2021-10-20T11:58:41+0000

Caravan-Geschäft braucht Leidenschaft, langen Atem und richtigen Stundensatz

Ist das Geschäft mit der Caravanreparatur ein Hype? Oder eine echte Chance für Karosserie- und Lackierbetriebe? Darüber diskutierten vergangene Woche (14. Oktober) schaden.news-Chefredakteur Christian Simmert in Bremen gemeinsam mit den erfahrenen Betriebsinhabern Torsten Stüting und Heinz Heymann sowie mit sowie Kai Gräper, Strategic Account Manager bei AkzoNobel und Acoat Selected, und Klaus Lindner, Geschäftsführer beim Spezialisten carSN. Klar ist: Mit 1,7 Millionen zugelassenen Fahrzeugen ist die Caravan-Reparatur im Unfallschadengeschäft eine eher kleine Nische. Dennoch sprach Klaus Lindner im Talk von einer regelrechten „Goldgräberstimmung“, die in der Branche hinsichtlich der Instandsetzung von Freizeitfahrzeugen herrsche. Das Reparaturpotential steigt stetig: Allein bis August dieses Jahres wurden 83.000 neue Caravans zugelassen, prognostisch werden bis Jahresende die Zulassungszahlen des Vorjahres übertroffen werden. Klar ist aber auch: Um aus dem „Hype“ ein profitables Geschäftsfeld zu entwickeln, müssen sich Betriebe deutlich spezialisieren. Auch die Betriebsinhaber Torsten Stüting und Heinz Heymann spüren das wachsende Interesse an Freizeitmobilen in Deutschland an seit Jahren stetig steigenden Auftragszahlen in diesem Segment. Beide Unternehmer sind bereits seit vielen Jahren im Caravan-Reparaturgeschäft unterwegs und vom Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik mit dem Qualitätssiegel Caravan-Fachbetrieb zertifiziert. Dass sich das Geschäftsfeld jedoch nicht über Nacht errichten lässt, bestätigten beide Unternehmer gleich zu Beginn der Diskussionsrunde. ## Vor welchen Herausforderungen stehen Betriebe bei der Caravan-Reparatur? Schließlich habe es der Betrieb hier mit einem komplett anderen Kundensegment zu tun, als im Pkw-Unfallschadengeschäft. „Hier geht es um individuelle Wünsche und Emotionen, was viel Kommunikation mit den Besitzern erfordert.“ Hinzu kämen die enge Abstimmung mit anderen Gewerken, wie Schreinereien, Möbelbauern oder Klempnereien, die aufgrund der verbauten Materialien und Elemente in Freizeitfahrzeugen ebenfalls eng in den Reparaturprozess eingebunden sind. „Unser Betrieb muss daher schnell Zugriff auf ein umfangreiches Netzwerk zu anderen Handwerksbetrieben haben und aktiv werden, um dieses aufzubauen“, berichtet Torsten Stütung aus Erfahrung. Als ebenso essentiell schätzt Betriebsinhaber Heinz Heymann die Kontakte zu Caravan-Fachhändlern ein. Diese seien insbesondere für den Teilebezug wichtig. Denn gerade die Beschaffung von Ersatzteilen stellt Reparaturbetriebe oft vor große Herausforderungen, mehrere Wochen Lieferzeit für ein Teil sind eher die Regel denn die Ausnahme. Die oft langen Standzeiten haben eine weitere Herausforderung zur Folge: Den Platz, der im Betrieb vorhanden sein muss. Und außerdem seien bei fehlenden Teilen handwerkliche Arbeit notwendig, deren Aufwand und Zeit bezahlt werden will. Zu den größten Herausforderungen bei der Caravan-Instandsetzung zählen aber zweifellos fehlende Reparaturleitfaden und fehlende Kalkulationswerte: Überwiegend setzt Torsten Stüting Sternchenpositionen bei der Kalkulation ein, welche auf Erfahrungen beruhen. „Die Werte kommen nicht von der Stange, oftmals muss hier konkret ausgemessen werden“, unterstreicht auch CarSN-Geschäftsführer Klaus Lindner. Torsten Stüting fügt hinzu: „Kein Sachverständiger kann von Vornherein beurteilen, wieviel Zeit es dauert, ein gewisses Teil auf Maß zu bringen. Wichtig ist, dass die verbrauchten Stunden dann auch verkauft werden.“ Klar war für beide Betriebe, die beim Talk mitdiskutierten: „Ohne das technische Know-how der Mitarbeiter kann man einen Reparatur-Fachbetrieb gar nicht aufbauen.“ Hier seien übergeordnet jedoch strategische Partner notwendig. ## Wie unterstützen strategische Partner? Deshalb sind beide Betriebe Partner im Acoat Selected Caravan Repair Network. Dieses wurde vor rund fünf Jahren gegründet und biete Caravan-Reparaturfachbetrieben ein ganzheitliches Konzept, wie Acoat Selected Manager Kai Gräper in der Web-TV-Sendung erläuterte: „Neben einem umfangreichen Schulungskonzept bieten wir unseren Partnern auch das notwendige Geomarketing in ihrer Region sowie eine Plattform zum Austausch.