2023-01-18T12:38:08+0000

„Ich wollte raus aus dem Alltagsgeschäft, um Zeit für kreative Projekte zu haben“

„Mit 50 hör ich auf“: Holger Schmidts Entschluss stand schon seit einigen Jahren fest. Im vergangenen Jahr hat er ihn in die Tat umgesetzt, seinen Job gekündigt und nimmt jetzt individuelle Aufträge für Airbrush- und Lackierarbeiten an. Der Grund dafür war nach Aussagen des Fahrzeuglackierers ganz einfach: 30 Jahre lang habe er als Geselle in verschiedenen K&L-Betrieben gearbeitet. „Ich bin allerdings ein sehr kreativer Mensch“, berichtet er. Als solcher sei er aber immer wieder bei einigen Arbeitgebern angeeckt und letztendlich weitergezogen, weil er im Alltagsgeschäft nicht die Erfüllung seines Lebenstraums sehen konnte. Denn die Unfallschadenreparatur lasse nur wenig Raum für Kreativität. „Bis zu meiner Selbstständigkeit hatte ich mir immer Urlaub genommen, um kreative Projekte umsetzen zu können“, berichtet er. In der Branche kennen viele Holger Schmidt unter seinem Künstlernamen „Candyman“. Zweimal hintereinander, 2021 und 2022, trat er beim Body & Paint Contest auf der Automechanika Frankfurt für das Team Glasurit an. Im vergangenen Jahr belegte er bei dem Wettbewerb den dritten Platz. ## Win-win-Situation für beide Seiten Mitte 2022 wagte Holger Schmidt den Schritt in die Selbstständigkeit. Nach vergeblichen Versuchen, eine Halle zu einem auskömmlichen Mietpreis zu finden, erhielt er von seinem ehemaligen Chef von Karolack Hattingen das Angebot, sich direkt über der Werkstatt einzumieten. Nach mehreren Monaten Koexistenz unter einem Dach zieht Fahrzeuglackierer Holger Schmidt ein positives Fazit: „Es ist eine Win-win-Situation für uns beide. Denn ich drehe erst auf, wenn die anderen nicht mehr weiterkommen.“ Vor allem Effektlacke und individuelle Kundenwünsche seien seit jeher seine Leidenschaft. Gerade diese Aufträge seien aber für einen K&L-Betrieb im klassischen Unfallschadengeschäft unrentabel. Hier ergänzen sich der K&L-Betrieb im Erd- und der Airbrush- und Lackdesigner im Obergeschoss gegenseitig, findet Holger Schmidt. ## Flakes, Ghost-Paintings und filigrane Airbrush-Techniken Sein Wissen über spezielle Lackiertechniken habe sich der 51-Jährige in den vergangenen drei Jahrzehnten angeeignet. „Ich sauge jegliches Wissen dazu auf wie ein Schwamm“, beschreibt er. So habe sein ehemaliger Arbeitgeber kürzlich den Tank einer Harley Davidson zum Lackieren an ihn abgegeben. „Um so etwas beschichten zu können, damit es aussieht wie original ab Werk, musst du denken und lackieren wie ein Amerikaner – und auch die richtigen Materialien einsetzen.“ Unter anderem arbeitet der Fahrzeuglackierer mit Lacken von Glasurit. Bei der Beschreibung der Lackiervorgänge ist Holger Schmidt sofort wieder in seinem Element, verweist auf Flakes, Ghost-Paintings und filigrane Airbrush-Techniken. ## Vom Werbeschild über Give-Aways bis zur Kleinserie Der Fahrzeuglackierer weiß jedoch: „Von Airbrush allein kann ich nicht leben.“ Und so stellt er sich in seinem Studio breit auf. Neben den individuellen Arbeiten an Fahrzeugen produziert er Werbeschilder, lackiert außergewöhnliche Give-aways für regionale und überregionale Firmen und nimmt auch Kleinserien an. So hat er kürzlich unter anderem in einen Schneid- und Gravurlaser investiert. Derzeit arbeitet der Lackdesigner zudem an verschiedenen Prototypen, um sein Leistungsportfolio professionell zu vermarkten. Bei allem Eifer bleibt der Fahrzeuglackierer aber realistisch: „Ein bisschen Risiko ist immer dabei, gerade jetzt, mit hohen Energie- und Materialpreisen. Deshalb baue ich mein Geschäft langsam und mit Bedacht auf. Und renne keinen Luftschlössern hinterher.“ Im Video in der Infobox nimmt Sie Holger Schmidt mit auf einen Rundgang durch sein Studio.
Ina Otto