2022-08-17T18:58:50+0000

Steht Innovation Group vor einer Übernahme durch die Allianz?

Bereits seit längerer Zeit wird in der Branche darüber spekuliert, ob die Allianz Versicherung ein Interesse daran haben könnte, den Schadensteuerer Innovation Group zu kaufen. Anzeichen dafür gibt es, offizielle Bestätigungen aber bisher nicht. schaden.news hat in den vergangenen Wochen und Monaten bei führenden Managern in der Industrie, Verbandsfunktionären, gewöhnlich gut informierten Betriebsinhabern und Unternehmensberatern sowie in der Versicherungswirtschaft nachgefragt, wie sie eine mögliche Übernahme einschätzen. Die Anzeichen dafür sind unübersehbar. ## Ein Einstieg oder eine Übernahme ist denkbar Wie ist der aktuelle Stand? Nahezu alle Gesprächspartner der Redaktion hatten von den Spekulationen bereits gehört und halten einen Kauf oder eine Beteiligung für plausibel. Seit Ende Mai befragte schaden.news zahlreiche Entscheider, die eine Übernahme für sehr wahrscheinlich halten. Rückblende: [Vor mehr als zwei Jahren hat die Allianz Versicherung den Prüfdienstleister Control Expert gekauft. Kurze Zeit später wechselte der frühere Chef der Strategieabteilung des Versicherers von München nach Langenfeld.](https://www.schaden.news/de/article/link/42298/allianz-stratege-wechselt-zu-control-expert) Dann übernahm die Allianz Mitte September vergangenen Jahres auch den Datenlieferanten GT Motive. Mit diesen Zukäufen sicherte sich der Kfz-Versicherer den unmittelbaren Zugriff auf Schadendaten (GT Motive), KI-Entwicklung und Prüfdienstleistungen seiner Wettbewerber (Control Expert). „Jetzt könnte die Allianz den nächsten logischen Schritt gehen und einen Schadensteuerer übernehmen. Das würde die Marktposition des Münchener Versicherers ungeheuer stärken“, lautet die Mehrheitsmeinung der von schaden.news befragten Manager. Ein weiterer Grund: Die Neuentwicklung der Webplattform Gateway von Innovation Group wird als „sinnvolle Ergänzung im Portfolio der Allianz in Kombination mit den Leistungen von ControlExpert“ gesehen. Zwar ist die Allianz nach wie vor an dem Schadensteuerer SPN Service Partner Netzwerk beteiligt. Doch hier hat jüngst Dimitra Theocharidou-Sohns die Geschäftsführung in der SPN Service Partner Netzwerk GmbH übernommen. Dominik Hertel (Allianz) hat sich gemeinsam mit Ludger Kersting (ADAC) und Michael Schmidmeister (Versicherungskammer Bayern) aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Es erfolgte offenbar ein Strategiewechsel. ## Innovation Group ist finanziell angeschlagen Auch beim Blick auf die Innovation Group selbst erscheint eine Übernahme für viele Gesprächspartner denkbar. „Schon vor Jahren war das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. In Großbritannien nahmen die Banken die britische Muttergesellschaft der deutschen Tochter Innovation Group AG von der Börse, dann finanzierte ein Bankenkonsortium, bis die Private-Equity Gesellschaft Carlyle Group das Unternehmen im November 2015 übernahm“, erklärt ein Finanzexperte gegenüber schaden.news. „Jetzt könnte ein Interesse daran bestehen, die Beteiligung an Innovation Group zu veräußern.