2021-06-23T15:28:36+0000

„Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen“

Mitte Juni hielt ZKF-Präsident Peter Börner seine Grundsatzrede beim Branchentreff Digital des Zentralverbandes. Seine Standpunkte sind Gradmesser für die gesamte Branche. Im Interview spricht Peter Börner über Veränderungen in der Marktstruktur, die Auswirkungen der Digitalisierung und die Aufgaben des Verbandes. ___Peter Börner, vor genau einer Woche haben Sie Ihre Grundsatzrede beim ZKF-Branchentreff gehalten, was beschäftigt Sie, was beschäftigt den Markt?___ __Peter Börner:__ Die gesamte Branche und mich persönlich natürlich auch beschäftigen die vielen Veränderungen, die gerade stattfinden und die Auswirkungen, die man daraus ableiten kann. Ich habe in meiner Grundsatzrede acht Thesen, acht Fakten aufgezählt und unseren Mitgliedern vor Augen geführt, was da gerade draußen passiert. ___Welche Veränderungen meinen Sie?___ __Peter Börner: __Alles, was ich aufgezählt habe, führt am Ende zu Veränderungen in der Kundenstruktur, in der Werkstatt selbst und der Struktur der Auftraggeber. Wenn zum Beispiel Volkswagen mit seinen Rabattkürzungen Schule macht, dann führt das einfach dazu, dass andere Hersteller nachziehen. Wir haben detaillierte Informationen dazu, dass das schon passiert. Die Automobilindustrie will ihre eigene Handelsorganisation belohnen und die freien Werkstätten bestrafen. Diese und andere Marktveränderungen müssen wir als Verband aufzeigen und thematisieren. ___Was sind die drei wichtigsten Entwicklungen aus Ihrer Sicht, die den Markt in Zukunft verändern werden?___ __Peter Börner:__ Zum einen ändert sich die Kundenstruktur. Wenn ich von einem typischen Fachbetrieb der Karosseriebauerinnung ausgehe, der auch in der Schadensteuerung unterwegs ist, dann hat der heute immer noch einen guten Anteil von Privatkunden und Autohäusern. In den Autohäusern ist der Anteil der Privatkunden wiederum hoch. Diese Unfallschäden werden ebenfalls zum überwiegenden Teil im Fachbetrieb repariert. Wir stellen schon heute fest, dass dieser Anteil an Privatkunden von Jahr zu Jahr abnimmt. Durch neue Mobilitätskonzepte wird es diese Kundengruppe mittel- und langfristig gesehen so nicht mehr geben. Das sind dramatische Veränderungen. ___Eine zweite wesentliche Entwicklung…___ __Peter Börner:__ Das Zweite ist dann die Ertragssituation. Wo man hinschaut, gerade im Nutzfahrzeugneubau, werden die Materialien immer teuer und zwar exponentiell. Das geht im Lackmaterial und bei den Ersatzteilen so weiter, gleichzeitig schmilzt die Marge. Die Betriebe müssen auch ihren Mitarbeitern in der Gehaltsstruktur entgegenkommen. Das bedeutet: Erhöht sich nicht gleichzeitig der Stundenverrechnungssatz und der Umsatz dieses Betriebes bei stark zunehmenden Kosten, haben wir hier ganz schnell eine Schere erreicht, die weit auseinander geht. Die Kosten sind höher als die Umsätze, dann kippt die Ertragslage. ___Wie lautet das dritte Thema mit viel Veränderungspotential?___ __Peter Börner:__ Die dritte wichtige Entwicklung ist die Digitalisierung, die, wenn man sich das Thema genau betrachtet, leider nicht von unseren Betrieben selbst initiiert wird. Es gibt zwar einige Betriebe, die leben die Digitalisierung, die sind schon Lichtjahre voraus, von dem, was gerade von Auftraggebern eingefordert wird. Das sind aber gerade mal zwei Hand voll der Betriebe, die hier vorweg gehen. Der Großteil unserer Branche lässt sich gerade von Dritten beeinflussen, wie ihre Digitalisierung aussieht. Und erfahrungsgemäß hat diese Form der Digitalisierung nicht den Zweck, die Prozesse der
