2022-01-19T12:06:58+0000

Raus aus der Schadensteuerung: Welches Potenzial bieten Autohäuser, Caravan, Oldtimer, Kleinflotten?

Zu Beginn des Seminars sprach Peter Börner bei der Suche nach neuen Geschäftsfeldern abseits der Schadensteuerung von einem „brandheißen Thema“. „Wir scheinen den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, das bezeugen die vielen Rückmeldungen, die wir bereits im Vorfeld der Veranstaltung erhalten haben“, berichtete der ZKF-Präsident. Rund 150 Teilnehmer verfolgten das zweistündige Online-Seminar nach Angaben von ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm und Präsident Peter Börner konstant. ## „Nur zehn Prozent der Betriebsinhaber kalkulieren regelmäßig ihren Stundenverrechnungssatz“ Bevor die Gastgeber jedoch auf einzelne Möglichkeiten eingingen, mehr Umsatz zu generieren, gab der Unternehmensberater und Coach Michele Gurgoglione den Betriebsinhabern Impulse zum Umgang mit den eigenen Unternehmenskennzahlen: Demnach sei es wichtig, seinen eigenen Stundensatz zu kennen und regelmäßig selbst zu kalkulieren. Nach Aussage des Unternehmensberaters sei dies seiner Erfahrung nach bei nur zehn Prozent der Betriebsinhaber gelebte Realität. Viele Unternehmer hingegen verlassen sich seinen Angaben zufolge auf ihr Bauchgefühl. Wer seinen Stundenverrechnungssatz und seine Kosten kennt, kann sein Unternehmen aktiv führen“, verdeutlichte er in seinem Vortrag. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Änderungen in der eigenen Kosten- oder Kundenstruktur auch Änderungen im Stundenverrechnungssatz mit sich bringen. Deshalb empfiehlt er die regelmäßige Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes. Der ZKF stellt seinen Mitgliedern eine Vorlage-Tabelle zur Ermittlung des eigenen Stundenverrechnungssatzes zur Verfügung. Weiterer Tipp vom Unternehmensberater: Mithilfe der sogenannten ABC-Analyse prüfen, welche Kunden am wichtigsten sind und nicht alles auf einen Kunden setzen, sondern das potenzielle Umsatzvolumen gleichmäßig auf verschiedene Umsatzvolumen verteilen. ## Kostenüberblick: Wo steht der Betrieb? Für einen genauen Überblick der eigenen Umsätze nach Kundengruppen und Kosten eignen sich digitale Tools. Peter Ringhut, Geschäftsführer des Werkstattsoftware-Anbieters KSR, stellte im Seminar beispielhaft das KSR Dashboard mit dem Chefzahlen-Tool 4.0 vor, das im vergangenen Jahr ausgerollt wurde. Dieses ermögliche Zugriff auf Zahlen wie Umsatz, verkaufte Stunden, Stundenverrechnungssatz und Kosten in Echtzeit sowie im Vergleich zu den Vorjahren. Die Anwendung ermögliche den Unternehmern dadurch, genau zu erkennen, wo der eigene Betrieb wirtschaftlich stehe und gebe zudem eine Übersicht bei den einzelnen Leistungen der Schadensteuerer. Denn gerade durch die verschiedenen Parameter der Auftraggeber sei es schwer, diese miteinander zu vergleichen. Bei einigen sei das Lackmaterial inkludiert, bei anderen wiederum nicht. Auch die Kostenübernahme für Ersatzwagen sei unterschiedlich geregelt. Mit dem Chefzahlen-Tool 4.0 sei es aber immerhin möglich, einen Großteil der Kosten aufzulisten. ## Caravan als Chance Als eine Möglichkeit, Umsatzquellen zu generieren, stellte Dierk Conrad, Geschäftsführer des Bereichs Nutzfahrzeuge beim ZKF, die Instandsetzung von Wohnmobilen und Campern vor. Grund für das Umsatzpotenzial, das dieses Segment insbesondere K&L-Betrieben bietet, ist das weiterhin ungebremste Wachstum in dieser Branche. So wurden 2020 erstmals über 100.000 Neuzulassungen registriert und auch der Bestand entwickelt sich stetig nach oben. Zudem sei ein klarer Trend hin zu Kastenwagen als Reisemobile zu erkennen. Gerade