“ Die derzeitige unsichere Situation an den Finanzmärkten sei ein starker Treiber für diese Art der Unternehmenstransaktionen. ## Innovation Group Germany schreibt im Jahr 2020 knapp 7 Millionen Euro Verlust Sicher ist, dass die Muttergesellschaft Innovation Group Germany GmbH laut Jahresabschluss 2020 einen kräftigen Verlust einfuhr. Die Konzernbilanz liegt der Redaktion vor. Aus den Unterlagen von [North Data](https://www.northdata.de/) und gleichlautenden Informationen von Creditreform geht hervor, dass sich der Fehlbetrag auf 6,9 Millionen Euro beläuft. Offenbar scheint Innovation Group aber schon länger rote Zahlen zu schreiben. Schaden.news hat die Konzernbilanz einem unabhängigen und branchenerfahrenen Unternehmensberater vorgelegt. Er meint: „Bei genauer Betrachtung des Jahresabschlusses 2020 stellt man fest, dass das Eigenkapital in Höhe von 50 Millionen Euro über die Jahre auf nahezu Null abgeschmolzen ist.“ Gravierend sei aber noch ein anderer Punkt: „In der Konzernbilanz stehen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von mehr als 126 Millionen Euro mit einer Restlaufzeit von ein bis fünf Jahren.“ Das bedeutet, Innovation Group Germany ist offenbar hoch verschuldet. Inwiefern die Innovation Group Germany GmbH überhaupt noch wirtschaftlich arbeitet, kann nur schwer beurteilt werden. Denn zur Muttergesellschaft gehören noch bis zu acht andere Gesellschaften, darunter der Autoglas Spezialist Wintec, die Webplattform Gateway oder der Ersatzteilvertrieb Innovation Group parts sowie das Flottengeschäft. Der Jahresumsatz betrug im Jahr 2020 bis zu 160 Millionen Euro. ## Keine Bestätigung oder Dementi von Innovation Group und Allianz Ende Juni hatte die Reaktion beim Stuttgarter Schadensteuerer Innovation Group und bei der Allianz Versicherung um eine Stellungnahme gebeten. Die Frage an den Unternehmenssprecher der Allianz, Christian Weishuber, lautete: „Wird derzeit ein Kauf von Innovation Group durch die Allianz Versicherung oder eine ihrer (Beteiligungs)-Gesellschaften geplant, verhandelt oder ist eine Übernahme bereits erfolgt oder steht sie kurz bevor?“ Die Antwort kam postwendend: „Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir uns grundsätzlich nicht zu Marktgerüchten und Spekulationen äußern.“ Auch Innovation Group wurde zeitgleich um eine Stellungnahme gebeten. Aus Stuttgart erfolgte eine gleichlautende Antwort: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir bei Marktgerüchten dem Grundsatz folgen, diese nicht zu kommentieren.“ In beiden Fällen gibt es also weder eine Bestätigung noch eine Dementierung einer möglichen Übernahme. ## Gravierende Folgen für die Branche? Bis in den August hinein hat die Reaktion den Vorgang weiter verfolgt und einige Gesprächspartner immer wieder erneut auf den möglichen Verkauf von Innovation Group angesprochen. In der Versicherungswirtschaft wird man zunehmend nervös, gab ein Gesprächspartner schaden.news nun Mitte dieses Monats einen Hinweis. Keine Frage, der Schadenmarkt betrachtet eine mögliche Übernahme sehr kritisch. Sollte die Allianz Versicherung die Innovation Group mit ihren Tochterunternehmen Wintec, Gateway, Parts und Fleet Mobility tatsächlich übernehmen, hätte das gravierende Folgen für die Kfz-Versicherer, die derzeit ihre Unfallschadenreparaturen über Innovation Group steuern lassen. Allen voran für die Axa Versicherung und R+V, die zu den stärksten Kunden des Schadensteuerers zählen und gleichzeitig größter Wettbewerber der Allianz Versicherung sind. „Sollte der Deal über die Bühne gehen, wird das den Schadenmarkt auf den Kopf stellen“, erklärte ein gewöhnlich gut informierter Betriebsinhaber gegenüber schaden.news. In der Versicherungswirtschaft sei man bereits auf der Suche nach Alternativen zu Innovation Group. Ob eine Übernahme tatsächlich erfolgt, wissen sicher nur wenige Manager in den Konzernzentralen in München und Stuttgart.
Christian Simmert