2019-05-15T12:42:36+0000

„Realistische Arbeitszeitwerte könnten zu sinkenden Stundensätzen führen“

Beim Schadentalk im vergangenen Jahr diskutierte Uwe Schuffenhauer über Rechnungskürzungen und Arbeitszeitwerte. Der Betriebsleiter aus Dresden setzt sich heute im IFL für realistischere AW in den Schadenkalkulationssystemen ein. __Vor einem Jahr haben [wir das erste Interview geführt zum Thema Manipulation von Arbeitszeitwerten](https://schaden.news/de/article/link/40535/arbeitszeitwerte-und-rechnungskuerzungen-das-geht-so-gar-nicht). Was hat sich seitdem verändert?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Ich würde heute nicht mehr von Manipulation sprechen, sondern nur noch von Fehlern, die beim Entstehungsprozess der Arbeitszeitwerte passieren. Es hat sich nach dem [Schadentalk im Herbst vergangenen Jahres](https://schaden.news/de/category/schadentalk) vieles getan. Datendienstanbieter sind mit uns im intensiven Dialog, wir schauen uns die Datenlage zu den Arbeitszeitwerten viel genauer an. Ich denke, wir kommen jetzt weiter als noch vor Monaten. __Sie sind ja nicht nur in der Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL) aktiv, sondern führen auch den Betrieb Lack Eins in der Nähe von Dresden. Was hat sich dort getan?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Wir haben in unserem Betrieb selbst sehr viel in den vergangenen Monaten verändert. Dokumentation, Aufnahme von Bildern oder klarer Nachweis unserer Tätigkeiten – wir sind jetzt viel stärker darauf fokussiert, die einzelnen Arbeitsschritte so festzuhalten, dass sie nachvollziehbar sind. Gerade wenn die Reparaturzeiten höher sind als die Arbeitszeitwerte. Man muss wirklich sagen, mit diesem Vorgehen haben wir viele Rechnungskürzungen minimiert. __Bleiben wir bei den Arbeitszeitwerten: Nach wie vor bestehen offenbar immer noch Unterschiede zwischen tatsächlicher Reparaturzeit und den__ __Arbeitszeitvorgaben – das ist richtig, oder?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Wir müssen erstmal davon ausgehen, dass es sich bei den [Arbeitszeitwerten um Richtwerte handelt](https://schaden.news/de/article/link/40901/interview-arbeitszeitwerte-aukamm). Wenn wir die Richtwerte verändern, erzeugen wir Sternchenpositionen, die dann vom Prüfdienstleister bemängelt werden. Da müssen wir deutlich miteinander reden. Was ist denn tatsächlich in den Arbeitszeitwerten vorhanden und was nicht? Vieles von dem lässt sich nicht einfach an einem grünen Tisch in einer Zahl fassen, sondern es muss dann im tatsächlichen Reparaturfall, so wie es stattgefunden hat, abgerechnet werden. __Das bedeutet, man muss als Betrieb heute mehr dokumentieren, als es noch vor Jahren der Fall war?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Richtig, dokumentieren und dann auch rechtfertigen, was man tatsächlich gemacht hat, um auch den Kunden am Ende zufrieden zu stellen. Das ist das Ziel der Versicherung und auch von uns. __Beim Schadentalk im September 2018 haben Sie die Rechnungskürzungen ja sehr deutlich kritisiert. Wird in Ihrem Betrieb jetzt tatsächlich weniger gekürzt?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Auf jeden Fall deutlich weniger. Ich war nach dem Schadentalk bei Control Expert; Jörg Breuer hatte mich ja eingeladen. Wir haben in Langenfeld dann Klartext gesprochen und Control Expert hat deutlich aufgezeigt, worauf sie als Prüfdienstleister Wert legen. Ich habe dann in unserem Betrieb festgestellt: Je mehr wir dokumentieren, umso weniger hat der Prüfdienstleister die Möglichkeit, Positionen zu kürzen. Und falls Arbeitspositionen gekürzt werden, können wir durch die Dokumentation ordentlich belegen, welche Tätigkeiten wir tatsächlich aufgeführt haben. __Bei den IFL-Meldungen zu fehlerhaften Arbeitszeitwerten in den Kalkulationssystemen ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Wie schätzen Sie die Lage ein?__ _Uwe Schuffenhauer: _So, wie unsere Erkenntnisse aktuell sind, müsste die Interessengemeinschaft viel mehr Rücklauf aus dem Markt erhalten, als tatsächlich in Friedberg ankommt. Es melden immer noch viel zu wenig Betriebe die Abweichungen von der tatsächlichen Reparaturzeit zu den hinterlegten Arbeitszeitwerten in den Systemen. __Woran müssten jetzt alle Beteiligten arbeiten, um die Situation dauerhaft zu verbessern?__ _Uwe Schuffenhauer:_ Zunächst müssten alle Fachbetriebe Fehler in den Arbeitszeitwerten viel konsequenter an die IFL melden. Die Reparaturzeiten müssen grundsätzlich dorthin gebracht werden, dass alles, was auftragsbezogen entsteht, auch auftragsbezogen abgerechnet werden kann. Es gibt im Entstehungsprozess verschiedenste Stellschrauben. Die Rolle des Automobilherstellers ist zum Beispiel völlig undurchsichtig. Welche Daten gibt der OEM an die Schadenkalkulationsdienstleister weiter? Werden diese vollständig zur Verfügung gestellt? Der Technik-Referent vom ZKF, Micheal Zierau, hat schon vor Jahren bei den Karosserie- und Schadentagen in Würzburg aufgezeigt, dass bei den Arbeitszeitwerten bis zu 30 Prozent fehlen. Sollte aber alle Arbeitszeitwerte inklusive Rüst- und Vorbereitungszeiten stimmen, sodass wir als Fachbetrieb unsere Leistungen vollständig über die AW abrechnen könnten, dann müsste eigentlich auch der Stundenverrechnungssatz sinken. __Dieser Standpunkt überrascht…__ _Uwe Schuffenhauer:_ Ich weiß, dass ich damit vielleicht erst einmal auf Unverständnis stoße. Aber wenn wir die Arbeitszeitwerte wirklich so abrechnen könnten, wie sie im Auftrag entstehen, dann muss sich natürlich auch der Stundenverrechnungssatz senken. Denn hier sind ja viele notwendige Nebentätigkeiten eingepreist, die – wenn die AW vollständig wären – auch über mehr Arbeitszeit vergütet werden könnten. Dann wäre der Stundensatz im Übrigen auch gerechter, weil derjenige alle notwendigen Tätigkeiten bezahlt, der sie auch erhält. Und nicht alle Kunden über den Stundenverrechnungssatz. Also nochmal: Vernünftige Arbeitszeitwerte und ein vernünftiger Stundensatz, damit könnten alle Beteiligten leben. Damit meine ich nicht Stundensätze, die Betriebe mit Versicherern oder Schadenlenkern ausgehandelt haben, die nicht kostendeckend sind. Das stimmt meiner Meinung überhaupt nicht. Ich sag: Mittlerer DEKRA Stundenverrechnungssatz minus 20 Prozent bei angepassten und realistischen Arbeitszeitwerten – das ist für beide Seiten auskömmlich. __Vielen Dank für unser Gespräch!__
Christian Simmert