2020-05-19T12:07:23+0000

Corona-Krise: Wohin dreht der Schadenmarkt?

In der Branche rücken nach den direkten Auswirkungen der Pandemie auf K&L-Betriebe nun immer stärker die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen in den Mittelpunkt. Werkstattausrüster aber auch Schadensteuerer fragen sich: Welches Niveau wird das Reparaturvolumen im Unfallschadenmarkt künftig erreichen? Dabei geht es vor allem um die drohende Rezession, die nach Einschätzungen vieler Gesprächspartner von schaden.news gerade den Flottenmarkt hart treffen wird. Der Straßenverkehr nimmt derweil in Deutschland wieder zu. Nach Angaben von [Apple Maps im „Mobility Trend“](https://www.apple.com/covid19/mobility) beträgt der Rückgang im Vergleich zum Beginn des Jahres aktuell minus 12 Prozent. Damit steht Deutschland anders als andere europäische Länder noch recht gut da. In Italien (-54%) und Spanien (-67%) kommt der Straßenverkehr nach wie vor nur langsam in Fahrt. Allerdings gibt es in Deutschland starke regionale Unterschiede. Während in Frankfurt zurzeit 19 Prozent weniger Auto gefahren wird, verzeichnet Apple Maps in Köln immer noch ein Minus von 30 Prozent, in Berlin ein Minus von 23 Prozent und in Hamburg ein Minus von 20 Prozent. ## Innovation Group: Weiterhin 16 Prozent weniger gesteuertes Reparaturvolumen Die Normalisierung des Schadenmarktes scheint in dieser Woche (19.05.) eher auf der Stelle zu treten. Das zeigt zumindest das wöchentliche Update des Schadensteuerers Innovation Group. Im Corona-Gespräch mit schaden.news nannte der Vorstandsvorsitzende Matthew Whittall wieder aktuelle Zahlen: „Das von uns gesteuerte Reparaturvolumen verharrt derzeit auf dem Niveau der Vorwoche. Der Rückgang beträgt demnach erneut minus 16 Prozent, verglichen mit der Situation vor dem Shutdown.“ In Stuttgart registriert man die Lage aufmerksam, da sich nun die Frage stellt, auf welchem Niveau sich das Reparaturvolumen mittelfristig einpendelt? Nach Angaben von Matthew Whittall melden die Kfz-Versicherer momentan deutlich weniger neue Unfallschäden, trotz wieder ansteigendem Straßenverkehr. Die vor dem Shutdown aufgelaufenen Reparaturaufträge seien mittlerweile größtenteils von den Kooperationsbetrieben abgearbeitet, so der Vorstandsvorsitzende. Unklar sei nun, in welche Richtung sich der Schadenmarkt und das Reparaturvolumen dreht. ## Keine Änderung des Mobilitätsverhaltens nach der Krise? Wie sich das Mobilitätsverhalten der Deutschen nach der Corona-Krise ändern wird, davon hängt auch im Unfallreparaturmarkt vieles ab. Denn steigt der Individualverkehr, wird es durch das Autofahren schätzungsweise mehr Unfallschäden geben und in Folge dessen auch das Reparaturvolumen wieder zunehmen – heißt die Annahme vieler Experten. [Einen ersten Hinweis darauf liefert eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov, die in der vergangenen Woche (13.05.) von dem Kfz-Versicherer HUK-Coburg veröffentlicht wurde.](https://schaden.news/de/article/link/41679/huk-studie-mobilitaetsverhalten) Dort heißt es: „Zwei von drei Befragten (67 Prozent) gehen laut Umfrage nicht davon aus, dass die Corona-Krise ihr Mobilitätsverhalten langfristig verändert: Sie werden auch nach der Corona-Krise überwiegend das Auto verwenden, um von A nach B zu kommen.“ ## Audatex verzeichnet im April 15 bis 20 Prozent weniger Schaden-Traffic Für Erik Jahn, Mitglied der Geschäftsleitung bei Audatex AUTOonline in Deutschland, ist
noch nicht absehbar, wie sich das Mobilitätsverhalten der Deutschen nach der Pandemie weiter entwickelt. Klar ist für ihn jedoch, dass das Corona-Tal in Sachen Reparaturvolumen vorerst durchschritten ist. „Bei uns ist das Geschäft nicht dramatisch in die Knie gegangen“, berichtet er im persönlichen Redaktionsgespräch mit schaden.news in Leipzig. „Der Traffic im April war natürlich auch bei uns spürbar“, konkretisiert Erik Jahn seine Erfahrung. In der Berliner Zentrale findet ein tägliches Monitoring des Reparaturgeschehens während der aktuelle Corona-Krise statt. „Im April verzeichneten wir 15 bis 20 Prozent weniger Schadenkommunikation im Vergleich zum starken Monat Februar.“ Doch bereits seit Anfang Mai zeige sich laut Audatex AUTOonline, dass die Schadenkalkulationen im Markt wieder zunehmen. ## Mechanik: Kaum Verschiebung von Markenwerkstätten auf freie Betriebe Das Werkstattnetz von Global Automotive Service (G.A.S.) mit seinen rund 1.700 freien Kfz-Betrieben ist nach Angaben von G.A.S.