2020-11-17T12:41:07+0000

Wie bewerten die Verbände die Ausbildungssituation?

Vor wenigen Tagen hat die Bundesagentur für Arbeit ihre Ausbildungsstatistik für das Berichtsjahr 2019/2020 abgeschlossen. [schaden.news hatte die Ausbildungszahlen für Fahrzeuglackierer und kraftfahrzeugtechnische Berufe ausgewertet und vergangene Woche darüber berichtet. ](https://schaden.news/de/article/link/41981/ausbildungsstatistik) Doch wie schätzen die Verbände die momentane Ausbildungssituation ein? Lesen Sie hier die Statements von Robert Ziegler vom Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) und Dr. Albert Bill, Geschäftsführer Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierung (BFL) im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz. __Dr. Albert Bill, Geschäftsführer Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierung im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz__ „Im Handwerk und speziell für das Maler-Lackierer- und Fahrzeuglackiererhandwerk beziehen wir uns weniger auf die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, als vielmehr auf die handwerksspezifischen Erhebungen, die die Handwerksorganisation über den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) erhebt und publiziert. Betrachtet man die Zeitreihen, insbesondere diejenigen, die den Abschluss von Neuverträgen ausweisen, ist festzustellen, dass der Bestand an Neuverträgen für das Handwerk des Fahrzeuglackierers zwischen 2364 im Jahr 2012 und 2130 in 2018 pendelt. Nach den starken Rückgängen in den Jahren 2008 bis 2011 hat sich Angebot und Nachfrage bei den Fahrzeuglackierer-Lehrverhältnissen auf dem genannten Niveau stabilisiert. Auf Entwicklung der Zahlen für das „Corona-Jahr“ 2020 sind wir auch sehr gespannt. Hier erwarten wir aber frühestens zum Sommer 2021 belastbares Zahlenmaterial. Es kann schon sein, dass in der aktuellen Situation die Betriebe eine etwas vorsichtigere Personalplanung in Bezug auf die Neubesetzung von Ausbildungsplätzen vorgenommen haben. Dies ist ja auch kein Wunder, wenn man sich die coronabedingten Auftragsrückgänge ansieht mit denen die Betriebe zurechtkommen mussten und auch weiterhin zurechtkommen müssen, wie es das aktuelle Szenario ja vermuten lässt. Wenn Ausbildungsbetriebe darüber hinaus in dem Zusammenhang zunehmend die Ausbildungsreife und Ausbildungsfähigkeit so mancher BerwerberInnen beklagen, ist dies ein weiteres ernst zu nehmendes Thema, das auch ein Grund für das von schaden.news angesprochene „Passungsproblem“ sein kann. Nicht jeder ist für den Beruf geeignet. In vielen Betrieben wird die Suche nach geeignetem Nachwuchs auch nicht der Bundesagentur überlassen, sondern in Eigeninitiative und mit viel persönlichem Engagement gezielt daraufhin gearbeitet potenzielle Auszubildende im Rahmen von Schulpraktika etc. an den Beruf und den eigenen Betrieb heranzuführen. Da haben dann Inhaber und Ausbilder gemeinsam mit dem/den zukünftigen Auszubildenden Gelegenheit zu prüfen, ob es für alle Beteiligten passt, menschlich, fachlich und worauf es sonst noch bei der Ausbildung ankommt.“ __Robert Ziegler, Referatsleiter Berufsbildung Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e.V.__ „Die demographische Entwicklung mit ihren sinkenden Schulabgängerzahlen stellt die fahrzeugtechnischen Berufe vor große Herausforderungen. So sind die Geburten (1960 - 1.261.614 Geburten zu 2019 - 778.090 Geburten) in den letzten 49 Jahren um 483.524 Geburten zurückgegangen. Dieser drastische Geburtenrückgang der letzten Jahre trägt wesentlich zur Verschärfung der Ausbildungssituation in allen Gewerken bei. Ein weiterer Punkt ist die stetig steigende Akademisierung der letzten Jahre. Auf Grund dessen haben junge Menschen mit höheren Schulabschlüssen seltener die Handwerksberufe im Blick, sondern konzentrieren sich mehr auf einen Hochschulabschluss. Dies wird durch den Strukturwandel des Arbeitsmarktes noch verschärft. Die Folgen sind eine zunehmende Abwanderung in andere Dienstleistungs- und Verwaltungsberufe sowie in die Industrie. Nicht zuletzt deshalb, da angehende Lehrlinge eine größere Auswahlmöglichkeit hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft haben. Daher sind gute Ausbildungsbedingungen und eine entsprechende Entlohnung in Form der Ausbildungsvergütung die beste Werbung für Betriebe, um den Nachwuchs langfristig an die Firma zu binden. Um in einem fahrzeugtechnischen Ausbildungsberuf eingestellt zu werden, sollte beim Bewerber Interesse an einem Handwerksberuf vorhanden sein. Neben handwerklichem Geschick und logischem Denkvermögen werden mathematische sowie physikalische Kenntnisse vorausgesetzt. Leider sind in den letzten Monaten wichtige Kontaktpunkte wie z.B. Ausbildungsmessen, Berufsorientierungstage, Schulvorträge, Betriebspraktika usw. durch Corona ausgefallen. Um den Fachkräftenachwuchs zu sichern, wird es die kommenden Jahre in viel stärkerem Maß darauf ankommen, sämtliche Ausbildungspotenziale auszuschöpfen und alle Kanäle zur Anwerbung von Nachwuchs zu nutzen.“