2023-05-10T11:39:49+0000

Notfallkoffer: „Nur ein Bruchteil der Betriebsinhaber hat für den Ernstfall vorgesorgt“

Es muss ja nicht gleich der schlimmste Fall eintreffen. Auch eine Krankheit mit einem längeren Krankenhausaufenthalt kann dazu führen, dass ein Betrieb handlungsunfähig wird, weil der Geschäftsführer nicht mehr agieren kann. „Jedoch hat nur ein Bruchteil aller Betriebsinhaber tatsächlich für diesen Fall vorgesorgt“, weiß Unternehmensberaterin Marina Markanian von der bpr Mittelstandsberatung in Dortmund aus Erfahrung. Der größte Hinderungsgrund ist ihrer Meinung nach der damit verbundene Kostenpunkt. „Zudem wollen sich viele nicht mit dem vermeintlich negativen Thema beschäftigen.“ Dennoch, weiß die Expertin, kann ein sogenannter Notfallkoffer dazu beitragen, die Geschäfte auch ohne den Chef weiterzuführen – und das Unternehmen im besten Fall vor dem Bankrott bewahren. ## Der Chef ist weg – das Unternehmen steht Kopf Die Unternehmensberaterin schildert zwei Beispiele. Im, ersten Fall erlitt ein Betriebsinhaber mit mehreren Filialen einen Herzinfarkt und war anschließend über ein halbes Jahr nicht arbeitsfähig. Im zweiten Fall verstarb der Mitgeschäftsführer eines Unternehmens. Er war zuvor operativ tätig. „Da kein anderer Mitarbeiter je diese Aufgabe übernommen hat, waren die notwendigen Abläufe diesbezüglich im Betrieb unklar. Die Firma geriet finanziell in die Schieflage – die anschließende Sanierung war sehr aufwändig.“ ## Vollmachten, Passwörter, Besitzverhältnisse Doch was gehört denn nun alles in den Notfallkoffer? „In jedem Fall sollte der Betriebsinhaber alle Vollmachten vollständig ausfüllen und unterschreiben. Zudem ist es ratsam, wichtige Passwörter, beispielsweise für Serverzugänge oder Programme, Zweitschlüssel für den Betrieb an einem Ort abzulegen“, führt die Expertin aus. Zudem empfiehlt sie, eine aktuelle Vollmacht für einen Mitarbeiter auszustellen, der zumindest übergangsweise die Geschäfte führen soll. Weiterhin gehören sämtliche Unternehmensunterlagen, wie Verträge, Versicherungspolicen, Bilanzen und Steuererklärungen der letzten drei Jahre, in den Notfallkoffer. Und noch einen Tipp gibt die Unternehmensberaterin: „Klären Sie die Besitzverhältnisse! Denn auch das Thema Erbrecht spielt eine nicht unerhebliche Rolle im Notfall: Wem gehört der Betrieb, wenn der Inhaber verstirbt?“ Dafür sollten Betriebsinhaber einen Blick in ihre Verträge werfen, denn hierbei gelten bei einer GmbH andere Regeln aus bei einer GbR. ## Unternehmensprozesse auf dem Prüfstand Im Zuge der Erstellung eines Notfallkoffers empfiehlt Marina Markanian, auch die Prozesse und Aufgaben, die im Normalfall von den Geschäftsführern durchgeführt werden, klar anderen Mitarbeitern zuzuweisen und sie rechtzeitig – also bevor ein Notfall eintritt – auch in diesen Bereichen zu unterweisen. Dabei sollten sich Chefs zunächst drei klare Fragen stellen: „Sind außer Ihnen noch andere Personen an wichtigen betrieblichen Entscheidungen beteiligt? Gibt es neben Ihnen noch mindestens eine weitere Person im Unternehmen, die über alle wichtigen Sachverhalte informiert und entscheidungsbefugt ist? Kann das Tagesgeschäft für Wochen auch ohne Ihr Zutun reibungslos weiterlaufen, ohne dass entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden?“ „Gerade, wenn der Chef sich näher mit dem Thema beschäftigt und die Prozesse und Aufgabenverteilung gedanklich einmal durchspielt, entdeckt er den einen odern anderen Flaschenhals, den er von vornherein aus dem Weg räumen kann“, berichtet Marina Markanian aus Erfahrung. ## Positive Nebeneffekte Neben dem Blick auf die Strukturen innerhalb des Unternehmens bietet die Erstellung eines Notfallkoffers übrigens noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Bei einem Bankenrating fließt ein strukturiertes Notfallmanagement als weicher Faktor positiv in die Bonitätsbewertung mit ein und hat so direkten Einfluss auf die Kreditkonditionen“, erklärt die Unternehmensberaterin abschließend.
Ina Otto