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2022-06-29T11:10:55+0000

IBIS Global Summit: Was diskutierte die internationale Schadenbranche in Monaco?

Die Freude war Jason Moseley, CEO des International Bodyshop Simposium IBIS, anzusehen, als er Mitte Juni (15. bis 17. Juni 2022) die Teilnehmer endlich wieder persönlich bei einer IBIS Konferenz begrüßte. Eigentlich sollte die Veranstaltung in Monaco bereits 2020 stattfinden, doch die Pandemie vereitelte auch diese Pläne. Immerhin führte IBIS in den vergangenen beiden Jahren Online-Tagungen durch. „Dadurch waren wir auch in der Pandemie alle gut miteinander vernetzt und konnten uns austauschen“, blickte Jason Moseley auf die vergangenen zwei Jahre zurück. Rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten das Treffen. ## Folgen der Pandemie standen im Fokus Und so blieb die Pandemie auch am ersten Veranstaltungstag noch lange Zeit zentrales Gesprächsthema für die Teilnehmer von IBIS Global Summit in Monaco. Zumindest hinsichtlich der Entwicklungen, die sie in den vergangenen zwei Jahren teils massiv beschleunigt hat. So gab Prof. Michael Cox von der Universität London einen Einblick in das Wachstum der Weltwirtschaft und die wichtigsten Faktoren, die zu Einschnitten geführt haben. Neben der Pandemie und dem Ukraine-Krieg war hier die Rede vom Brexit, der Finanzkrise 2008 sowie den Handelskonflikten zwischen den USA und China 2017. Etwas konkreter beleuchtete Eric Devos, Präsident der GiPA Group, die Einflüsse der Pandemie auf den Unfallschadenmarkt. So stagniere nach wie vor die Größe der Flotten. Gleichzeitig steige jedoch das Alter der genutzten Fahrzeuge, wodurch Reparaturen und Wartungsarbeiten wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Eric Devos geht davon aus, dass der Anteil an alternativen Antrieben in den kommenden drei Jahren insbesondere in Europa signifikant ansteigen wird – nicht zuletzt durch das Verbot von Verbrennerfahrzeugen bis 2035, das die EU erst kürzlich besiegelt hat. ## Starke deutsche Delegation vor allem von Industriemanagern In Monte Carlo waren auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland vertreten. Vor allem Industriemanager nahmen beim weltweiten Treffen der Schadenbranche teil, darunter Thomas Leuchten (PPG), Bernd Sessner (BASF) und Jörg Anders (Akzo Nobel). „Die Themen die in Monaco diskutiert wurden, sind auch die Themen die wir in Deutschland diskutieren“, erklärte Bernd Sessner im Gespräch mit schaden.news. „Die Auswirkungen der Energiekrise, Probleme mit den Lieferketten und auch neue Produktinnovationen wie die Reihe 100 waren Gesprächsstoff.“ Neben den Managern nahm auch Reinhard Beyer, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Partnerwerkstätten (BVdP), an der IBIS Konferenz teil. ## Sinkende Investitionsbereitschaft und beginnende Konsolidierung Konkret wurde es in verschiedenen Diskussionsrunden. Über die Auswirkungen der Pandemie auf die Werkstätten in den verschiedenen Ländern diskutierten Bill Lopez (Vice-President, Strategic Accounts, OEConnection) sowie Flavio Battilana (Chief Strategy Officer, Canada CSN Collision Centres) und Troy Weaver (Senior Vice-President beim Lackkonzern Axalta). Eine wesentliche Erkenntnis: Durch die Pandemie haben sich viele Entwicklungen, beispielsweise die Digitalisierung, um sieben Jahre beschleunigt. „Somit war das eine Phase der Möglichkeiten, man musste diese Chance nur ergreifen“, betonte
