2021-01-13T11:46:43+0000

Restaurierung: Neuer Glanz für „Josefine“

Die Restaurierung und Lackierung historischer Fahrzeuge erfordert nicht nur viel Liebe zum Detail, sondern auch Zeit und Können. Im Falle der Lackierung des Projektes „Turbuss Josefine“ war Zeit jedoch ein äußerst knappes Gut. ## Sieben Exemplare weltweit Doch von vorn: Josefine, das ist ein in den 60er Jahren in Norwegen gebauter Turbuss – norwegisch für Reise- und Ausflugsbus _(alle technischen Details finden Sie in der Infobox links)_. Ganze sieben Stück wurden von diesem Fahrzeug gebaut. Eines, wahrscheinlich das letzte erhaltene, ist im Besitz von Dr. Steffen Wachenfeld, einem Berliner Unternehmer mit großer Liebe zu automobilen Klassikern. ## Ein Projekt, vier Partner In einem einmaligen Kooperationsprojekt wird dieser Bus – liebevoll Josefine getauft – seit Februar 2020 restauriert. Der Besitzer, Dr. Steffen Wachenfeld, erklärt: „Die Aufbereitung des Busses war bereits mehrere Wochen im Gange, als das Projekt dem Vorbesitzer im Frühling 2020 corona-bedingt zu riskant wurde und zu scheitern drohte. Daraufhin habe ich das Projekt übernommen. Für mich war von Anfang an klar, dieser Bus hat – wenn man ihn richtig aufbereitet – die Chance etwas Besonderes zu werden und muss erhalten werden. In diesem Zuge entstand die Partnerschaft mit Glasurit.“ Der Lackhersteller wiederum holte das Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) Weiterstadt der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main mit ins Boot. „Eine elementare Bedingung unsererseits war, dass unser Partner World Skills in Person von Mariusz Dechnig – seines Zeichens der World Skills-Nationaltrainer für die Fahrzeuglackierer – das Projekt begleitet. Denn unser Ziel ist es, das Berufsbild des Fahrzeuglackierers zu stärken und jungen Menschen Spaß an diesem Beruf zu vermitteln“, erklärt Jürgen Book, Leiter Classic Cars bei Glasurit und anerkannter Oldtimer-Experte. Mariusz Dechnig ergänzt: „Natürlich habe ich nicht lange überlegt, als diese Anfrage kam. Für das Projekt habe ich gezielt fünf Fahrzeuglackierer-Auszubildende des aktuellen Lehrgangs angesprochen und sie waren sofort Feuer und Flamme.“ Trotz bester Voraussetzungen vor Ort sind die Räumlichkeiten des BTZ für ein Objekt dieser Größe nicht ausgestattet. Mit der Carl Friederichs GmbH in Frankfurt am Main kam deshalb der vierte Projektpartner mit großer Lackierkabine an Bord. „Mit Glasurit verbindet uns seit 60 Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit. Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, für diesen außergewöhnlichen Auftrag eine unserer großen Lackierboxen zur Verfügung zu stellen“, erklärt Geschäftsführer Stephan Berger. ## 1. Station: Ankershagen Nachdem die Formalitäten geklärt waren, ging es in die Praxis. „Unser Projektteam hat alle Arbeiten rund um Karosserie, Fahrwerk und Motor in den Hallen und mit Unterstützung der Bustechnik Maniacs GmbH in Ankershagen an der Mecklenburgischen Seenplatte durchgeführt“, erklärt Dr. Steffen Wachenfeld. In der auf die Instandsetzung von Mercedes-Bussen spezialisierten Werkstatt wurde Josefine einmal komplett bis auf das Rohgerüst zerlegt, entrostet, sandgestrahlt und technisch überholt. Insgesamt acht Monate, von Februar bis Oktober, hat die Rekonstruktion gedauert. „Das Fahrzeug ist von unten bis zu den Fenstern komplett neu aufgebaut und danach neu beplankt
