2021-10-06T11:33:37+0000

Abwärtstrend: Wie stark geht die Anzahl der Werkstätten zurück?

Corona-Krise, Schadensteuerung, Elektromobilität und eine Vielzahl neuer technischer Anforderungen durch Fahrerassistenzsysteme: Die Herausforderungen an K&L-Betriebe sind so hoch wie wohl nie zuvor. Unternehmer, die auch künftig wettbewerbsfähig bleiben wollen, sind mit einem hohen Investitionsdruck konfrontiert, müssen ihre Prozesse effizienter gestalten und das bei stetig schrumpfenden Margen. Gleichzeitig fehlt es an Nachwuchs in den Werkstätten, aber auch häufig in der Unternehmensnachfolge. Während sich manche dieser Aspekte eher mittelfristig auf die Werkstattwelt auswirken, spürt die Branche den steigenden wirtschaftlichen Druck seitens der Schadensteuerung und sinkender Renditen bereits seit einigen Jahren. Doch wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Anzahl der Betriebe in der Branche aus? ## Deutlich weniger Kfz-Werkstätten als vor 20 Jahren. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie dramatisch sich die Situation seit dem Jahr 2000 für das Kfz-Gewerbe entwickelt hat. Das zeigt [eine Auswertung des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK)](https://schaden.news/download/link/gXPN ). Zählte der Verband zur Jahrtausendwende noch insgesamt gut 47.000 Mitgliedsbetriebe, so waren es 2020 noch rund 36.600 Werkstätten. Das entspricht einem Rückgang um 22 Prozent. Allerdings zeigt sich in diesem Abwärtstrend ein deutlicher Unterschied zwischen markengebundenen und freien Betrieben. So brach die Zahl bei den fabrikatsgebundenen Betrieben mit einem Minus von 38 Prozent weitaus drastischer ein. Waren es 2000 noch 23.650 ZDK-Betriebe, so zählte der Verband 2020 nur noch 14.600 Markenwerkstätten. ## Freie Werkstätten schlagen sich besser Im Vergleich blieb die Zahl der im ZDK organisierten freien Werkstätten deutlich konstanter. Sie sank lediglich um 1.370 Betriebe auf 21.980 im Jahr 2020, ein Minus von sechs Prozent. Über die beiden letzten Jahrzehnte lässt sich also festhalten, dass vor allem Markenwerkstätten stark an Präsenz eingebüßt haben. ## Etwa 6.000 Betriebe im K&L-Markt Doch wie steht es um die Karosserie- und Lackierfachwerkstätten? Diese Frage ist nur schwer beantwortbar. Da nicht jeder K&L-Betrieb Mitglied in einem Verband, wie dem Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) oder Berufsverband Farbe Lackierung (BFL) organisiert sein muss, ist eine detaillierte Auswertung nur annähernd möglich. Wie ZKF-Hauptgeschäftsführer Thomas Aukamm auf Nachfrage von schaden.news erklärte, könne man deshalb nur Aussagen über diejenigen Betriebe treffen, die sich freiwillig dem Verband anschließen. Und das seien nach Einschätzung von Thomas Aukamm aktuell etwa 3.200 von etwa 4.700 in die Handwerksrolle eingetragenen Betrieben. Branchenexperten, Lackhersteller und Werkstattausrüster gehen intern von etwa 6.000 für sie relevante Betriebe aus. Fragt man beim Bundesamt für Statistik Destatis nach, liefern die Statistiker keine für den K&L-Markt spezifische Daten. Nur so viel: Waren es im Jahr 2009 noch 36.111 Maler- und Lackierbetriebe, sind es zehn Jahre später noch 34.035 Unternehmen. Etwas konkreter ist Destatis im Karosserie- und Fahrzeugbauhandwerk. Im Jahr 2009 waren in dieser Branche 4.026 Unternehmen registriert, im Jahr 2019 ging die Anzahl auf 3.681 Betriebe zurück. Daten für das Jahr 2020 liegen noch nicht vor. ## Knapp ein Prozent weniger Betriebe pro Jahr Zurück zum Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik: Auch wenn hier die Anzahl der ZKF-Mitgliedsbetriebe aktuell nach Aussagen des Verbandes konstant sei, so erwartet der Hauptgeschäftsführer dennoch, dass die Entwicklung künftig zu weniger und dafür größeren Betrieben gehe. Eine leicht rückläufige Entwicklung bei den Betriebsständen im Karosserie- und Fahrzeugbauhandwerk [zeigt auch eine Auswertung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH)](https://schaden.news/download/link/p68Q ). Demnach sank die Zahl der registrierten Betriebe kontinuierlich von 5.009 im Jahr 2010 auf 4.582. Damit gab es im vergangenen Jahr neun Prozent weniger Betriebe als noch vor zehn Jahren. ## Situation im Lackierhandwerk derzeit stabil Eine ähnliche Einschätzung gab auch der BFL-Vorsitzende Paul Kehle gegenüber der Redaktion. Ihm zufolge gehören derzeit etwa 1.600 Mitgliedsbetriebe des Verbands zum Kfz-Lackierbereich. Allerdings seien auch hier nicht alle Werkstätten gelistet, da sie unter das Maler-Hauptgewerk fallen. Somit sei es für Betriebe nicht zwingend erforderlich sich zusätzlich als Lackierfachbetrieb zu registrieren. Allerdings hat sich dem BLF-Vorsitzenden zufolge hier in den vergangenen Jahren kein drastischer Rückgang bei den Mitgliedsbetrieben gezeigt. ## Werkstattnetze der Lackhersteller bleiben gefragt Neben den offiziell über die Handwerksrolle gelisteten und Mitgliedsbetrieben der Berufsverbände, können die Mitgliedschaften von K&L-Betrieben in Werkstattnetzen einen gewissen Gradmesser zur Entwicklung der Betriebsstände in der Branche darstellen. Immerhin sind dies vor allem Betriebe, die ihr Alltagsgeschäft mit zusätzlicher Eigeninitiative und wirtschaftlichen Engagement betreiben. Auch wenn beispielsweise PPG und Nexa Autocolor K&L-Partnerbetriebe nicht in einem Werkstattnetz organisiert sind, liegt die Gesamtzahl über die übrigen großen Lackhersteller verteilt bei knapp 1.270 Betrieben, die das Konzept Werkstattnetz nutzen. ## Unsicherheitsfaktor Corona Insgesamt lässt sich festhalten, dass es bis Anfang 2020 einen leichten Abwärtstrend bei den Betriebsständen im K&L-Handwerk zu verzeichnen gibt. Noch fehlen also Zahlen dazu, ob die Coronakrise diese Entwicklung drastisch beschleunigt hat, oder ob mittelfristig dadurch mit einem Einbruch zu rechnen ist. Ein Aspekt stimmt für das Unfallschadenhandwerk hoffnungsvoll: Inhabergeführte, freie Werkstätten haben den allgemeinen Herausforderungen der Branche über die vergangenen zehn bis zwanzig Jahre gut Stand gehalten – insbesondere im Vergleich zur drastischen Entwicklung bei den Markenwerkstätten.
Christian Simmert