der Anteil dieser Fahrzeuge wachse derzeit überproportional. Bei einer Schadenquote von 12 Prozent seien das rund 167.000 reparaturbedürftige Fahrzeuge pro Jahr. Zwar werde ein erheblicher Teil davon fiktiv abgerechnet. Dennoch böte die Reparatur an Caravans und Reisemobilen für K&L-Betriebe ein hohes Umsatzpotenzial. Zur Unterstützung von Betrieben hat der ZKF bereits 2015 das Caravan-Fachbetrieb-Siegel entwickelt. Laut Angaben von Dierk Conrad sind damit rund 120 ZKF-Betriebe zertifiziert. Gerade bei Versicherern sei das Markenzeichen inzwischen ein wichtiger Ankerpunkt für die Vergabe von Aufträgen. Für die Zertifizierung müssen Betriebe bestimmte Anforderungen erfüllen, zu denen unter anderem das Know-how bei der Reparatur, geschultes Personal und Platz gehören. Nicht zu unterschätzen sei jedoch der Anteil an Leidenschaft, Durchhaltevermögen und Interesse am Kunden, das Betriebe für dieses Segment aufbringen müssen. „Klar ist: Diese Kundengruppe lässt sich nicht nebenbei bewerkstelligen. Lange Standzeiten und aufwändige Ersatzteil-Recherche gehören genauso zum Geschäftsfeld dazu. Das alles habe seinen Preis. Deshalb riet Dierk Conrad den Betrieben: „Verkaufen Sie sich und Ihre Expertise nicht unter Preis!“ ## Kleinflottenbetreuung erfordert Umdenken Als eine weitere Möglichkeit, neue Umsatzquellen zu erschließen, stellte EUROGARANT-Vorstandsmitglied Guido Kalter die Kleinflottenbetreuung vor. Damit avanciere der Betrieb zum Fuhrparkmanager: Zu den Zielgruppen könnten seinen Angaben zufolge regionale Flotten von 2-50 Fahrzeugen gehören – „vom Metzger bis zum Bäcker, vom Dachdecker bis zum Installateur, vom Pizzalieferanten bis zum Pflegeteam“, führte er aus. Mit dem Dienst service2muuv, der voraussichtlich in diesem Jahr nach einer Pilotphase ausgerollt werde, biete die EUROGARANT AG den Werkstätten die Möglichkeiten zur Umsetzung. Betriebe könnten neben der Wartung und Reparatur dieser Fahrzeuge eine Vielzahl von Services einbringen und gegebenenfalls zukaufen, beispielsweise die elektronische Führerscheinprüfung, die Neufahrzeugvermittlung sowie den Reifen- oder Pannenservice. Service2muuv bestehe demnach aus verschiedenen Modulen und einer Plattform, um vom Fahrer über den Halter bis zur Werkstatt alle Beteiligten in Echtzeit einzubringen. Zudem unterstütze die EUROGARANT AG Betriebe mit einem Marketingkonzept, technischem Support, Schulungen und umfangreichen Vertragswerken. Guido Kalter betonte jedoch auch, dass bei Werkstätten, die diesen Weg einschlagen möchten, ein Umdenken zwingend erforderlich sei: „Momentan sind Sie noch Auftragsempfänger. Als Fuhrparkbetreuer müssen Sie auch Ihre Verkaufs- und Marketingstrategie auf die neuen Gegebenheiten anpassen! Es ist zwingend erforderlich, auf den Kunden zuzugehen.“ ## Oldtimerrestauration: Auftraggeber reparaturwillig und preis-unsensibel Welches Potenzial die Instandsetzung und Restauration von Oldtimern bietet, erläuterte im Anschluss ZKF-Präsident Thomas Aukamm. Demnach wachsen auch in diesem Segment die Bestandszahlen konstant und seien bei den Besitzern mit viel Emotionen und einer hohen Reparaturbereitschaft verknüpft. Vom Käfer bis zum Bulli: Der Großteil der Besitzer von Old- und Youngtimern gibt sein automobiles Schätzchen zur Reparatur in die freie Werkstatt. Insbesondere Karosseriebetriebe seien hier mit ihrem Know-how gefragt, denn mangels Verfügbarkeit von Ersatzteilen gehört die Fertigung dieser Bauteile zur wichtigsten Kompetenz. Bereits seit 2009 vergibt der ZKF in Zusammenarbeit mit den ZDK das Siegel zum Oldtimer-Fachbetrieb und listet inzwischen mehr als 90 zertifizierte Werkstätten. Thomas Aukamm betonte im Seminar jedoch, dass neben der Reparaturkompetenz und dem geeigneten Werkzeug auch das Vermögen zur fachkundigen Beratung und zur Dokumentation erforderlich sind. Gerade an dieser Stelle, nämlich für den Werkvertrag mit Preisauszeichnung, sei es wichtig, den eigenen Stundensatz zu kennen. „Zudem sollte ein Oldtimer-Fachbetrieb auch immer einen Gutachter für historische Fahrzeuge an der Hand haben.