worden“ erklärt Oliver Köppel aus dem Turbuss-Team, der persönlich bereits weit über 1.000 Stunden in die Restaurierung und teilweise Rekonstruktion investiert hat. ## Festlegung des Designs Im Rahmen des Wiederaufbaus sollte Josefine auch ihr ursprüngliches Gewand zurück erhalten. Die Recherche von Glasurit mit dem Mercedes-Benz Classic Archiv ergab, dass es damals keine Standardfarben gab. „Die Busse wurden nach der Farbvorgabe der Besteller lackiert und jede Linie oder jeder Besteller hatte eigene Farbwünsche“, so Lackexperte Jürgen Book. Gemeinsam mit dem Turbuss-Team um Steffen Wachenfeld habe man sich schließlich auf ein Design geeinigt, das sich an historischen Vorgaben orientiert. Designerin Anne Gutberlet aus dem Turbuss-Team ergänzt: „Wir haben einen sehr hohen Anspruch und sind sehr froh über Glasurit den Zugang zu den authentischen in den 60er-Jahren verwendeten Mercedes-Farbtönen zu haben.“ ## 2. Station: Weiterstadt Die Lackierung der Karosse übernahmen BTZ-Ausbilder Mariusz Dechnig und sein Team aus angehenden Gesellen: Tonino Marciante, Junaid Ahmed, Aron Rossem Tadese, Mohamed Moaaz und Ennur Yildiz. Hierfür wurde der Turbuss Mitte Oktober per Tieflader nach Weiterstadt transportiert, wo die Vorarbeiten gemacht wurden. Für die fünf Auszubildenden hieß das vor allem: Schleifen im Akkord. Denn laut Zeitplan sollte der Bus bereits eine Woche später in der Lackierkabine stehen. Das Team startete im Innenraum: Dieser wurde geschliffen, gespachtelt, geschliffen, anschließend grundiert und geschliffen und zuletzt mit Spritzspachtel versehen und erneut geschliffen. Anschließend ging es mit der Außenseite weiter. Dabei mussten die Schüler akribisch darauf achten, die Metall- und Aluminiumteile getrennt voneinander zu bearbeiten. „Durch herumfliegende Schleifpartikel kann es im Zweifel zu Kontaktkorrosion kommen, das wollten wir vermeiden“, erklärt Ausbilder Mariusz Dechnig. Analog zum Innenrahmen wurden also erst die Außenstahlteile bearbeitet. „Danach haben wir diese abgedeckt und die Aluminiumteile geöffnet, angeschliffen und gespachtelt“, so der Nationaltrainer weiter. Zuletzt wurde auf der kompletten Außenseite Grundfüller PRO aufgetragen. Bei der Bearbeitung des Daches drohte der ohnehin schon knappe Zeitplan schließlich zu kippen: „Beim Anschliff des Füllers auf dem Dach kam Korrosion im Bereich der Übergänge von Aluminium zu Stahl zum Vorschein. Daher haben wir uns entschieden, das Dach in diesen Bereichen abzuschleifen und die Nahtabdichtungen zu erneuern“, erklärt Mariusz Dechnig. Um den Zeitplan zu halten, legte der Ausbilder kurzerhand selbst Hand an. „Wir haben in dieser Woche noch einmal viel dazu gelernt. Herr Dechnig hat alles genau erklärt und uns viele Tipps gegeben“, erzählt Tonino Marciante im Gespräch mit schaden.news. Muskelkater gab es inklusive. „Das war die härteste Woche der gesamten Ausbildung“, resümieren die Nachwuchslackierer. Entsprechend viel Lob gab’s vom