beispielsweise Troy Weaver. Jedoch sei man sich nicht bewusst geworden, wie angespannt die Lieferkette werden würde. Die Diskussionsteilnehmer gehen davon aus, dass diese Situation noch bis mindestens zum ersten Quartal 2023 anhalten werde. Zudem sinke die Investitionsbereitschaft und es finde derzeit bei den Werkstätten bereits eine Konsolidierung statt. Und noch eine Erkenntnis ging aus dieser Gesprächsrunde hervor: physische Aktivitäten werden regionaler und lokaler, während digitale Aktivitäten, beispielsweise Tagungen, globaler werden. Flavio Battilana wies darauf hin, dass es gerade in dieser Phase darauf ankomme, nicht viele Mitarbeiter, sondern die richtigen Mitarbeiter zu haben. Zudem spiele eine Rolle, die aufkommenden Reparaturen mit ausreichend ausgebildeten Fachkräften durchführen zu können. ## Digitalisierung in der Schadenbearbeitung nimmt Tempo auf Um die Digitalisierung des Schadenfalls ging es bei Oliver Chambers (Director of Sales & Operations bei der Enterprise-Tochter Entegral), Marcos Malzone (Vice-President of Product Marketing bei Solera), Chris Payne (Head of Networks & Engineering, LV= Insurance) sowie Jim Keller (President & COO, 1Collision). Hier wurden die Veränderungen durch die Pandemie besonders deutlich: „Noch im Jahr 2018/2019 war der Schadenfall nicht wirklich sehr digital. Die Pandemie hat uns dahingehend geholfen, beispielsweise mehr Effizienz in die einzelnen Prozesse bei der Schadenbearbeitung zu legen. Und sie hat uns gezeigt, dass wir mehr Geschwindigkeit in die digitalen Prozesse legen müssen.“ Marcos Malzone betonte jedoch, dass die Komplexität der Fahrzeuge die Schadenaufnahme zunehmend schwieriger gestaltet. Deshalb hat Solera nun ein Tool entwickelt, das bei der Triage der Fahrzeuge unterstützen soll. Dieses Tool stellte Solera im Rahmen von IBIS offiziell vor. „Die Werkstatt soll eher erfahren, wie sie mit den einzelnen Schadenfällen umgehen soll. Handelt es sich um einen reparablen Schaden? Oder ist es ein Totalschaden?“ Das Tool helfe, genau diese Unterscheidung schon frühzeitig zu treffen und so für mehr Effizienz in den Werkstätten zu sorgen. Zudem sorge die Künstliche Intelligenz auch dafür, in Kombination mit den Fahrzeugdaten den Schaden so genau und effizient wie möglich zu kalkulieren und schneller reparieren zu können. Auf die Frage von Moderator Sean Fletcher, ob das Fahrzeug irgendwann den Kostenvoranschlag für seine Reparatur selbst schreiben werden, waren sich die Beteiligten aber einig: Dafür werden auch in Zukunft Experten zur Begutachtung notwendig sein. Marcos Malzone betonte jedoch: Künstliche Intelligenz gebe einen objektiveren Blick auf den Schaden und helfe auch, Methoden wie Instandsetzen vor Erneuern frühzeitig zu erkennen. „Das schont am Ende auch wieder die Reparaturkosten und Ressourcen.“ ## Botschafter gegen den Fachkräftemangel Mit einer beeindruckenden Diskussion zum Thema Fachkräftemangel startete der zweite Veranstaltungstag in Monaco. Mit Rachel Murray (24), Ase Brekke Roe (28) und Daryl Head (25) waren drei junge Fahrzeuglackierer und -lackiererinnen eingeladen, die in der Vergangenheit mit ihrer handwerklichen Arbeit auf nationaler oder internationaler Ebene bereits Erfolge erzielt haben. So erhielt Daryl Head Silber bei den WorldSkills in Abu Dhabi. Die Meinung der drei jungen Fachkräfte war klar: Das Image des Berufsbild Fahrzeuglackierer ist vielerorts nach wie vor veraltet. Social Media Kampagnen könnten dazu beitragen, das zu ändern. Daher sehen sich die drei als Botschafter, mit deren Hilfe
auch die junge Zielgruppe außerhalb der Automotive Aftermarket-Bubble erreicht werden müsse. ## Sind Industrie und Betriebe auf Welle der E-Fahrzeuge ausreichend vorbereitet? Weiteres zentrales Thema im Rahmen des IBIS Global Summit war die Frage, was hinsichtlich der Reparaturtechnik zukünftig auf die Betriebe zukommen werde. Neben der Elektromobilität wurden hierbei auch die Kalibrierung und weiter zunehmende Materialmixe, beispielsweise von Aluminium, Carbon und Kunststoff genannt.Zentrale Frage war dabei unter anderem, ob die sichere und fachgerechte Reparatur und die dabei entstehenden Kosten überhaupt noch mit den von Versicherern vorgegebenen Reparaturpreisen vereinbar ist. Die Teilnehmer waren sich einig: Die Sicherheit des Fahrzeugs nach der Reparatur habe höchste Priorität, daran dürfe nicht gespart werden. Klar wurde aber auch: Gerade auf die Welle neuer E-Fahrzeuge sind alle im Unfallschadenmarkt Beteiligten noch nicht ausreichend vorbereitet. Bis 2035 wird somit noch einiges zu tun sein.