Werkstätten zu verbessern oder die Arbeit zu erleichtern oder Synergien oder Vorteile für die Werkstätten zu erwirtschaften. Diese Digitalisierungsansätze führen am Ende zu Nachteilen in der Werkstatt und das kann ja nicht sein. Die Digitalisierung muss vom Betrieb ausgehen oder im besten Fall von uns als Verband ausgehen und nicht von den Auftraggebern. ___Wie gehen Sie jetzt mit der Situation um?___ __Peter Börner__: Ich nenne ein Beispiel. Es ist schon länger als sechs Jahre her, da hat die DAT FairGarage gekauft und wir haben gemeinsam sehr schnell den Nutzen der Webplattform für die Betriebe erkannt. Hier konnten sich die Betriebe präsentieren, Online-Terminbuchungen anbieten und der User konnte Kleinschäden kalkulieren lassen. Ich glaube, weniger als die Hälfte unserer Mitgliedsbetriebe hat damals verstanden, um was es uns da ging. Vielleicht waren wir unserer Zeit voraus. Jetzt kommen die Schadenlenker und rufen: Wir brauchen so einen Kalender. Und auf einmal rennt quasi die ganze Branche los, dem Auftraggeber hörig und folgt ihm. Darüber hinaus gibt der Betrieb jetzt wahnsinnig viel Geld aus, um sich Softwareprodukte anzuschaffen, die überhaupt nicht zur Werkstatt passen, sondern für ganz andere Zwecke entwickelt wurden. Dabei geht es nur um einen Besuchstermin, wie Thomas Geck das zugesagt hat. Ja Mensch, da wäre FairGarage die perfekte Lösung gewesen, wenn es um den Besichtigungs- und Reparaturabgabetermin geht. ___Was ist Ihre Erkenntnis aus dieser Entwicklung?___ __Peter Börner:__ Ich glaube der Verband kann verdammt viel, aber der Verband kann kein Produkt und kann keinen Vertrieb. Das sieht man an dem Beispiel FairGarage deutlich. Wir haben das Potenzial und die Konzepte wie EuroDFT, DfB, Repairpedia oder eben FairGarage – aber wir müssen erkennen, dass wir einen Partner benötigen, der unsere Ideen besser an die Mitgliedsbetriebe bringt. Daran arbeiten wir jetzt. Denn wir handeln immer im Interesse der Mitgliedsbetriebe. ___Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen. Wird sich die Digitalisierung in unserer Branche durchsetzen? ___ __Peter Börner: __Ganz sicher. Ich bin ein Freund der Digitalisierung, nutze die Vorteile selbst und sehe in meiner Familie, wie die junge Generation damit umgeht. Unser Leben wird noch viel digitaler werden. Wir werden deshalb nicht das gesamte Handwerk auf den Kopf zu stellen, aber bei der Digitalisierung muss man mitgehen – auch in unserer Branche. Grundsätzlich bin ich froh, dass es die Initiativen Dritter in unserem Markt gibt. Aber sie dürfen nicht zum Nachteil, sondern müssen überwiegend zum Vorteil für die Betriebe sein. ___Ganz kurz zum Schluss unseres Interviews noch Ihre Einschätzung zur aktuellen Marktlage im zweiten Jahr Corona-Krise. ___ __Peter Börner:__ Ich sehe derzeit, dass sich der Markt gerade mit rasanten Schritten erholt, das sieht man an dem Mobilitätsaufkommen auf unseren Straßen und an den Staumeldungen jeden Morgen. Ich will mal schwer hoffen, dass wir im August, spätestens September wieder auf die Gesamtwerte von 2019 zurückgekommen sind. ___Vielen Dank für unser Gespräch.___
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