2019-07-24T11:55:22+0000

Fahrzeugdiagnose: Sind freie Betriebe bald außen vor?

Die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen – sowohl untereinander als auch mit dem Internet – erfordert von Automobilherstellern neue Konzepte zum Schutz von Insassen- und Fahrzeugdaten. Entsprechende Sicherheitskonzepte könnten jedoch auch die Arbeit freier Reparaturbetriebe stark einschränken. Peter Sohmer, Leiter Produktmanagement bei Hella Gutmann, erklärt im Interview, worum es genau geht und wie die Ihringer Werkstätten dabei unterstützen wollen, entsprechende Diagnose-Jobs auch in Zukunft ausführen zu können. ### Herr Sohmer, inwiefern wird Datensicherheit in modernen Fahrzeugen eine Rolle spielen? _Peter Sohmer:_ Das Auto der Zukunft ist voll vernetzt – so viel ist klar. Denn viele Funktionen, beispielsweise Updates over the air und Connected Services, wie vorausschauende Warnungen vor Hindernissen oder Staus hinter Kurven ließen sich ohne entsprechende Internetverbindung oder Kommunikation des Fahrzeugs mit anderen Pkw oder zum Beispiel Ampeln im Umfeld gar nicht realisieren. Doch wo Schnittstellen zur Umwelt existieren, besteht auch die Gefahr, dass Hacker sich Zugang zu den Steuerungs- und Bedieneinheiten verschaffen. Und das ist gerade vor dem Hintergrund teilautonomer Fahrfunktionen ein echtes Bedrohungsszenario. Wir wissen aus unseren Gesprächen mit Automobilherstellern, dass diese bereits intensiv an entsprechenden Sicherheitskonzepten arbeiten und versuchen, ihre Modelle durch eine „Carwall“, analog zur Firewall für Computer, vor unberechtigten Zugriffen auf Fahrzeugdaten und -elektronik schützen. ### Was bedeutet das für freie Werkstätten? _Peter Sohmer:_ Fiat Chrysler Automobiles hat in seinen jüngsten Modellen bereits damit begonnen, ein sogenanntes Security Gateway zu integrieren. Weitere Hersteller überlegen ähnliche Sicherheitskonzepte für künftige Modellreihen. Solche Entwicklungen werden auch den offenen Datenfluss über die OBD-Schnittstelle stark einschränken. Bis dato gewohnte Umfänge könnten dann ausschließlich autorisierten Technikern vorbehalten sein. Das beträfe beispielsweise Arbeitsschritte wie die Kamerakalibrierung nach einem Scheibentausch und Grundeinstellungen, etwa des Scheinwerfers oder des Frontspoilers an einer Alfa Guilia. ### Wie wird man denn zum autorisierten Techniker? Genau in dieser Frage liegt die große Schwierigkeit, denn bei vielen Herstellern befinden sich diese Projekte noch in der Entwicklungsphase, sodass auch die Abläufe einer Authentifizierung unklar sind. Aktuell fokussieren wir auf die Umsetzung mit Fiat Chrysler, perspektivisch ist unser Ziel jedoch ganz klar, eine herstellerübergreifende Lösung zu schaffen. ### Das würde bedeuten, dass markenungebundene Betriebe künftig größere Schwierigkeiten bei Diagnose- und Kalibrierungsarbeiten bekommen, oder? _Peter Sohmer:_ Ja, so sieht es aus. Als Hella Gutmann Solutions sind wir zwar davon überzeugt, dass höhere Sicherheitsstandards hinsichtlich der Datensicherheit von Fahrzeugen notwendig sind. Allerdings muss es allen Marktteilnehmern weiterhin möglich sein, Reparaturen durchzuführen. Wir entwickeln deshalb zurzeit eine werkstattgerechte Lösung, um eine entsprechende Authentifizierungs-Funktion in die mega macs-Software zu implementieren, die dann im Rahmen von Software-Updates zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Funktion zielt darauf ab, den Anwendern der Hella Gutmann-Diagnosegeräte auch an künftigen Fahrzeugmodellen Diagnose in gewohntem Umfang und auf legale Weise zu ermöglichen. ### Können Sie bereits abschätzen, wann eine solche Lösung in den Praxiseinsatz geht? _Peter Sohmer:_ Wir arbeiten derzeit intensiv an einer Lösung für die Fiat Crysler-Gruppe und werden unsere Kunden informieren, sobald wir sie bei der Authentifizierung unterstützen können. Ob, in welchem Umfang und wann entsprechende Authentifizierungsfunktionen auch für andere Marken kommen, hängt natürlich von den Entwicklungen der Hersteller ab.
Lisa Möckel