um eine Retrospektive, also die rückblickende Betrachtung. Zudem ist es die einzige Auswertung in dieser Form für unsere Branche, die auf geprüften Zahlen in repräsentativer Größenordnung jährlich basiert. Grundlage ist jeweils der geprüfte Jahresabschluss der Werkstätten. Daher ist der Branchenbericht bei Banken, Handwerkskammern und anderen Institutionen, aber auch für die Betriebe selbst ein verlässlicher Gradmesser. Auch für Unternehmensberater wird der Bericht als eine solide Vergleichsgrundlage herangezogen. __Warum hält der ZKF daran fest, die Zahlen immer erst mit erheblichem Zeitverzug zu veröffentlichen? Sind diese Zahlen dann überhaupt noch relevant? __ __Anette Gundlach: __An dieser Stelle hat für uns die Plausibilität der Daten eine höhere Priorität als Schnelligkeit oder Aktualität. Denn die Erhebung und Prüfung der Daten braucht Zeit. Zudem haben die Betriebe ihren vollständigen, geprüften Jahresabschluss immer erst ein halbes, manche erst ein dreiviertel Jahr später vorliegen, um den Fragebogen auszufüllen. Erst dann können sie überhaupt verlässliche Aussagen über ihr vorheriges Geschäftsjahr treffen. Somit stellt der ZKF-Branchenbericht mit seinen Ergebnissen kein Indiz für die Gegenwart dar, sondern lediglich einen Rückblick. Dieser kann jedoch dazu dienen, die Branche in einen größeren zeitlichen Kontext einzuordnen und auch Ableitungen für gegenwärtige oder gar zukünftige Entwicklungen zu treffen. __ Was sind die drei wichtigsten Veränderungen des ZKF-Branchenberichts 2021 gegenüber dem Berichts-Vorjahr 2020?__ __Anette Gundlach:__ An erster Stelle sticht der Verfall beim operativen Ergebnis (EBITDA) heraus. Es gab einen Rückgang von 5,4 auf 1,6 Prozent der Gesamtbetriebsleistung. Trotz gestiegenem Umsatz haben die Werkstätten also ein schlechteres Ergebnis der operativen Leistungsfähigkeit (EBITDA) erzielt. __Thomas Aukamm:__ Wir dürfen nicht vergessen: Es war ein volles Corona-Jahr mit – im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten – rückläufiger Mobilität. Rund 45 Prozent der teilnehmenden Betriebe im Bereich Pkw-Instandsetzung haben wirtschaftliche Hilfen in Anspruch genommen, rund zwei Drittel davon Kurzarbeit. Zwar ist der Umsatz gestiegen, aber auf der anderen Seite standen steigende Kosten. Das haben wir vor einem Jahr schon prognostiziert. __Anette Gundlach: __Zweites eindeutiges Ergebnis sind die eben schon angesprochenen gestiegenen Materialkosten. Insbesondere die Ersatzteilpreise sind explodiert, dafür haben die OEMs gesorgt. Auch die Margen können deutlich zurückgegangen sein. __Thomas Aukamm: __Fortgesetzt hat sich die niedrige Ausbildungsquote: Damit setzt sich der Trend, den wir 2019 auf 2020 bereits beobachtet haben, fort. Grund ist zum einen
der demografische Wandel. Zudem sind durch Corona gewerkeübergreifend die Ausbildungsplatzzahlen eingebrochen. Das hat den Trend der Betriebe, nicht auszubilden, leider noch verstärkt. Viele sind einfach genervt insbesondere von den Abwerbungen durch die Industrie. __Die Betriebsleistung im Handwerk stieg um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz pro produktiv Beschäftigtem stieg jedoch nur um 3 Prozent. Wie ist das zu erklären? __ __Thomas Aukamm:__ Dahinter stecken vornehmlich die gestiegenen Ersatzteilpreise. Zudem gehen aber auch die Preiszugeständnisse bei den Stundensätzen an die Versicherer und Schadenlenker zu Lasten der Werkstätten. An dieser Stelle wird wieder einmal deutlich, dass mehr Umsatz nicht immer mehr Gewinn bedeutet, da viele Kostenfaktoren diesen beeinflussen. Hier muss der Betrieb schauen, ob der eigene, betriebsindividuelle Stundensatz überhaupt auskömmlich ist. __Schauen wir uns die Beschäftigungsstruktur an, so fällt auf, dass der Anteil der Beschäftigten insgesamt, aber auch der produktiv Beschäftigten, leicht über dem Wert von 2020 liegt. Kann man davon sprechen, dass die Fachkräftesituation stagniert? __ __Thomas Aukamm: __Tatsächlich ist laut ZKF-Branchenbericht die Betriebsgröße leicht gestiegen: Lag sie 