“ Rund 75 Betriebe gehören laut Kai Gräper inzwischen zum Netzwerk. Die fehlende Standardisierung des Caravan-Reparaturgeschäft im Markt sowie der Service für die Kunden stehen im Fokus von CarSN. Diese übernehmen für die Betriebe des Acoat Selected Caravan Repair Network deshalb die Kalkulation sowie den Rechercheaufwand für die Ersatzteile. Neben den Standardanforderungen für den K&L-Betrieb, wie Platz und das Know-how bei der fachgerechten Reparatur der Caravans und Camper, achte man auch auf Reparaturqualität und Verlässlichkeit der Partner. Dementsprechend hoch seien die Ansprüche an neue Betriebe im Netzwerk, berichtet Klaus Lindner: „Bevor eine Werkstatt in das Netzwerk aufgenommen wird, vergeht schon mal ein Jahr.“ ## Das müssen Werkstätten leisten Doch welche Voraussetzungen müssen K&L-Betriebe überhaupt mitbringen, um in das Caravan-Reparaturgeschäft generell einzusteigen? Betriebsinhaber Torsten Stüting bringt es auf den Punkt: „Die ZKF-Zertifizierung ist nur das Minimum. Vielmehr ist die Leidenschaft für das Thema und der Wille zum Handwerk Grundvoraussetzung, um in diesem Geschäft Fuß zu fassen.“ „Die Einstellung muss einfach stimmen“, bekräftigt Heinz Heymann, der – wie auch Torsten Stüting – im Betriebsbeirat des ZKF sitzt. Zudem sind auch die technische Ausrüstung, beispielsweise Gerüste und Arbeitsplatzeinrichtung, notwendig. „Darüber muss man sich im Klaren sein, bevor man sich entscheidet, in das Caravangeschäft einzusteigen.“ ## „DEKRA LKW-Stundensatz ist eine gute Kalkulationsgrundlage“ Wie die Steuerung von Caravanschäden funktionieren kann, beleuchtete die Web-TV-Sendung vergangenen Woche ebenfalls. So berichtete Klaus Lindner von einem Pilotprojekt: Seit Jahresbeginn sind die SSV Schadenschutzverband GmbH, der Schadensteuerer der HDI-Versicherung, gemeinsam mit carSN [in die Lenkung von Caravan-Unfallschäden eingestiegen](https://schaden.news/de/article/link/42294/caravan-network-pilottest-erfolgreich). Die Steuerung eines Caravan-Schadens erfolgt dabei im Zusammenspiel zwischen SSV, HDI, und carSN: Der bei der HDI gemeldete Schaden wird durch carSN in eine zertifizierte Partnerwerkstatt aus dem Acoat Selected Caravan Repair Netzwerk geroutet, die den Schaden mit dem entsprechenden Reparaturverfahren und Originalersatzteilen fachgerecht instand setzen soll. Beim Stundensatz orientiere sich CarSN am [DEKRA LKW-Stundensatz in der Region](https://www.dekra.de/de/stundenverrechnungssaetze/). „Auf dieser Basis können wir gut kalkulieren“, bestätigten sowohl Heinz Heymann als auch Torsten Stüting während der Sendung. Entscheidend sei schlussendlich auch immer der Weg der Reparatur. Aufgrund der Erfahrungswerte sei schnell klar, dass dieser Aufwand zu Pkw-Stundensätzen oft nicht erreichbar sein kann. Der höhere Aufwand müsse entgeltlich geregelt sein. ## Wie gestaltet sich das Caravan-Geschäft zukünftig? Einig waren sich die Talkgäste, dass die Reparatur von Caravan und Campern K&L-Betrieben auch in Zukunft profitable Chancen bieten wird. Denn gerade durch den Fakt, dass Freizeitfahrzeuge auch mit zunehmendem Alter kaum an Wert verlieren, seien sie über lange Zeit marktrelevant. Nach Auffassung von Klaus Lindner werde bei der Schadenabwicklung von Caravans der Servicegedanke für den Endkunden eine noch größere Rolle spielen. Auch Heinz Heymann ist sich sicher, dass sich der Caravan-Markt weitere etablieren wird: „Damit einher geht aber auch, dass sich Betriebe stärker spezialisieren müssen, um zum einen der Technologie stand zu halten und sich zum anderen von Mitbewerbern abzuheben. Die Frage ist, ob das von jedem Betrieb gleichermaßen leistbar ist.“ Torsten Stüting geht davon aus, dass sich die Kundengruppen, mit denen er zukünftig beim Caravan-Geschäft zusammenarbeitet, noch heterogener entwickeln werden. „Für uns als Betrieb bedeutet das, dass wir ein breites Feld abdecken müssen.“ Ziel des Betriebsinhabers sei daher ein Full-Service-Geschäft, das sich neben dem reinen Reparatur auch auf das Zubehörgeschäft für die Caravan-Nutzung konzentriere. Ein wichtiger Schritt war für ihn daher der Serviceberater, den die Werner Bollwinkel GmbH im Frühjahr dieses Jahres für den Caravan-Bereich eingestellt hat. Und Kai Gräper betonte abschließend: „Das Geschäft mit der Caravanreparatur wird auch zukünftig eine Nische sein – aber eine profitable und nachhaltige.“
Ina Otto