Ausbilder für die Leistung seiner Schützlinge: „Die Jungs haben wirklich alles gegeben und eine super Vorarbeit geleistet.“ ## 3. Station: Frankfurt, Fa. Carl Friederichs GmbH Doch zum Ausruhen blieb keine Zeit. Denn nun galt es, Josefine neuen Glanz zu verleihen – und das in nur fünf Tagen! Begonnen wurde wieder mit dem Innenraum. Dieser wurde mit Nass-in-Nass-Füller gefüllert und anschließend mit Einschicht-Decklack der Reihe 22 auslackiert. Am zweiten Tag erhielten das Dach und die Außenfronten einen neuen Anstrich in Rot metallic und Hellelfenbein, das als Basiston für die folgenden Farben diente _(die detaillierte Auflistung aller verwendeten Materialien finden Sie in der Infobox links)_. Am Folgetag galt es beim Anschliff der beigen Außenflächen mit besonderer Sorgfalt zu arbeiten, um keine Durchschliffstellen zu verursachen. Entsprechend der Designvorlage wurden anschließend die Flächen mit geplotterten Folien abgeklebt, die Linien und Streifen mit Zierlinienband maskiert und schließlich in Ikonengold und Rotmetallic lackiert. ## „Außergewöhnliche Leistung“ Rund 550 Stunden Arbeit haben die Lehrlinge und ihr Ausbilder in diesen zwei Wochen geleistet. Für die angehenden Gesellen ein ganz besonderes Erlebnis, wie Ennur Yildiz im Gespräch mit schaden.news erzählt: „Nicht jeder Auszubildende bekommt die Chance an so einem Projekt mitzuarbeiten. Parallel auf beiden Seiten gleichzeitig von Hebebühnen aus zu Lackieren, ist schon etwas Besonderes.“ In nur zwei Wochen schafften die Schüler und ihr Lehrer das, was normalerweise erheblich länger dauern sollte: Die Lackierung eines kompletten Oldtimer-Busses. „Dieser knappe Zeitrahmen war in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung. Die Prozesszeiten in der Oldtimerlackierung sind meist erheblich länger, denn bei der Lackierung historischer Fahrzeuge ist es wichtig den Lackschichten genug Zeit zur tatsächlichen Aushärtung und Lösemittelausdunstung zu geben. Deshalb sind für derartige Aufbauten mit 2-K-Lacken mehrere Tage für die Durchtrocknung einzuplanen, damit es später nicht zu Beifallerscheinungen kommt“, betont Classic Car-Leiter Jürgen Book. „Dennoch ist das Ergebnis hervorragend und alle Beteiligten können mit Stolz auf das Erreichte blicken. Das Engagement von Mariusz Dechnig ist außergewöhnlich und hat dieses Projekt überhaupt möglich gemacht“, ergänzt der Experte. ## Zurück nach Ankershagen Nach Abschluss der Lackierarbeiten wurde Josefine Ende Oktober 2020 nach Ankershagen zurückgebracht, wo sie weiter zusammengesetzt und danach ausgebaut wird. „Ich hatte Josefine kurz nach Ostern zum ersten Mal komplett zerlegt als Gerippe in einer Halle gesehen und meine Freunde haben mich für verrückt erklärt, dieses Projekt zu übernehmen. Aber: Das Vertrauen hat sich gelohnt, das Restaurierungsteam hat hervorragende Arbeit geleistet. Tolle Farben und gute Arbeit bis ins Detail“, lobt der Besitzer Dr. Steffen Wachenfeld. ## Die Zukunft für „Turbuss Josefine“ Doch Josefine soll in Zukunft nicht nur mit ihrem Äußeren strahlen, sondern auch mit einer ganz besonderen Innenraumgestaltung. Verantwortlich sind hierfür – ebenso wie für die Außengestaltung – die Projektleiter Anne Gutberlet und Oliver Köppel vom [Berliner Gestaltungskollektiv quando quando](http://quandoquando.org/). Josefine, für die Auftritte auf der Techno Classica im April sowie der Automechanika im September 2021 vorgesehen sind, soll im Innenraum hinten eine Panorama-Küche und in der Mitte einen gemütlichen Sitzbereich bekommen. [Weitere Informationen zum Turbuss Josefine und wo Sie diesen einmal live in Augenschein nehmen können, erfahren Sie hier.](http://www.turbuss.de/)
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