2017-07-05T15:06:17+0000
# Volle Kostenerstattung bei der Beilackierung? Das rät der Anwalt Wie alle anderen Schadenpositionen im Haftpflichtfall, so findet auch die Beilackierung ihre Berechtigung in § 249 BGB. Der Schädiger hat den Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Von daher ist eigentlich alles ganz einfach. Einem Urteil des OLG Hamm vom 28.03.2017 zufolge, fallen Beilackierungskosten nur an, wenn sie sich bei der Lackierung als tatsächlich notwendig erweisen (OLG Hamm, Az.: 26 U 72/16). ## **Es kommt darauf an, den richtigen Ton zu treffen** Bei frischen Einschicht-Unilacken mag es, die Metamerie- und Lackschichtdickenproblematik außen vor gelassen, im Einzelfall durchaus möglich sein, auch ohne Beilackierung auszukommen und auf Stoß zu lackieren. Bei ca. 40.000 marktgängigen Nuancen und bereits in der Serie vorhandenen Farbtonunterschieden zwischen einzelnen Bauteilen, ist dies aber eher die Ausnahme. Die Ansicht, dass die Beilackierung nicht beschädigter Fahrzeugteile lediglich optischen Zwecken diene und daher mit der Beseitigung des Schadens nichts mehr zu tun habe, ist befremdlich (vgl. Richter in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl. 2014, Kapitel 4, Teil 1, Rn. 418). Insbesondere bei hochpreisigen Fahrzeugen können sich reparaturbedingte Farbunterschiede negativ auf den Wert auswirken (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 27.09.2012, Az.: 2/23 O 99/12). Dass Farbunterschiede allerdings auch dann auftreten können, wenn Bauteile herstellerseitig lackiert bzw. eingefärbt ausgeliefert werden (Saarländisches OLG, Urt. v. 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13), soll hier nicht weiter vertieft werden. Die Behauptung, dass es beim heutigen Stand der Lackiertechnik möglich sei, eine Teillackierung ohne sichtbare Farbunterschiede vorzunehmen (Halm/Fitz in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der Kfz-Schadensregulierung, 3. Aufl. 2015, Kap. 10 Rn 9 a, 14) wird schon durch das Merkblatt des IFL zum Thema Beilackierung widerlegt. Dort heißt es wörtlich: _„Angesichts der immer komplizierteren Farbtöne moderner Autolacke ist es für den Lackierfachmann gerade bei aktuellen Farbtönen nahezu unmöglich, den ausreichend genauem Farbton einer Reparaturlackierung zu treffen.“_ ## **Die Kosten der Beilackierung sind zu ersetzen, wenn die Beilackierung erforderlich ist** Wird die Reparatur tatsächlich durchgeführt, steht fest, _„dass ohne Durchführung einer Lackangleichung deutliche und augenscheinlich leicht erkennbare Farbunterschiede zu den angrenzenden Bauteilen erkennbar bleiben“_ (AG Dortmund, Urt. v. 31.01.2014, Az. 436 C 1027/13), mit der Folge, dass der Ersatz der Kosten für die Beilackierung unproblematisch sein dürfte. Wenn der Lackierfachmann sie im Rahmen der Vorbereitung für erforderlich hält, sind die Kosten zu erstatten (vgl. AG Eschweiler; Urt. v. 07.03.2006, Az.: 21 C 14/06; AG Düsseldorf, Urt. v. 122.03.2011, Az. 52 C 10641/10; LG Bielefeld, Beschluss v. 19.05.2014, Az.: 20 S 109/13), mit der Folge, dass der Ersatz der Kosten für die Beilackierung unproblematisch sein dürfte. Wenn der Lackierfachmann sie im Rahmen der Vorbereitung für erforderlich hält, sind die Kosten zu erstatten (vgl. AG Eschweiler; Urt. v. 07.03.2006, Az.: 21 C 14/06; AG Düsseldorf, Urt. v. 122.03.2011, Az. 