2020 bei 14,3 Mitarbeiter, so waren es 2021 15,8 Beschäftigte. Zum einen haben die Betriebe versucht, die Personalstämme auszubauen oder wenigstens auf gleichem Niveau zu halten. __Anette Gundlach: __An dieser Stelle muss man bei der Auswertung und Interpretation auch den Wechselanteil bei den teilnehmenden Betrieben einbeziehen: Es nehmen nicht in jedem Jahr die identischen Betriebe teil wie im Vorjahr. Vielleicht haben für 2021 einige Betriebe mit größerem Personalstamm den Fragebogen ausgefüllt. __Betrachtet man die Umsatzverteilung für das Handwerk, so fällt auf, dass der Anteil für den Karosseriebau deutlich (um 3,4 Prozentpunkte) angestiegen ist. Hingegen ist der Anteil an Pkw-Lackierung um 3,5 Prozentpunkte gesunken – im vergangenen Jahr war dieser angestiegen. Wie passen diese Entwicklungen in die aktuelle Zeit? __ __Anette Gundlach:__ Auch an dieser Stelle ist keine einfache Erklärung möglich. Vielleicht haben dieses Mal mehr Betriebe den Fragebogen für den Branchenbericht ausgefüllt, die in ihrem Tätigkeitsspektrum einen höheren Anteil im Karosseriebau ausweisen und weniger in der Lackierung. Dieser Fakt spricht dafür, dass wir im ZKF-Branchenbericht einen praxisnahen Querschnitt der Betriebslandschaft widerspiegeln und dort alle Betriebsgrößen mit den klassischen Tätigkeiten unserer Branche abbilden. Dies ist auch der Grund, weshalb wir den Bereich Kfz-Handel mit Autohäusern diese nicht in unserer Auswertung berücksichtigen, da die Umsatzanteile durch den Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen völlig anders gelagert sind als bei den K&L-Betrieben. Diese Sparte würde die Ergebnisse zu stark verzerren. __Bereits im Branchenbericht 2021 sieht man, dass gestiegene Material- und Personalkosten trotz eines höheren Umsatzes zu einem deutlich geringeren operativen Ergebnis geführt haben. Das war aber noch vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs. Vor diesem Hintergrund: Wie sind Ihre Erwartungen an den Branchenbericht 2022? __ __Thomas Aukamm:__ Hier befinden wir uns im Bereich der Prognose. Wir gehen davon aus, dass wir den Umsatz trotz noch Auswirkungen der Pandemie des ersten Halbjahrs 2022 steigern konnten, aber die Kostensituation wird für Betriebe noch verschärft sein durch Energiekosten, Materialpreise sowie einen hohen Krankenstand und höhere Personalkosten. Insgesamt gehen wir von einem höheren Umsatz, aber einem ähnlich niedrigen operativen Ergebnis aus wie 2021. __Anette Gundlach:__ Exakt wissen wir das erst, wenn wir die Fragebögen der Betriebe, die für den Branchenbericht 2022 teilnehmen, auswerten. Ab September werden wir wieder zur Teilnahme aufrufen. Nach acht bis zehn Wochen Laufzeit und Rücklauf der Fragebögen erfolgen dann Analyse und Auswertung. Erst dann werden wir sehen, ob wir mit unseren Prognosen richtig lagen. __Aktuell befinden wir uns ja bereits im Berichtsjahr für den übernächsten Branchenbericht 2023. Was können Betriebe aktuell tun, um ihre wirtschaftliche Situation noch zu optimieren? __ __Thomas Aukamm: __Das Wichtigste ist, seine Kennzahlen und den eigenen, aktuell betriebsnotwendigen Stundensatz zu kennen. Denn er ist die Basis dafür, herauszufinden, mit welchen Kunden der Betrieb Gewinn erzielt oder Verluste einfährt, auch wenn weitere Faktoren diesen noch beeinflussen. Der ZKF liefert dafür im Mitgliederbereich ein Tool zur betriebsindividuellen Berechnung des Stundenverrechnungssatzes zur Unterstützung. Zweitens ist es sinnvoll, zu analysieren, wie profitabel die Kunden im Einzelnen sind. __Anette Gundlach:__ Der Betrieb sollte aber auch immer wieder seine Kostenstrukturen überprüfen. Dazu ist es notwendig, sich mit den Ein- und Ausgaben des Betriebes zu beschäftigen und zu ermitteln – auch kleinere Betriebe ohne eigenständige kaufmännische Abteilung sollten diesen Schritt gehen. Dabei unterstützt der ZKF sehr gerne seine Mitglieder und ich beantworte gern Fragen zur Vorgehensweise. __Vielen Dank für das Interview!__
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