2020-05-13T12:49:43+0000

Wie ticken junge Unternehmer?

„Die Corona-Krise wird einen gesellschaftlichen Wandel hervorrufen. Einiges wird sich ändern und darauf müssen wir uns einstellen“, betonte Michael Seidel, Inhaber von Seidel Karosserie aus Mainaschaff vor einigen Wochen im Video-Chat mit schaden.news. Doch der 35-Jährige sieht diesen Wandel keinesfalls als Gefahr für die Branche, sondern als Chance – ebenso wie Michaela Müller, Inhaberin der BMK Müller GmbH, Andrea Del Polito, Betriebsleiter bei der Thedens GmbH und Inhaber Christian Köck von der Erwin Köck Karosserie + Lackiererei. Gleichwohl die Corona-Krise auch bei ihnen für Umsatzeinbrüche gesorgt hat, sehen sie positiv in die Zukunft. ## Andere Wege einschlagen Die vier sind Mitglieder im 2017 vom Lackhersteller PPG mit seiner Lackmarke Nexa Autocolor gegründeten Querdenkerkreis. Einem Zusammenschluss aus 23 jungen Betriebsleitern und -inhabern zwischen 26 und 42 Jahren. Ihr Ziel: neue Wege einschlagen und die teils festgefahrenen Strukturen in der K&L-Branche und in den Betrieben selbst aufbrechen. Wie? Mit neuen Ansätzen, innovativen Ideen – indem sie „quer“ denken. Die Nachwuchsarbeit steht dabei im Fokus, aber auch Themen wie Prozessoptimierung und Digitalisierung in der Werkstatt werden intensiv diskutiert. ## Arbeitskreis sucht neue Ansätze „Wir haben alle die gleichen Probleme, die gleichen Sorgen: wie können wir uns zukunftsorientiert aufstellen? Unser Ziel ist es, Ansätze und Ideen zu entwickeln, die allen helfen – nicht nur den Mitgliedsbetrieben des Querdenker-Kreises, sondern der Branche insgesamt“, erklärt Andrea del Polito im Gespräch. Vor diesem Hintergrund hat sich innerhalb des Querdenker-Kreises der Arbeitskreis „Mitarbeiterfindung und Ausbildung“ gebildet, der sich intensiv mit Fachkräfte- und Azubimangel beschäftigt. „Wir überlegen einerseits, wie wir den Beruf interessanter für künftige Lehrlinge machen können. Auf der anderen Seite steht die Mitarbeiterpflege, um diese im Betrieb zu halten“, erklärt Christian Köck. ## Neuer Imagefilm in Arbeit In ihren zweimal jährlich stattfindenden Treffen und natürlich auch in der täglichen Arbeit haben die Querdenker vor allem eins festgestellt: „Die Ausbildungsberufe Fahrzeuglackierer und Karosseriebauer sind einfach zu unbekannt“, erklärt Michaela Müller. Die Betriebsinhaberin ist auch als Obermeisterin der Karosserie- und Fahrzeugbauer-Innung Ludwigsburg aktiv, und versucht in dieser Funktion Aufklärungsarbeit in puncto Nachwuchsgewinn zu leisten – [so zum Beispiel auch beim Deutschen Lackierertag im Januar.](https://schaden.news/de/article/link/41453/deutscher-lackierertag-2020-diskussionsrunde) „Wir müssen stärker auf die Zielgruppe eingehen“, ist sich auch Michael Seidel sicher, der seit November als Obermeister in der Karosseriebau-Innung Unterfranken aktiv ist. Das Medium Film eigne sich hier besonders gut. Deswegen haben die Querdenker
angestoßen, einen neuen Imagefilm zu produzieren. Dieser wird aktuell bei Seidel Karosserie gedreht. Michael Seidel verrät: „Der Dreh erfolgt in Eigeninitiative. Das Material wollen wir dann in die Innungen und Verbände tragen und diese ermutigen, damit zu arbeiten.“ Im Film spricht unter anderem der Karosseriebau-Azubi der Firma Seidel über seine Arbeit und was ihn an dem Beruf begeistert. Übrigens: Michael Seidel und seine Mitarbeiter sind in Sachen Filmdreh durchaus erprobt. [Zum 1. Mai veröffentlichten sie auf Facebook ein Video zum Hit „Bruttosozialprodukt“.](https://www.facebook.com/SeidelKarosserie/videos/2425488530885220/) ## Mitarbeiter an den Betrieb binden Doch die Mitglieder des Querdenker-Kreises wissen, es reicht nicht, Azubis zu finden – die Betriebe müssen diese auch an sich binden. „Wir haben für unsere Auszubildenden beispielsweise ein Austauschprogramm mit Nexa Autocolor ins Leben gerufen“, betont Andrea del Polito. Bei Seidel Karosserie wurde ein spezielles Praktikantenprogramm entwickelt und Michaela Müller wertschätzt die Leistungen ihrer Mitarbeiter unter anderem mit einem Bonusprogramm. ## Aus den Erfahrungen anderer lernen Neben diesen branchenumfassenden Themen geht es im Querdenker-Kreis aber vor allem um eins: gemeinsam voneinander lernen. „Wir stehen im permanenten Austausch miteinander. Wenn ein Mitglied ein fachliches Problem im Werkstattalltag hat, schreibt er dies beispielsweise in unsere Whatsapp-Gruppe, wo er sofort Hilfe oder Tipps von den anderen bekommt“, erklärt Inhaber Christian Köck. Besonders wertvoll seien in diesem Zusammenhang die zweimal jährlich stattfindenden Tagungen, die jeweils mit dem Besuch eines Mitgliedsbetriebes verbunden werden. Ziel dieser Betriebsbesuche ist dabei der Blick über den sogenannten Tellerrand: Wie sind Prozesse und Arbeitsabläufe geregelt, wie sind Werkstatt und einzelne Arbeitsplätze aufgebaut, mit welchen Produkten wird gearbeitet und wie sind die Erfahrungen damit. Christian Köck betont: „Das Besondere ist dabei, dass wir uns wirklich gegenseitig voranbringen wollen. Es gibt keine Missgunst unter den Mitgliedern. Bei allen steht der Optimierungsgedanke im Vordergrund.“ Auch der Gastgeber selbst erhält dabei wertvolle Impulse, wie Michael Seidel verrät: „Nachdem ich meinen Betrieb vorgestellt habe, habe ich beim Abkleben auf Folie umgestellt – auf Anregung von Michaela Müller. Ein kleiner Schritt, mit dem wir inzwischen viel Arbeitszeit einsparen.“ ## Gemeinsam durch die Krise „Ganz besonders jetzt in dieser Corona-Zeit erleben wir, dass der offene Austausch unter den Querdenkern stattfindet, untereinander werden Sorgen und Nöte geteilt, aber auch Ideen und Maßnahmen werden vermittelt“, betont Jochen Kleemann, National Sales Director bei PPG, der den Querdenker-Kreis betreut. Persönliche Treffen sind zwar aktuell aufgrund der Corona-Krise nicht möglich, dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch tut dies jedoch keinen Abbruch. In den letzten acht Wochen haben die Querdenker zwei Online-Tagungen veranstaltet, um ihre Arbeit weiter voranzutreiben.
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