2020-11-11T12:55:01+0000

Quotenvorrecht: Wenn aus dem Kasko- auch ein Haftpflichtfall wird

Für Laien ist das Quotenvorrecht wohl eines der größten Mysterien im Schadenrecht. Dabei ist es zugleich „eine der wichtigsten Grundregeln, die Werkstätten und Autohäuser bei der Abwicklung kennen sollten“, betont Dr. Wolf-Henning Hammer, Rechtsanwalt der auf Verkehrsrecht spezialisierten ETL Kanzlei Voigt Rechtsanwalt GmbH. ## Wann greift das Quotenvorrecht? „Die typische Konstellation sind Schäden auf Parklätzen und Speditionshöfen. Hier parken häufig zeitgleich zwei Autos aus und kollidieren miteinander“, weiß der Experte Dr. Wolf-Henning Hammer. Obgleich die Schadensbeteiligten ihren jeweiligen Schaden durch das Quotenvorrecht oftmals nahezu egalisieren können, werden die einschlägigen Unfälle zu 90 Prozent falsch, nämlich allein über die Vollkasko abgerechnet, führt er weiter aus. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Geschädigte, Werkstätten oder Autohäuser auf erhebliche Ansprüche verzichten und Leistungen – die Ihnen rein rechtlich zustehen würden – nicht erstattet bekommen. Dass es sich dabei nicht um Lappalien handelt, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die quotenbevorrechtigten Ansprüche Abschlepp-, Reparatur- und Sachverständigenkosten oder die Selbstbeteiligung aus der Reparatur und die Wertminderung umfassen. Positionen wie Mietwagenkosten, Nutzungsentschädigungen oder Kostenpauschalen gehören allerdings nicht dazu. ## Bares Geld geht verloren Warum der Werkstattkunde bares Geld verliert – so er das Quotenvorrecht nicht kennt – rechnet der Experte vor: „Bekanntermaßen gibt es zwei Möglichkeiten, den Schaden abzuwickeln – über die Vollkaskoversicherung oder über die gegnerische Haftpflicht. Bei einer Schadensumme von 5.000 Euro mit einer Selbstbeteiligung von 500 Euro, zuzüglich Gutachterkosten, Wertminderung und Mietwagenkosten von je 500 Euro sowie Nebenkosten in Höhe von 25 Euro ergibt sich eine Gesamtschadensumme von 6.525 Euro.“ Im Falle einer Abrechnung über die Vollkaskoversicherung bekomme der Kunde, laut Rechtsanwalt, rund zwei Drittel dieser Summe, nämlich 4.500 Euro ersetzt. Bei der Abrechnung über die gegnerische Haftpflicht sogar nur die Hälfte. ## Wie funktioniert‘s? „Im optimalen Fall werden jedoch beide Versicherungen in Anspruch genommen“, führt Dr. Wolf-Henning Hammer aus und erklärt: „Denn weder die eigene Vollkasko noch die gegnerische Haftpflicht sollen davon profitieren, dass es den jeweils anderen Versicherer gibt.“ Das heißt im Klartext: „Der Kunde beansprucht die gegnerische Haftpflicht mit 50 Prozent und die eigene Kaskoversicherung nach dem Quotenvorrecht mit den
verbleibenden 50 Prozent.“ Im Ergebnis fehlen dem Werkstattkunden dann nur noch 262,50 Euro, „weil die Kaskoversicherung eben keine Mietwagen- und Nebenkosten übernimmt.“ ## Tipp: Schadensteuerung umgehen Das Quotenvorrecht hat in den Augen des Rechtsexperten aber noch einen weiteren, entscheidenden Vorteil: „Mit dem Quotenvorrecht umgehen Werkstätten und Autohäuser das Thema Steuerung im Kaskofall. Sie können somit Schadengutachten selbst vergeben, die sonst im Kasko-Fall häufig vom Versicherer in Auftrag gegeben werden.“ Auch eventuell bestehende Werkstattbindungstarife seien in einem solchen Fall nicht gültig, ergänzt Dr. Wolf-Henning Hammer. Und nicht zuletzt erfolge die Reparatur nach den eigenen Stundenverrechnungssätzen der jeweiligen Werkstatt. Der Profi rät deshalb: „Ziehen Sie, wann immer eine Teilschuld bei einem Unfallschaden besteht, die Abrechnung nach Quotenvorrecht in Betracht!“
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