-Chef Andreas Brodhage bisher gut durch die Corona-Krise gekommen. „Natürlich haben auch wir gerade im April einen Einbruch bei Flotte und Leasing verzeichnet“, heißt es in der Zentrale in Dorsten. „Doch aufgrund der systemrelevanten Fuhrparkbetreiber aus den Bereichen Sozialdienstleistungen und Logistik verlief die Auftragsentwicklung relativ stabil.“ Obwohl es hier mehr Schäden, Inspektion und Wartung gab, ging das Volumen insgesamt bei G.A.S. um zwischen 15 bis 20 Prozent vor allem im Bereich Mechanik zurück. Andreas Brodhage: „Im Autoservice hat es unserer Erfahrung nach trotz geschlossener Autohäuser im März und April kaum Verschiebungen von Aufträgen auf freie Betriebe gegeben.“ Auch bei Global Automotive Service spürt man nun die Lockerungen der Beschränkungen, die zur Eingrenzung der Corona-Pandemie getroffen wurden. Das Geschäft zieht seit Mai wieder leicht an. Grundsätzlich gelte auch für G.A.S.: „In schlechten Zeiten müssen Unternehmen einen Schritt nach vorne gehen und sich mit der Situation aktiv auseinandersetzen, um weiterhin Anerkennung und Wertschätzung aus Ihrem Handeln in Auslastung umzusetzen.“ ## Werkstattausrüster diskutieren mittelfristige Folgen für den Unfallschadenmarkt In einer Video-Konferenz mit den Werkstattausrüstern SATA, WOLF, SIKA sowie Horn & Bauer sprach schaden.news Chefredakteur Christian Simmert mit Sebastian Scholz, Jürgen Sterzik, Jochen Gaukel und Karsten Grötecke über die mittelfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Branche. Das veränderte Mobilitätsverhalten wirke sich nach Einschätzung der Zulieferer demnach eher negativ auf die Schadenentwicklung aus. Mittelfristig rechnen einige Vertriebschefs mit einem Rückgang des Schadenvolumens von 5 bis 10 Prozent. Treiber dieser Entwicklung sei vor allem der Flottenmarkt. „Die Rezession und das Arbeiten im Homeoffice sorgen künftig dauerhaft für weniger Verkehr“, hieß die Einschätzung in dem Gespräch. „Da gewerbliche Zulassungen rund zwei Drittel des gesamten Fahrzeugmarktes ausmachen, wird diese Entwicklung auch spürbare Auswirkungen auf den Schadenmarkt haben.“ Auch rechnen die Werkstattausrüster mit einer Konsolidierung in der Branche, dessen Ausmaß derzeit allerdings kaum absehbar sei. Mit Sorgen wird das momentan aufgrund der Corona-Krise ausgehebelte Insolvenzrecht gesehen. „Hier könnte es Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres ein böses Erwachen geben.“ Die Auftragslage bei den Werkstattausrüstern ist aktuell sehr unterschiedlich. Während
Verbrauchsmaterial vor allem im Monat April eher kaum gekauft wurde, verzeichneten Produkte, die für die persönliche Schutzausrüstung benötigt werden, wie Atem- aber auch Infektionsschutz, weiterhin starken Absatz. ## 3M: Lage im Schadenmarkt sehr verschieden Diese Entwicklung bestätigte auch Stefan Peerenboom, Regional Sales & Marketing Manager Aftermarket Division bei 3M im Gespräch mit schaden.news. Nach wie vor sind Atemschutzmasken sehr stark gefragt. „Wir beliefern vordringlich vor allem die systemrelevanten und besonders kritischen Bereiche wie das Gesundheitswesen. Daher kann es nach wie vor zu Engpässen von bestimmten Produkten im Automotive Aftersales Markt kommen.“ Der Bedarf und die Nachfrage sei vor allem nach Einführung der Maskenpflicht noch einmal gestiegen, heißt es bei 3M in Neuss. Die wirtschaftliche Lage in der Branche bewertet Stefan Peerenboom differenziert. „Wir sehen in Deutschland ein sehr unterschiedliches Bild der Entwicklung im Schadenmarkt. In vielen Regionen geht bereits wieder mehr, in anderen Regionen noch nicht.“ Grundsätzlich spüre 3M jedoch eine „gewisse Aufbruchstimmung“. Auch im eigenen Team. „Noch ist unser Außendienst vor allem im Homeoffice, wir planen zurzeit jedoch eine Rückkehr zu etwas mehr Normalität, um Kundenbesuche wieder zu ermöglichen.“ Karosserie- und Lackierbetriebe würden nach Angaben von 3M jetzt teilweise vermehrt danach fragen. Zu mittelfristigen Auswirkungen nach der Corona-Krise zeige sich für 3M noch kein klares Bild, meint Stefan Peerenboom: „Der Verkehr nimmt zwar spürbar wieder zu, damit müssten auch die Anzahl der Schäden wieder steigen. Es ist allerdings noch zu früh, um tragfähige Schlüsse daraus zu ziehen.“
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