2021-12-22T11:00:35+0000

Web-TV: Wie kommen K&L-Betriebe aus der schwierigen Lage?

In der zehnten Web-TV-Ausgabe in diesem Jahr zog schaden.news-Chefredakteur Christian Simmert gemeinsam mit Ulrich Schäfer (ZKF), Peter Vogel (BVdP), Henning Hamann (ETL Kanzlei Voigt) sowie Jochen Gaukel (Sika Automotive Repair) Bilanz und richtete den Blick auf die Herausforderungen im kommenden Jahr. So wurde schnell deutlich: Viele Betriebe hat das zweite Corona-Jahr hart getroffen. Das bestätigten auch ZKF-Vizepräsident Ulrich Schäfer und BVdP-Vorstandsmitglied Peter Vogel. „Umsatzeinbußen zwischen zehn und 40 Prozent waren an der Tagesordnung“, beschrieb Ulrich Schäfer die wirtschaftliche Situation der ZKF-Mitgliedsbetriebe. Bei Partnerwerkstätten falle die Bilanz seiner Erfahrung nach dabei oft noch schlechter aus als bei Betrieben ohne Steuerung. Auch in seinem eigenen Betrieb in Ilsfeld schaut der Unternehmer auf ein durchwachsenes Jahr mit einem verhaltenen Start zurück – und zwar in allen Bereichen. „So eine Situation kannten wir bis dato noch nicht“, resümiert er. Jetzt, am Jahresende, erholen sich die Zahlen wieder, die Auftragslage ist vorhanden, aber das Personal fehlt. Ein ähnliches Bild zeichnete auch Peter Vogel, zum einen für seine Betriebe in Brilon und Meschede, als auch als Vorstandsmitglied des BVdP für die Partnerwerkstätten. „Die vergangenen beiden Jahre waren kaum von Kontinuität geprägt“, beschreibt er die Situation. ## Konjunkturumfrage gibt Überblick über wirtschaftliche Situation Die Einschätzung der beiden Verbandsvorstände und Betriebsinhaber im Talk wurde durch die Ergebnisse der schaden.news-Konjunkturumfrage von Anfang Dezember bestätigt. Redaktionsleiterin Ina Otto stellte in der Sendung die wichtigsten Eckpunkte vor. Eine besonders dramatische Entwicklung zeigt sich bei der Rendite: [Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe gab an, mit einem Minusgeschäft oder plusminus Null aus dem Jahr zu gehen. Nur ein Drittel war der Meinung, überhaupt eine Rendite zu erwirtschaften.](https://schaden.news/de/article/link/42631/konjunkturumfrage-dezember-2021-dramatische-rendite-situation) ## Schadensteuerung: „Es knirscht in allen Bereichen“ Eine Situation, die auch für BVdP-Vorstandsmitglied Peter Vogel einen „absoluten Handlungsbedarf“ bei den Werkstätten erfordere. Bisher habe es in der Schadensteuerung immer nur eingeschränkte Anpassungen der Stundenverrechnungsätze gegeben. „Die Betriebe sind lange Zeit sehr partnerschaftlich mit den Auftraggebern umgegangen. Jetzt knirscht es in allen Bereichen: Preise für Energie, Material und Lack steigen. Bei der HUK-Coburg ist das Lackmaterial nach wie vor im Stundensatz eingepreist. Hier wäre eine kräftige Erhöhung der Stundensätze notwendig. Gerade die enormen Preissteigerungen im Lackmaterial müsste der Betrieb zukünftig auffangen können“, unterstrich BVdP-Vorstand Peter Vogel. Der Verband sei dahingehend regelmäßig im Dialog mit der HUK-Coburg, aber auch mit anderen Auftraggebern. ## „Betriebe müssen Stundensätze erhöhen, ansonsten werden wir keine Rendite mehr erwirtschaften“ Ulrich Schäfer bestätigte die Sichtweise des BVdP: „Die Rendite-Situation ist wirklich dramatisch. Wir Betriebe geraten momentan von vielen Seiten unter Druck. Unsere Kosten haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Margen sinken und die Stundensätze sind auf gleichbleibendem Niveau. Jetzt, in der Krise, muss sich jeder Betrieb deshalb genau die Kostensituation bei jedem einzelnen Kunden ansehen.“ Der Unternehmer fügt hinzu: „Für mich gibt es daher nicht die Frage, ob wir Betriebe die Stundensätze erhöhen möchten. Wir müssen – ansonsten werden wir zukünftig keine Rendite mehr erwirtschaften.