“ Nicht zu unterschätzen ist nach Angaben von Thomas Aukamm gerade in diesem Bereich auch ein öffentlichkeitswirksames Marketing. Hier sei es ratsam, in der Szene, beispielsweise bei Oldtimerrallyes, auf sich aufmerksam zu machen. „Wer die Oldtimerreparatur umfassend betrachtet und neben Know-how auch Leidenschaft mitbringt, für den erschließt sich hier ein interessanter Geschäftsbereich“, betonte der ZKF-Hauptgeschäftsführer. ## Kooperation mit Autohäusern: „Die Zeit ist reif“ Eine auf den ersten Blick überraschende Strategie präsentierte Peter Börner den Seminarteilnehmern mit der Kooperation mit Autohäusern. Dabei bestünden gerade hier derzeit gute Chancen auf eine Zusammenarbeit, denn „die Zeiten stehen auf Veränderung“. Grund: Der Autohandel wandelt sich zum Agenturgeschäft, immer seltener liegen die Eigentumsverhältnisse für Neuwagen bei Autohäusern, sondern stattdessen bei den Herstellern. Zudem kommen zunehmend neue Fahrzeugmarken ohne Vertriebsnetz auf den Markt – ein Trend, der insbesondere durch die Zunahme von Fahrzeugen mit Elektroantrieb zukünftig noch befeuert wird. Zudem sinkt die Zahl an Neuzulassungen. „Der Handel wird sich zukünftig verstärkt nach anderen Betätigungsfeldern umsehen“, ist sich Peter Börner sicher. Genau deshalb sei es gerade jetzt für Karosserie- und Lackierbetriebe der richtige Zeitpunkt, das Gespräch mit jeweils zwei bis drei Autohäusern in der Region zu suchen! Denn sowohl bei der Inspektion von Neuwagen vor der Auslieferung als auch bei Karosserie- und Lackierarbeiten, Struktur-Reparaturen, Spot- oder Smart Repair sowie bei der Gebrauchtwagenaufbereitung können sich Werkstätten jetzt als kompetente Partner präsentieren. Der ZKF-Präsident empfiehlt Betrieben jetzt, Eigeninitiative zu zeigen und konkrete Angebote mit Kalkulationen vorzulegen. Peter Börner unterstreicht im Seminar: „Der Mut zahlt sich aus, denn der Bedarf ist da.“ ## Werkstattportale: Zugang zum Privatkundenmarkt Als zusätzliche Umsatzstrategie empfahl der ZKF-Präsident den Betrieben, sich für den Privatkundenmarkt mit ihrer Reparaturkompetenz auf Werkstattportalen zu präsentieren. Denn rein rechnerisch beträgt der Anteil an ungelenkten Schäden im Markt laut GDV knapp 4,8 Millionen. Hinzu kommen geschätzt rund 1,5 Millionen Schäden ohne Versicherungsbeteiligung. Werkstätten könnten durch Werkstattportale wie beispielsweise Fairgarage von der Deutschen Automobil Treuhand, ihre Sichtbarkeit erhöhen. Wer sich dort listen lässt und beispielsweise Reparaturen zum Festpreis angibt, profitiert laut Peter Börner nicht nur von einer Neukundengewinnung durch ein qualifiziertes Angebotsmanagement, sondern auch von intelligentem Suchmaschinenmarketing: „Die Kunden werden bereits bei der Suche auf Google abgeholt und direkt auf die Websiten der Betriebe weitergeleitet“, erläuterte er. Derzeit befinden sich laut dem ZKF-Präsidenten rund 19.000 Werkstätten in der Datenbank von Fairgarage. Die beim Online-Seminar präsentierten Strategien seien Gedankenanstöße für die K&L-Betriebe. „Aber alle haben ein großes Potenzial“, verdeutlichte Peter Börner zum Abschluss des Seminars. Der ZKF-Präsident deutete an, dass der Verband bereits eine Fortsetzung des Seminars plant.
Ina Otto