52 C 10641/10; LG Bielefeld, Beschluss v. 19.05.2014, Az.: 20 S 109/13). ## **Bei der fiktiven Abrechnung herrscht Uneinigkeit** Ob die Kosten der Beilackierung auch bei der fiktiven Abrechnung zu ersetzen sind, ist umstritten. Einer der Gründe dürfte darin liegen, dass auch bei der fiktiven Abrechnung nur die für die Behebung der Schadens tatsächlich erforderlichen Kosten zu ersetzen sind. Im Sinne des Bereicherungsverbots zu Lasten des Schädigers, ist dies auch systemkonform (vgl. AG München, Urt. v. 31.05.2011, Az. 343 C 25356/10). Als weiteres Argument wird ins Feld geführt, dass der Geschädigte nach fiktiv erfolgter Abrechnung ja immer noch reparieren lassen und dann weitere Kosten abrechnen kann (LG Aachen, Urt. v. 24.08.2012, Az.: 6 S 60/12). Dementsprechend vertritt dann auch z.B. das Landgericht Berlin die Auffassung, _„dass die Frage, ob eine Beilackierung erforderlich ist, erst beurteilt werden kann, wenn die zu reparierenden Teile Instand gesetzt und lackiert wurden. Denn erst dann wird sichtbar, ob sich ein farblicher Unterschied zu der_ _ursprünglichen_ _Lackierung ergibt.“_ ## Da diese Feststellung bei der fiktiven Abrechnung nie möglich sein wird, hat es den Anspruch abgelehnt (LG Berlin, v. 23.08.2012, Az.: 44 O 262/11). Diese Ansicht teilen z.B. das AG Neuss (Urt. v. 23.08.2011, Az.: 75 C 1250/11), das AG Gummersbach (Urt. v. 03.02.2012, Az.: 11 C 392/11) das AG Essen (Urt. v. 10.07.2012, Az. 11 C 151/12) oder das AG Aachen (Urt. v. 11.12.2013, Az.: 101 C 65/12) oder das AG Dortmund (Urt. v. 07.05.2014, Az.: 416 C 1096613). Auch das Urteil des OLG Hamm vom 28.03.2017 (Az.: 26 U 72/16) geht in diese Richtung. Wie wichtig es ist, den Anspruch im Prozess substantiiert zu begründen, zeigt das Urteil des LG Köln vom 10.05.2016 (Az. 11 S 360/15), das den Anspruch nur deswegen ablehnte, weil das Sachverständigengutachten keinerlei nähere Ausführungen zur Erforderlichkeit der Beilackierung enthielt. Anderenfalls wäre das Urteil sicherlich zu Gunsten des Geschädigten ausgefallen (s.a. AG Hattingen, Urt. v. 08.10.2014, Az.: 6 C 191/13; AG Herne, Urteil vom 21. November 2013 – 20 C 35/13; AG München, a.A.o.), da im Rahmen der fiktiven Abrechnung die grundsätzliche Erforderlichkeit ausreichend ist (AG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.2011, Az.: 52 C 10941/10). ## ## Folgerichtig hat das AG Dortmund (Urt. v. 31.01.2014, Az.: 436 C 1027/13) die Kosten für die Beilackierung, unabhängig von der tatsächlichen Durchführung, für den Fall zugesprochen, dass der Sachverständige „_die Beilackierung in seinem Gutachten explizit ausweist und hierzu vermerkt, dass davon auszugehen ist, dass ohne Durchführung einer Lackangleichung deutliche und_ _augenscheinlich leicht erkennbare Farbunterschiede zu den angrenzenden Bauteilen erkennbar bleiben“._ Das AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urt. v. 01.07.2015, Az.: 4 C 1052/14), das LG Hamburg (Urt. v. 25.03.2014, Az. 323 S 78/13) und das LG Kiel (Beschluss v. 15.02.2010, Az.: 1 S 107/09) gehen in die gleiche Richtung. Keine Diskussion dürfte es geben, wenn die Kosten der Beilackierung aufgrund herstellerspezifischer Lackeigenschaften (hier: Grautonfindung) üblicherweise ohnehin anfallen (AG Lübeck, Urt. v. 12. Mai 2015, Az.: 30 C 79/14).
Dr. Wolf-Henning Hammer (ETL Kanzlei Voigt)