“ ## Preis- und Kostensteigerungen halten zunächst weiter an Mit gestiegenen Lieferzeiten und Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung sprach Jochen Gaukel in der Web-TV-Sendung eine weitere Herausforderung an, mit der sowohl Betriebe als auch die Industrie in diesem Jahr zu kämpfen hatten. Paletten, Fässer, Additive, Rohmaterialien: Seit dem Frühjahr kämpft der Ausrüster mit knappen Ressourcen für die Produktion. „Das unsere Produkte für Betriebe aber stets verfügbar sind, steht für uns als Ausrüster im Fokus“, betonte Jochen Gaukel. Das wiederum hat jedoch Einfluss auf die Kostensituation für Werkstätten. Denn diese Verfügbarkeit kostet Geld. „Wir kaufen das Material zu höheren Konditionen und müssen diese leider an die Kunden weitergeben“, erklärte der Industriemanager während der Sendung. Jochen Gaukel rechnet damit, dass die Preis- und Kostensteigerungen sowie die mangelnde Rohstoffverfügbarkeit im kommenden Jahr zunächst weiter anhalten. ## „Betriebe müssen sich auch zukünftig auf stärkeres Kürzungsverhalten der Versicherer einstellen“ Die steigenden Kosten werden in den kommenden Monaten Einfluss auf alle Bereiche der Betriebe nehmen, wurde während der Sendung deutlich. So ging der Geschäftsführer der ETL Kanzlei Voigt und Schadenrechtsexperte Henning Hamann während der Talkrunde davon aus, dass das Kürzungsverhalten von Kfz-Versicherern zukünftig anhalten und sogar noch stärker werden wird. Grund ist der „Sog-Effekt“: Durch steigende Kosten für Betriebe und eine Anhebung des Mindestlohns werde die Lücke zwischen den Einnahmen bei den Versicherern und der Kostenseite bei den Werkstätten immer größer. Allerding wehren sich Werkstattkunden immer häufiger gegen die Kürzungen von Werkstattrechnungen. Denn zweifelsohne hat sich nach Angaben des Rechtsanwalts das Klagevolumen in 2021 deutlich erhöht. Hauptgründe waren Rechnungskürzungen, überwiegend durch Streichung der Corona-Schutzmaßnahmen. Die gute Nachricht: 90 Prozent der eingereichten Klagen wurden zugunsten der Betriebe entschieden. Im Talk nahm Henning Hamann auch Bezug zu den Regressforderungen der Innovation Group, [über die schaden.news in der vergangenen Woche berichtet hatte](https://schaden.news/de/article/link/42628/was-laeuft-schief-bei-innovation-group). Nach seiner vorläufigen Einschätzung sei das Vorgehen des Schadensteuerers rechtens. „Wenn ich mich auf diesen Vertrag einlasse, dann muss ich mich an diesen halten. Einzelfälle müssen aber individuell betrachtet werden. ## Flexiblere Verträge in der Schadensteuerung und Energiekostenzuschläge als Notbremse für Kostensteigerungen Einigkeit herrschte in der Talkrunde beim Blick ins kommende Jahr vor allem in einer Sache: Nichts ist planbar, was die Kosten- und Auftragssituation betrifft. Hier brachten die Betriebsinhaber und Verbandsvorstände im Talk flexiblere Bausteine oder Laufzeiten bei Vertragsabschlüssen von Partnerwerkstätten mit Kfz-Versicherern und Schadensteuerern als eine Möglichkeit ein, zeitnah auf aktuelle Preisentwicklungen reagieren zu können. „Auf- und Abschläge, zum Beispiel für Energiekosten, sind ebenfalls denkbar, um mit den steigenden Preisen mithalten zu können. Oder eine Notbremse als Klausel in den Verträgen, dass unterjährig verhandelt werden kann“, unterstrich Peter Vogel. Diese Konzepte erfordern jedoch eine Offenheit sowohl seitens der Auftraggeber als auch der Betriebe. Jochen Gaukel wies an dieser Stelle darauf hin, dass entsprechende Klauseln in der Industrie bereits gang und gäbe sind. Darüber hinaus hätten Betriebe nach Einschätzung des Industriemanagers noch die Möglichkeit, durch Prozessoptimierung in ihrem Betrieb gegen die steigenden Kosten und die sinkende Rendite entgegenzuwirken. Die Betriebe bräuchten dahingehend Unterstützung, um die Anwendung der Produkte zu schulen und Prozesse zu verbessern, um Zeit und Aufwand zu sparen. ## Mit Digitalisierung steigt administrativer Aufwand Beim Blick auf das kommende Jahr sieht ZKF-Vizepräsident Ulrich Schäfer vor allem durch die zahlreichen IT-Insellösungen bei der Digitalisierung der Schadenregulierung immense Herausforderungen auf die Betriebe zukommen. Er stellte als Beispiel in der Talksendung die administrativen Prozesse im eigenen Betrieb an: Durch mehr als 25 unterschiedliche webbasierte Programme und Software steigt der Anteil an unproduktiven Stunden. „Der Schulungsbedarf für unsere Mitarbeiter ist immens. Es stellt sich für mich die Frage: Welchen Anteil der Administration sollte die Werkstatt leisten und welchen der Auftraggeber?“ Die gleiche Herausforderung sieht Peter Vogel auch für die Partnerwerkstätten: „Der administrative Aufwand in den Mitgliedsbetrieben ist deutlich gestiegen. Wünschenswert wäre eine Universal-Schnittstelle, über die in die jeweiligen Kanäle hineingesteuert würde, sodass die Oberflächen sich reduzieren.“ ## Neue Herausforderungen durch E-Mobility Für seinen Betrieb, aber auch alle anderen Partnerwerkstätten nannte Peter Vogel in der Diskussionsrunde darüber hinaus eine weitere Herausforderung bei der Reparatur von E-Fahrzeugen. „Hochvolttechnik, digitales Management der Fahrzeuge, Anbau von Scheinwerfern und Lenkungen, dazu neue Hersteller, die auf den Markt kommen: Die Kommunikation wird auf Englisch erfolgen, wodurch die Anforderungen für unsere Techniker steigen“, blickt der Unternehmer in die kommenden Jahre. Hinzu komme der Fachkräftemangel. „Eine Antwort darauf werden steigende Löhne sein und wiederum steigende Kosten.“ Der Bundesverband sei bereits dabei, seine Mitgliedsbetriebe darauf zu sensibilisieren. Peter Vogel betonte jedoch: „Stundensätze zu verhandeln liegt im Aufgabenbereich des Unternehmens, nicht beim BVdP. Klar ist aber auch: Viele Versicherer und Schadensteuerer wissen oft gar nicht, wo bei den Werkstätten der Schuh drückt.“ An dieser Stelle versuche der BVdP durch Gespräche, für Klarheit zu sorgen. ## „Nachhaltigkeit wird entscheidender Faktor für Kreditvergabe“ Aus Sicht von Jochen Gaukel wird im kommenden Jahr auch die Nachhaltigkeit ein Thema, das Betriebe und Industrie beschäftigen wird. „Nachhaltiges Handeln wird zukünftig für Betriebe auch hinsichtlich ihrer Kreditwürdigkeit relevant werden, da es in die Kreditvergabe mit einfließen wird“, ist sich der Manager sicher. Letzter Punkt ist die langfristige Widerstandsfähigkeit im Markt: Betriebe sollten ihre Strategie und ihre Aufstellung auf breiterer Geschäftsfelder überdenken. ## Agileres Handeln und strategische Wahl der Auftraggeber Ein agileres Handeln und strategisches Vorgehen bei der Wahl der Auftraggeber hält Schadenrechtsexperte und Rechtsanwalt Henning Hamann für Betriebe im kommenden Jahr daher für besonders wichtig. Er betonte: „Langfristige Verträge sind ein schlechter Ratgeber.“ Auch aus schadenrechtlicher Sicht werde sich seiner Einschätzung nach 2022 einige Dinge ändern: „Seit Oktober gibt es eine neue Klausel, dass die Abtretung von Geldforderungen nicht mehr verboten werden darf. Das betrifft beispielsweise Abtretungsverbote in Kaskoverträgen, aber auch für Werkstattverträge. Werkstätten sollten dies daher genau prüfen.“ Henning Hamanns Schlusswort ist gleichzeitig auch ein Fazit für die Sendung und für das, was Betriebe im kommenden Jahr erwartet: „Der Kampf wird härter, weil die Rahmenbedingungen für die Betriebe sich so rasant ändern.“
Ina Otto